Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Wirecard-Bilanzskandal: Braun tritt zurück

Von nachrichten.at/apa, 19. Juni 2020, 13:11 Uhr
Wirecard
Markus Braun, bisheriger Konzernchef von Wirecard. Bild: Peter Kneffel (dpa)

ASCHHEIM. Nach dem Bilanzskandal beim DAX-Konzern Wirecard hat der umstrittene Vorstandschef Markus Braun seinen Posten geräumt. Der österreichische Manager sei im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat mit sofortiger Wirkung zurückgetreten.

Das teilte das Unternehmen am Freitag mit. Interims-Chef wird der US-Manager James Freis, der erst am Vorabend in den Vorstand berufen worden war.

Entscheidend für die Zukunft des Unternehmens wird jedoch sein, ob die Banken Wirecard den Geldhahn zudrehen und von der Möglichkeit Gebrauch machen, an diesem Freitag Kredite von zwei Milliarden Euro zu kündigen. Wirecard machte den Anlegern Hoffnung: Das Unternehmen befinde sich in "konstruktiven Gesprächen" mit seinen kreditgebenden Banken.

Die Banken wären laut Wirecard zur Kündigung berechtigt, wenn das Unternehmen keinen testierten Jahresabschluss vorlegt. Nach einer Schätzung der US-Bank Morgan Stanley würde Wirecard nur noch über liquide Mittel von 220 Millionen Euro verfügen, falls diese Kreditlinien verloren gehen.

Aus eigenem Antrieb zurückgetreten

Die Mitteilungen zum Chefwechsel und den Verhandlungen mit den Banken stoppten den von Pleiteängsten getriebenen rapiden Verfall der Wirecard-Aktie an der Frankfurter Börse. Die Papiere verloren am Vormittag die Hälfte ihres Werts und stürzten von 40 auf 20 Euro je Anteilsschein ab, um anschließend wieder auf knapp 30 Euro zu klettern. Seit Mittwochabend liegt der Wertverlust der Papiere insgesamt bei neun Milliarden Euro - allein Braun als Großaktionär hat über 600 Millionen Euro eingebüßt.

Der zurückgetretene Vorstandsvorsitzende schrieb in einer persönlichen Erklärung an Mitarbeiter und Aktionäre, er sei aus eigenem Antrieb zurückgetreten. Wirecard habe ein exzellentes Geschäftsmodell, herausragende Technologie und ausreichende Ressourcen für eine große Zukunft. "Ich will diese Zukunft nicht belasten", erklärte der 1969 geborene Österreicher in der auf Englisch verfassten Erklärung. "Mit meiner Entscheidung respektiere ich die Tatsache, dass die Verantwortung für alle geschäftlichen Transaktionen beim Vorstandschef liegt."

Braun führte das Unternehmen seit 2002 und war die dominante Figur. Er war schon 2019 unter massiven Druck durch Anleger geraten, die dem studierten Wirtschaftsinformatiker mangelnde Information und schlechtes Krisenmanagement vorwarfen. Freis hingegen ist unbelastet von der Vergangenheit, der US-Anwalt und Analyst ist Spezialist für Wirtschaftsverbrechen: Freis war von 2007 bis 2012 Chef der Einheit zur Bekämpfung der Finanzkriminalität im US-Finanzministerium, wie er auf seiner LinkedIn-Seite schreibt.

Betrugsfall mit großem Ausmaß

Am Vorabend hatte der Wirecard-Aufsichtsrat bereits den für das Tagesgeschäft zuständigen Vorstand Jan Marsalek vorerst suspendiert und dafür Freis berufen. Dieser sollte eigentlich in der Wirecard-Spitze für die "Compliance" zuständig sein, also die Rechtstreue - nun muss er sich quasi von einer Minute auf die andere in die Führung des von einer existenzbedrohenden Krise erschütterten Konzerns einarbeiten.

Vor Brauns Sturz verdichteten sich die Indizien für einen Betrugsfall großen Ausmaßes. Die philippinische Bank BDO Unibank, bei der angeblich eines von zwei suspekten Treuhandkonten für Wirecard geführt wurde, erklärte am Freitag, dass das deutsche Unternehmen kein Kunde sei: "Das Dokument, in dem die Existenz eines Wirecard-Kontos bei BDO behauptet wird, ist ein manipuliertes Dokument, das gefälschte Unterschriften von Bankangestellten trägt", hieß es in der Stellungnahme des in der Stadt Makati ansässigen südostasiatischen Geldhauses. "Der Fall ist an die Zentralbank der Philippinen berichtet worden." Zuvor hatte die US-Nachrichtenagentur Bloomberg über die Stellungnahme berichtet.

