Musik, die etwas zu sagen hat
Pianist Michael Korstick begeisterte bei den Welser Abonnementkonzerten.
Michael Korstick, der am Dienstag im Rahmen der Welser Abonnementkonzerte einen Klavierabend in der Landesmusikschule Wels spielte, wirkt nach außen hin ruhig, besonnen und ist sicherlich keiner, der mit aller Gewalt das Podium stürmt und sich in Szene setzt, sondern ein Grübler, der sich geradlinig und vollkommen uneitel in den Dienst der Sache stellt. Nämlich Musik so zu interpretieren, dass sie etwas zu sagen hat.
Nicht umsonst zählt er zu den besten Beethoven-Interpreten der Gegenwart. Seine Sichtweise von Musik hat einen unglaublich analytischen Tiefgang, ohne das Emotionale hintanstehen zu lassen.
Gefühl für Linien
Vielleicht gerade wegen seiner peniblen Art und Weise, die Partituren zu lesen und dabei ein Gefühl für Linien zu entwickeln, die in dieser Art noch nicht gehört worden sind. Linien, die nicht bloß eine Melodie ergeben, sondern die so fein ziseliert aus dem Flügel gezaubert werden, dass man in der Kombination mit Begleit- und Gegenstimmen unterschiedliche Klangfarben erkennen kann, dass so jedem Element in der Musik sein Platz und seine Bedeutung zugewiesen werden.
Das war so von der ersten Note in Haydns viel zu selten gespielten f-Moll-Variationen zu erleben. Mit welcher Schlichtheit und dennoch unsagbarer Intensität Korstick die Melodie über dem einfachen Bass erklingen ließ, war famos.
Dieses wohl tiefschürfendste Klavierwerk Haydns wurde in eine ganz andere Dimension gehoben und so auf eine Stufe mit Beethovens c-Moll-Sonate op. 111 gestellt. Nicht zu Unrecht. Denn auch dort sind es Variationen, die die Musik in unendlicher Vielfalt sprechen lassen und sie in eine Zauberwelt faszinierender Erscheinungen transformieren. Auch hier Korsticks famoser Umgang mit den Linien. Ein Spiel, das absolute Klarheit evoziert und selbst an haarigen Stellen nichts mit dem Pedal beschönigt.
Nicht virtuoser Rausch steht im Zentrum, sondern das Durchleuchten einer Komposition, die Beethovens abschließendes Bekenntnis sein mag, ein Zuendeführen eines musikalischen Denkens eines Genies, das aber die Türen weit in die Zukunft öffnet.
Auch Schuberts letzte Klaviersonate schwankt zwischen Tod und Leben, setzt der Gewissheit um die Krankheit, dem Verzweifeln darüber, der Vorahnung des Unausweichlichen vielleicht symbolisiert durch jenen Schicksalstriller, der das Hauptthema beschließt, zarte Hoffnung und Lebensmut entgegen.
Ausloten der Klangfarben
Faszinierend an Michael Korsticks Interpretation war nicht unbedingt die Langsamkeit des ersten Satzes, sondern wiederum das Ausloten der Klangfarben, die subtile Klangbalance zwischen den Stimmen, die ungeheure Leidenschaft, die aber nie in platte Gefühlsduselei abrutschte, sondern die – wie im ganzen Abend – den emotionalen Gehalt aus dem analytischen Erfassen des Notentextes erfährt. Eine perfekte Synthese zwischen unbändiger Musizierlust bei gleichzeitig wachem Kopf – Sinn und Gehalt halten sich hier die Waage.
Für das begeisterte, den Saal restlos füllende Publikum hatte Korstick vier Zugaben parat – am spannendsten vielleicht die fast in impressionistische Klangfarben getauchte E-Dur-Sonate K 380 von Domenico Scarlatti. Es wäre wünschenswert, wenn man den seit 2014 in Linz lebenden Professor für Klavier der Anton Bruckner Privatuniversität öfter in seiner Wahlheimat erleben könnte…
Landesmusikschule Wels: Konzert mit Michael Korstick im Rahmen der Welser Abonnementkonzerte, 17.1.
OÖN Bewertung: