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Ein Linzer Candyboy, Orbans irre Machtspiele, ein Roadmovie durch Bosnien

Von Nora Bruckmüller, 20. April 2020, 14:50 Uhr

Crossing-Europe-Filme in der OÖN-Kritik: 156 Werke wollte man beim internationalen Filmfest auf die Linzer Leinwände projizieren. Nach der Absage durch Corona werden ab 21. April handverlesene Filme im regionalen TV und als Stream geboten. Drei Tipps und alles zum Angebot:

TIPP EINS
"Micha Shagrir – The Linzer Candy Boy"
(AT/IL 2020), Regie: Michael Pfeifenberger

Es ist eine oberösterreichische Geschichte, wie sie nur ganz selten erzählt wird. Weil es dafür ehrlich tiefgehendes Interesse an einem der schmerzhaftesten Kapitel der Menschheit braucht, der Shoa. Es darf sich nicht nur auf deren Gräuel fokussieren darf, sondern muss auch deren jahrzehntelangen Auswirkungen aufgreifen können. Dazu braucht es einen langen Atem.
In diesem Fall erleichterte diese Aufgabe das gewinnbringende, so liebenswürdige Wesen seines Protagonisten: Micha Shagrir, geboren 1937, war das letzte jüdische Kind, das aus Linz vor der NS-Verfolgung fliehen konnte und mit seinen Eltern im damaligen Palästina ein sicheres Weiterleben fand. Sein Vater war Inhaber des später arisierten Süßwarenhandels in der Bischofstraße Linz – in derselben Straße, in der Adolf Eichmann lebte, Hitlers „Organistor“ der Endlösung. In delikater Ironie, wie sie nur die Geschichte beherrscht, avancierte Shagrir zu einer der Größen der Filmszene Israels, die zeitlebens Fliehenden und Humanismus eine Stimme gab. Er starb 2015 in einem Hospiz.

Regisseur Michael Pfeifenberger nahm dies zum Anlass, um eine außergewöhnliche, doch kaum breitenwirksam beachtete Vita vom Schatten ins Licht zu holen. Mit viel Sinn für ihre einzelne Erzählstränge und historische Zäsuren verschränkte er Interviews mit Shagrirs Begleitern aus Linz, darunter Alt-Landeshauptmann Josef Pühringer und Crossing-Europe-Intendantin Christine Dollhofer), mit seiner Familie in Israel und Gespräche mit dem gebürtigen Linzer zum einem dokumentarischen Porträt eines Jahrhundertzeugen. Mag man den Aufnahmen ihr Alter teilweise ansehen, ist es ein brandaktuelles Plädoyer gegen Vergessen, Verdunkeln und Verdrängen, eines für offenen Umgang in Familien, Politik und Gesellschaft, vor allem in Fragen von Flucht, transnationaler Verantwortung, Aufarbeitung von Traumata und Aussöhnung.

Zu sehen: 21. April, 20 Uhr, dorf tv,
Zuerst Diskussion mit Crossing-Europe-Chefin Dollhofer, Film im Anschluss

dorf tv sendet via Antenne (simpliTV) und im digitalen LIWEST Kabel (Kanal 33) im Zentralraum Oberösterreichs, und online als nicht kommerzieller regionaler Sender. www.dorftv.at

****

TIPP ZWEI 
"The Free University"
(HU 2019, 54 Min., OmU)
Regie: Jonathan Hunter, Lucie Janatova

Wie Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban anlässlich der Corona-Krise per Notstandsgesetz seine Macht zum politischen Monopol ausbaute, lässt keinen mündigen Bürger kalt. Ein Gefühl dafür, warum es zu einer solchen anti-demokratischen Konzentration kommen konnte, vermittelt der hochspannende Dokumentarfilm „The Free University“. Er zeigt exemplarisch, wie Demokratie mit System zum Erodieren gebracht wird. Rigoroses Vorgehen gegen pluralistisch wie liberal agierende Institutionen und Feindbilder mobilisierte 2018 die Studierenden der ECU,
der bestbewerteten Universität des Landes, für den Verbleib ihrer Hochschule in Budapest zu demonstrieren - die ECU sollte weg.

