Auf literarischem Konfrontationskurs mit Piratenkapitän Störtebeker
Martin Amanshauser lotet das Irrsinnspotential einer Kreuzfahrt aus.
Martin Amanshauser ist ein Autor mit originellen Ideen und Witz. Das hat er mit Romanen wie "Alles klappt nie" bewiesen, und er beweist es einmal mehr mit seinem neuen Roman "Der Fisch in der Streichholzschachtel". Amanshauser hat sich auch als Reisejournalist einen Namen gemacht, und es sind wohl Realerfahrungen, die in die Handlung eingeflossen sind.
Ort des bizarren Geschehens ist diesmal ein Kreuzfahrtschiff. Fred Dreher, die Erzählerfigur, hat verdammt schlechte Karten. Seine Ein-Mann-Firma für Sicherheitsanlagen läuft nicht so recht. Er ist von der finanziellen Unterstützung seiner Frau Tamara abhängig. Die Kinder machen auch Sorgen. Tom entwickelt sich Richtung Adipositas, dafür wird Malvi immer dünner und weist auch sonst die weniger netten Eigenheiten der Pubertät auf. Fred muss seiner Tamara verschweigen, dass er soeben eine Vasektomie überstanden hat und unter Hodenschmerzen leidet, denn sie wünscht sich ein drittes Kind.
Um Tamaras Vierziger lustvoll zu feiern, begibt sich die Familie auf das Kreuzfahrtschiff "Atlantis". Für Fred hält sich die Lust in Grenzen. Die Kontaktfreudigkeit einer holländischen Familie nervt ihn, aber vor allem kann er beruflich nicht abschalten. Ein Großauftrag, von dem Sein oder Nichtsein der Firma "Alarm Fred" abhängt, ist so gut wie sicher – aber eben nur "so gut wie". Fred braucht dringend das Internet, aber ein Orkan bringt alles Technische zum Erliegen. Zu allem Überfluss trifft Fred auch noch eine Verflossene, die in ihm ehefeindliche Begierden auslöst. Kein leichtes Los. So weit, so amüsant.
Launige Zivilisationskritik
Aber die Besonderheit dieses Reiseromans besteht darin, dass Amanshauser die realistische Erzählebene verlässt und die "Atlantis" mit einem anderen Schiff konfrontiert, das auch in der Karibik unterwegs ist, das Piratenschiff "Fín del Mundo", das allerdings, so wie seine Besatzung, in das 18. Jahrhundert gehört. Der legendäre Piratenkapitän Störtebeker stammt sogar aus dem 14. Jahrhundert. Amanshauser legt diese Epochen übereinander und konfrontiert die Piraten mit den Kreuzfahrtpassagieren. Das gibt nicht nur Gelegenheit zu komischen Situationen, sondern auch zu launiger Zivilisationskritik, denn aus der Perspektive der alten Seefahrer nimmt sich die Welt des 21. Jahrhunderts befremdlich aus.
Martin Amanshauser führt seine beiden Handlungsstränge über fast 600 Seiten nebeneinander und ineinander. Er macht das ziemlich geschickt und ideenreich, so wie wir es von ihm gewohnt sind. Dennoch hätte die eine oder andere Kürzung der erzählerischen Intensität nicht geschadet. Insbesondere die Dialoge würden Straffung vertragen.
Martin Amanshauser: "Der Fisch in der Streichholzschachtel", Roman, Deuticke, 575 Seiten, 22,60 Euro
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