Im Mittelpunkt des Bilanzskandals stehen zwei asiatische Banken und ein Treuhänder, der seit Ende vergangenen Jahres für Wirecard die Konten verwaltet. Auf den Konten waren angeblich 1,9 Milliarden Euro verbucht. Die für Wirecard tätigen Bilanzprüfer bezweifeln jedoch mittlerweile, dass diese 1,9 Milliarden Euro tatsächlich existieren.

Seit über einem Jahr in Bedrängnis

Wirecard wickelt bargeldlose Zahlungen für Händler ab, sowohl an Ladenkassen als auch online. Das Unternehmen ist seit über einem Jahr in Bedrängnis, seit die Londoner "Financial Times" dem Management in einer Serie von Artikeln Bilanzmanipulationen vorwarf.

Deswegen hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY (Ernst & Young) auch den Jahresabschluss nicht testiert. EY vermutet Täuschungsabsicht.

"Es kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass die Wirecard AG in einem Betrugsfall erheblichen Ausmaßes zum Geschädigten geworden ist", sagte Braun in der Nacht zum Freitag wenige Stunden vor seinem Aus. Unabhängig davon haben die Finanzaufsicht Bafin und die Münchner Staatsanwaltschaft angekündigt, den Fall unter die Lupe nehmen zu wollen.

Treuhänder und Treuhandkonten waren schon Gegenstand einer Sonderuntersuchung durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG gewesen, die Braun im vergangenen Jahr in Auftrag gegeben hatte.

Asiatische Kanzlei empfohlen

Wirecard erwirtschaftet einen beträchtlichen Teil seiner Umsätze über Drittfirmen, die im Auftrag des deutschen Unternehmens bargeldlose Zahlungen abwickeln und dafür Provision erhalten. In diesem Zusammenhang hatte Wirecard einen Treuhänder beauftragt, der im Auftrag des deutschen Unternehmens Konten eröffnete, über die die Geschäfte liefen.

KPMG hatte im April bemängelt, dass es "nicht hinreichend nachgewiesene Einzahlungen auf Treuhandkonten" von rund einer Milliarde Euro gebe. Der ursprüngliche Treuhänder beendete laut KPMG-Bericht im vergangenen Jahr die Geschäftsbeziehung, und empfahl als neuen Treuhänder eine asiatische Anwaltskanzlei. Diese eröffnete demnach dann auch neue Konten bei zwei Banken.

mehr aus Wirtschaft

Weniger Minuten, mehr Daten: So telefonieren und surfen die Österreicher

KV-Verhandlungen Speditionen: Gewerkschaftsmitglieder lehnten Angebot ab

Das Auto bleibt eine heilige Kuh

Einigung beim AUA-KV: Gehaltssteigerung und "Friedenspflicht"

Interessieren Sie sich für dieses Thema?

Mit einem Klick auf das “Merken”-Symbol fügen Sie ein Thema zu Ihrer Merkliste hinzu. Klicken Sie auf den Begriff, um alle Artikel zu einem Thema zu sehen.

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

9  Kommentare
9  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
azways (5.835 Kommentare)
am 20.06.2020 00:13

Ein Europäer (Österreicher) wird durch einen US-Amerikaner ersetzt....

Ein Schelm, der hinter dem Skandal Absicht vermutet.

lädt ...
melden
antworten
nichtschweiger (5.827 Kommentare)
am 20.06.2020 08:49

Nein, nur ein Dummkopf vermutet hinter solchen alltäglichen Vorgängen eine Absicht oder eine geplante Verschwörung!!!

lädt ...
melden
antworten
azways (5.835 Kommentare)
am 20.06.2020 11:10

Matthaeus 5:3
Selig sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr.

lädt ...
melden
antworten
FakeNewsLeser (2.157 Kommentare)
am 19.06.2020 17:49

Je größer und undurchsichtiger der Betrug desto leichter kommen Firmen in der Finanzbranche damit durch.
War immer so, wird immer so bleiben.

lädt ...
melden
antworten
betterthantherest (34.021 Kommentare)
am 19.06.2020 17:21

Der Wirecard Skandal zeigt: Am Finanzplatz Frankfurt notieren im deutschen Leitindex Firmen mit hochgradig bedenklichen Geschäftsmodellen.