Einerseits arbeitet der Film den Lauf der Ereignisse auf, das sukzessive Auslöschen einer Universität, wie es in Europa zuvor etwa unter dem NS-Regime passiert ist. Andererseits werden die Beweggründe und Lebenssituationen der Studenten beleuchtet, die offen und ehrlich über juristische Verfolgung, zerstörte Lebenspläne und öffentliche Gefährdung sprechen. Die Wucht, mit der einem das Ausgesetztsein, die Hilflosigkeit, einer jungen Generation Ungarn bewusst wird, die das Beobachten und Zuwarten der Europäischen Union als „Zynismus“ empfinden, wirkt aufgrund einer Crossing-Europe-Spezialdisziplin umso intensiver – die Augen für historische Ähnlichkeiten zu öffnen. Wer den Film über Micha Shagrir (mehr oben) gesehen hat, erinnert sich an die Flucht der Kreativen vor dem Faschismus, den bis heute nicht aufgewogenen Verlust geistiger und intellektueller Kräfte ab 1933. In Ungarn wird es ähnlich sein: 

Die Jungen sehen in ihrem eigenen Land keine Zukunft. 

Zu sehen: 21. April bis 20. Mai auf den Plattformen www.vodclub.online (ein Drittel des Preises kann an ein Kino nach Wahl gestiftet werden, hier bietet sich das Festivalkino Moviemento Linz an) und www.flimmit.com
Insgesamt zehn Festivalfilme (mehr unten) sind bei beiden Anbieter zum gleichen Preis zu streamen.

****

 

TIPP DREI
"Take me somewhere nice"
(NL/BA, 2019, 91 Min., OmeU)
Regie: Ena Sendijarevic (Jahrgang 1987)

Ein im besten Sinne typischer Crossing-Europe-Film, der etablierte Themen des Festivals verbindet: Erwachsenwerden, Emanzipation, Feminismus, Nationalismus, Kriegswunden, Familie und Freiheit dominieren dieses Roadmovie, das auch mit seinem Schauwert punktet. Alma reist in den Sommerferien aus ihrer "neuen" Heimat, den Niederlanden, in ihre alte, um dort ihren Vater im Krankenhaus zu besuchen. In Bosnien taumelt sie, auf allen Ebenen isoliert, in eine Odyssee. Von ihrem Cousin Emir und Denis, dessen amourös durchaus interessierten Adlaten, im Stich gelassen, weiß man überhaupt nicht mehr, was Almas Ziel sein könnte? Vielleicht bloß der nächste Mensch, der sie irgendwie mitnimmt. Die Bilder dazu sind von reduzierter, klarer Eleganz und in Pastell gehalten. Das Tempo ist angenehm gemächlich getaktet. Schauspiel (Sara Luna Zoric, Lazar Dragojevic als Denis, Ernad Prnjavorac als Emir) sowie Atmosphäre prägt der Wechsel zwischen Temperament und lakonischem Stillstand, fast freiwilliger Selbstaufgabe. Ein skurril bis romantischer, ausgelassen bis todernster Film über Europa.

Zu sehen: 21. April bis 20. Mai auf den Plattformen www.vodclub.online (ein Drittel des Preises kann an ein Kino nach Wahl gestiftet werden, hier bietet sich das Festivalkino Moviemento Linz an) und www.flimmit.com 
Insgesamt zehn Festivalfilme (mehr unten) sind bei beiden Anbieter zum gleichen Preis zu streamen.

 

Die weiteren acht Crossing-Europe-Filme zum Streamen 
Alle Infos: www.crossingeurope.at 

LA HIJA DE UN LADRÓN / A THIEF'S DAUGHTER | Spielfilm
Belén Funes, ES 2019, 102 min, OmeU

IVANA CEA GROAZNICA / IVANA THE TERRIBLE | Spielfilm
Ivana Mladenovic, RO/RS 2019, 89 min, OmeU

ZABUTI / THE FORGOTTEN | Spielfilm
Daria Onyshchenko, UA/CH 2019, 105 min, OmeU

OTAN O WAGNER SINANTISE TIS NTOMATES / WHEN TOMATOES MET WAGNER | Dokumentarfilm
Marianna Economou, GR 2019, 72 min, OmeU

ROTJOCHIES / PUNKS | Dokumentarfilm
Maasja Ooms, NL 2019, 90 min, OmeU

PARWARESHGAH / THE ORPHANAGE | Spielfilm
Shahrbanoo Sadat, DK/DE/FR/LU/AF/QA 2019, 90 min, OmeU

L’ANGLE MORT / BLIND SPOT | Spielfilm
Patrick Mario Bernard, Pierre Trividic, FR 2019, 104 min, OmeU

THE SOUND IS INNOCENT | Dokumentarfilm
Johana Ožvold, CZ/FR/SK 2019, 68 min, OmeU

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