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"Falstaff"-Premiere: Ein trauriger Ritter von der dicken Gestalt

Von Michael Wruss, 19. September 2016, 00:04 Uhr
"Falstaff"-Premiere: Ein trauriger Ritter von der dicken Gestalt
"Falstaff": Federico Longhi brillierte bei der Premiere in der Titelrolle. Bild: APA

Gelungene Eröffnungspremiere der neuen Intendanten-Ära im Linzer Musiktheater.

Man hat bei der ersten Premiere der Ära Hermann Schneider auf Nummer sicher gesetzt und sowohl mit der Werkauswahl – Giuseppe Verdis "Falstaff" – als auch mit dem Regiekonzept des Erfurter Intendanten Guy Montavon eher konventionelle Wege bestritten. Dieser verlegt das Geschehen in die Zeit der Entstehung, in der für wenige reiche Industrielle die aufstrebende Konjunktur dazu beitrug, ihr Vermögen exponentiell zu vermehren, in der aber auch die andere Seite der wirtschaftlichen Medaille vollkommen zuschlägt: Verelendung von Millionen Arbeitssklaven, aber auch der Verlust an Einfluss des Adels.

So wundert es nicht, dass Ausstatter Hank Irwin Kittel sein sehr realistisches Bühnenbild mit der Backsteinromantik des industriellen Aufstiegs dekoriert, dass er selbst Firmen- und Berufsleben miteinander verschmelzen lässt. Denn Alice empfängt den hormonübersteuerten Liebessüchtigen in einer riesigen Fabrikhalle samt verwirrend gespanntem Transmissionsnetz. Das modernisiert das Stück auf zweifache Weise, indem es aus der Shakespeare-Zeit in Italiens Post-Risorgimento verschoben wurde und damit unmittelbar unsere heutige Zeit anspricht. Auch die jetzige technische Revolution wird ihre Opfer fordern und da haben es Außenseiter wie Falstaff besonders schwer.

Wer ist hier der Narr?

Nicht ganz nachzuvollziehen ist, warum Montavon Falstaff am Ende nicht bloß dem Gespött preisgibt, sondern ihm mit dem letzten Hammerschlag auf das "Hau den Lukas"-Gestell den Garaus macht. Überhaupt stellt sich die Frage, wer der Narr ist. Nur Falstaff, der beim nächtlichen Stelldichein nicht als schwarzer Jäger, sondern als Clown in einem vom Verfall gezeichneten Vergnügungspark auftritt? Wer sind nun die in der Schlussfuge zitierten "Gabbati", die Gefoppten? Wir alle, oder bloß der ob seiner Statur und seiner hormonellen Übersteuerung diskriminierte Außenseiter? Das letzte Bild lässt unbequeme Fragen offen. Der Spaß ist trotz fein geschliffener Personenregie ein wenig zu kurz gekommen, ein Häusl – ein Plumpsklo – bringt das Publikum heute nicht aus dem Häusl. Und so blieb der Applaus freundlich, aber reserviert kühl.

Das hat aber auch mit der musikalischen Umsetzung zu tun, die zwar sehr gelungen war, aber das Quäntchen an Übermut, das Verdi in seine Partitur verpackt hat, vermissen ließ. Das Bruckner Orchester musizierte famos, dennoch wäre mit etwas schnelleren Tempi noch mehr quirlige Lebendigkeit aus den Noten zu zaubern gewesen. Dennis Russell Davies setzte auf bedachtes, fein durchstrukturiertes Musizieren, was dem überbordenden Übermut nicht ganz entgegenkam. Das mag auch bewirkt haben, dass manche der Solisten sich in ihrer Rolle nicht ganz so wohl zu fühlen schienen. Martin Achrainer war ein fabelhafter Ford, der intensiv sängerisch agierte, aber die ideale Stimme dafür hat er nicht. Auch seine Bühnengattin Alice, Myung Joo Lee, überspielte perfekt und mit viel Charme, dass sie viel lieber eine Arie zu singen hätte, als ständig auf Timing gefordert höchst diffizile Ensembles anzuleiten. Insofern konnte sich auch Martha Hirschmann als Mrs. Meg Page kaum in den Vordergrund singen. Christa Ratzenböck lebte ihre schauspielerische Kunst weidlich aus, konnte aber nicht verleugnen, dass ihrem Mezzosopran die ziemlich tiefe Partie der Mrs. Quickly einfach zu tief ist.

Ideal besetzter Falstaff

Das Liebespaar Nannetta und Fenton war mit der frisch engagierten Fenja Lukas, die im letzten Bild als Mary Poppins vom Himmel schwebend fein timbriert ihre Feenarie zelebrierte, und mit dem tenoral brillierenden Jacques Le Roux bestens besetzt. Als die Diener Falstaffs waren Matthäus Schmidlechner (Bardolfo) und Dominik Nekel (Pistola) eine Luxusbesetzung und Pedro Velásquez Díaz war ein einwandfreier Dr. Cajus. Fehlt nur noch Federico Longhi, der eine absolute Idealbesetzung für den Falstaff ist. Es ist nicht bloß die Größe seiner Stimme, sondern die Fähigkeit, die Klangfarben subtil dem Text und seiner Bedeutung anzupassen. Dass er obendrein ein großartiger Schauspieler ist, bereichert die Sache umso mehr. Man kann nur hoffen, dass sich die gelungene Produktion noch ein wenig entkrampft und das Ganze wie ein Feuerwerk explodiert, wie es sich Verdi gewünscht hätte.

Oper: Premiere von Giuseppe Verdis "Falstaff", 16. September, Musiktheater Linz

 

 

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