Jahrelang können sie unbehelligt ihren "Geschäften" nachgehen - ohne wirksame Kontrolle.

Unglaublich was da abgeht.

lädt ...
melden
antworten
( Kommentare)
am 20.06.2020 00:30

Ihre Pauschalisierung wundert mich jetzt.Nennen Sie mir doch einen DAX-Konzern der nach Ihrer Meinung ein "hochgradig bedenkliches Geschäftsmodell" betreibt.
ADIDAS,BMW,ALLIANZ,DAIMLER oder welche Firma meinen Sie konkret ?
Wirecard ist der einzige Zahlungsdienstleister im DAX 30 Segment und 2018 aus dem TEC-Dax in den Dax aufgestiegen.
Und dass Wirecard schon lange in der Kritik steht ist ja auch nix neues.
Wenn sie aber jährlich ein unterschriebenes Testat eines Wirtschaftsprüfers publizieren gibt es für die Finanzaufsicht oder StA.keinen Grund einzugreifen.
Wer wie und wann im Fall Wirecard betrogen hat kann erst nach einer intensiven Prüfung der Vorgänge festgestellt werden.Dann ist es aber zu spät.

lädt ...
melden
antworten
betterthantherest (34.021 Kommentare)
am 20.06.2020 13:15

Joerger, Sie sagen selbst, dass dieses Unternehmen bereits längere Zeit in der Kritik steht. Der Geruch der Unregelmäßigkeiten haftet schon lange an diesem Unternehmen.

Der Nachweis von annähernd 2 Mrd. Euro gelingt seit geraumer Zeit nicht. Da bedeutet für mich, dass BaFin und Co völlig versagt haben.

Trotzdem notiert das immer noch im DAX.

Wer sagt bei dieser Performance der BaFin und der anderen Kontrollgremien sowie bei den aktuellen Kriterien für die Aufnahme in den Dax dass dieses Unternehmen das einzige mit Leichen im Keller ist?

Dieser Fall beschädigt das Vertrauen in den Finanzplatz Frankfurt nachhaltig.

lädt ...
melden
antworten
( Kommentare)
am 20.06.2020 14:27

BETTERTHANTHEREST ich gebe Ihnen vollkommen recht.
Der Finanzplatz Frankfurt ist zumindest teilweise beschädigt.Was ich aber ausdrücken wollte: Es gibt nicht nur dubiose Firmen in diesem Segment.
Der Fall Wirecard ist zwar einmalig in der DAX Historie.Die Firma stand ja auch schon vor dem DAX-Aufstieg in der Kritik.Aber Herrn Braun und seinen Vorstandskollegen ist es immer wieder gelungen mit seinen Dementis den Kapitalmarkt zu beruhigen.Die Frage ist: hat er alles gewußt und geduldet oder den Überblick verloren ?
Dass die deutsche Bafin und die Staatsanwaltschaft München so lange "geschlafen" haben ist unbestritten.Aber wie ich schon geschrieben habe.Wenn jährlich ein positives Testat eines Wirtschaftsprüfers vorgelegt wird gibt es keinen Grund zu ermitteln.
Ist leider so.
In diesem Zusammenhang wäre natürlich die Haftung bzw.die Rolle des WP`s zu hinterfragen.Hier sind auch schon Haftungs-Klagen gegen Ernst &Young in Vorbereitung.

lädt ...
melden
antworten
Elmec444 (503 Kommentare)
am 19.06.2020 17:13

Es ist fürchterlich, dass diese Finanzfirma systematisch betrügen konnte ohne aufgehalten worden zu sein. Nun haben die Finanzaufsicht Bafin und die Münchner Staatsanwaltschaft angekündigt, den Fall unter die Lupe nehmen zu wollen. Das ist natürlich viel zu spät. Bei Beratungsunternehmen (z.B. Finanzdienstleister) wird akribisch auf viele Details geschaut (z.B. feuerfester Schrank usw.) obwohl dieser Zweig kein Geld von Kunden annimmt und daher auch keinen Betrug begehen kann. Aber Hersteller von Finanzprodukten (z.B. Meinl European Land) die im grossen Stil Anleger abzocken wird freier Lauf gelassen bis es kracht.

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen