Gesellschaft im Umbruch
Gerald Mandlbauer erinnert in seinem Leitartikel vom 15. Jänner sehr eindrucksvoll an die Aufwärtsentwicklungen der letzten Jahrzehnte und stellt diese dem Zustand der heutigen Gesellschaft gegenüber.
Die Pandemie hat zweifellos die Schwächen unserer Gesellschaft schonungslos aufgezeigt. Zu viel wird der Jagd nach dem eigenen Vorteil geopfert, sodass Gemeinschaftssinn und Solidarität, Prinzipien, die uns nach 1945 als Land mit damals düsteren Aussichten stark gemacht haben, auf der Strecke bleiben. Diese „Ich AG“-Einstellung ist allerdings nicht von ganz alleine entstanden. Sie wurde den Menschen lange Zeit als erstrebenswerte Gesellschaftsform eingehämmert, sodass sich als deren Folge in weiten Bereichen unseres Lebens Entsolidarisierung breitgemacht hat.
Vereine, gemeinnützige Organisationen, politische Parteien und Interessenvertretungen, die auch als gesellschaftliches Bindeglied fungieren, finden schwer Menschen, die sich uneigennützig in den Dienst der Sache stellen. Selbst die Kirche ist von Mitgliedererosion betroffen.
Bei grundsätzlich positiver Bilanz der Vergangenheit darf auf Probleme nicht vergessen werden. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft zunehmend auseinander, manche Menschen leben trotz Vollzeitarbeit von der Hand in den Mund, während z. B. Post-Manager in einer Woche das Einkommen haben, wofür ein Zustellbote ein ganzes Jahr arbeiten muss. Die Geschichte lehrt uns: Wachsende Ungleichheit ist der Quell von Unzufriedenheit und demokratiefeindlich.
Franz Poimer, Linz