Von Moskau unabhängige orthodoxe Kirche in der Ukraine gegründet
KIEW. In der Ukraine ist am Samstag eine eigene orthodoxe Nationalkirche gegründet worden. Bei einer Synode in Kiew stimmten die Bischöfe von zwei orthodoxen Kirchen für eine Vereinigung.
Die moskautreue orthodoxe Kirche in der Ukraine boykottierte die Versammlung weitgehend. Von ihr nahmen nur zwei Bischöfe teil.
Zum Oberhaupt der neuen Kirche wählte die Versammlung den Metropoliten Epifani von Perejaslawl, der vom ukrainischen Staatspräsidenten Petro Poroschenko persönlich vorgestellt wurde. "Heute ist der Tag der endgültigen Erlangung der Unabhängigkeit von Russland", betonte der 53-Jährige.
Das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel, will der neuen Kirche im Jänner die Eigenständigkeit endgültig zuerkennen. Poroschenko hat die Kirchenpläne als Teil seines Wahlkampfs für 2019 vorangetrieben. Die Russisch-orthodoxe Kirche sieht die Ukraine als ihr Gebiet und kämpft seit Monaten dagegen, die Gemeinden dort zu verlieren.
4000 Beamte im Einsatz
Die Synode mit etwa 200 Teilnehmern fand in der ältesten Kirche Kiews, der Sophienkathedrale, statt. "Von Ihnen und nur von Ihnen hängt die Zukunft der Ukraine ab, unsere Freiheit, unsere staatliche und geistige Unabhängigkeit von Russland", hatte Poroschenko den zusammengetretenen Bischöfen gesagt. Die Ukraine wolle und könne kirchenrechtlich nicht mehr zu Russland gehören.
Vor der Kathedrale bekundeten mehrere Hundert Menschen mit ukrainischen Fahnen ihre Unterstützung für eine kirchliche Loslösung von Russland. Die Polizei sicherte das Zentrum der Hauptstadt mit etwa 4.000 Beamten.
Wegen der Kirchengründung in der Ukraine herrscht seit Monaten ein bitterer Streit zwischen der Russisch-Orthodoxen Kirche und dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios. Die kirchlichen und politischen Folgen dieser tiefen Spaltung sind noch nicht abzusehen.
"Wir haben genug"
Die Ukraine will sich angesichts der militärischen und politischen Übergriffe aus Russland auch religiös vom Nachbarland abnabeln. Das Moskauer Patriarchat sieht die Ukraine aber als sein angestammtes Kirchengebiet. Das Oberhaupt der moskautreuen Orthodoxen in Kiew, Metropolit Onufri, sprach am Samstag von einem Versuch, die Kirche zu spalten. "Es gibt schon eine Landeskirche. Wir haben genug. Wir haben viel mehr, als man denen verspricht, die an dieser Synode teilnehmen", sagte er.
Die Mitarbeiter Bartholomaios' haben ein Statut für sie ausgearbeitet. Am 6. Jänner will er dem gewählten Oberhaupt der gesamtukrainischen Kirche den Erlass über die kirchenrechtliche Eigenständigkeit (Autokephalie) überreichen.
Die Orthodoxie in der Ukraine ist bisher gespalten. Faktisch werden sich vor allem die erst 1992 gegründete Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats und die kleinere Autokephale Kirche zusammenschließen. Größtenteils draußen bleiben die Bistümer des Moskauer Patriarchats, die aber mehr Priester, Kirchen und Klöster zählen. Damit bahnen sich Konflikte um wichtige orthodoxe Heiligtümer wie das berühmte Höhlenkloster in Kiew an.
Oberhaupt ist 39 Jahre alt
Der Kiewer Patriarch Filaret erschien zur Synode mit der Kopfbedeckung eines Metropoliten. Er zeigte damit an, dass er die Oberhoheit von Bartholomaios über die künftige Kirche anerkennt. Epifani, ein Schützling Filarets, ist erst 39 Jahre alt.
Eine andere Überlegung in Kirchenkreisen war, Metropolit Simeon von Winnyzja zum Oberhaupt zu wählen. Er ist ein Vertrauter Poroschenkos und gehört der Moskauer Patriarchatskirche an. Seine Wahl wäre ein Signal an die moskautreue Geistlichkeit gewesen
Der drohende Verlust von orthodoxen Gläubigen und Gemeinden in der Ukraine wird in der russischen Politik beklagt. Der Oppositionelle Alexej Nawalny machte auf Twitter die Führung um Präsident Wladimir Putin für das Abrücken der Ukraine verantwortlich: "Was in Hunderten Jahren geschaffen wurde, haben Putin und seine Idioten in nur vier Jahren zerstört."