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Die Häufung der Bänderrisse ist pervers

Von Toni Innauer, 15. Jänner 2019, 00:04 Uhr
Die Häufung der Bänderrisse ist pervers
Anna Veith: Riss des vorderen Kreuzbandes im rechten Knie Bild: GEPA pictures

Toni Innauer kritisiert in seiner Kolumne für die OÖN die halbherzige Reaktion der Ski-Verbände auf die aktuelle Verletzungsserie.

Vor neun Jahren habe ich in "am Puls des Erfolgs" meine Empörung über die endlosen Verletzungsserien im alpinen Skirennlauf zu Papier gebracht. Es herrschte gespenstisches Einvernehmen darüber, dass es sich bei den Verletzungen um eine unabänderliche, von den handelnden Personen nicht beeinflussbare Schicksalshaftigkeit handle. Zusätzliche Beklemmung verursachte das Beobachten des "Kollateralnutzens" der Stürze zur Betonung und Vermarktung von Skirennen als hochriskante, "wahre Abenteuer" der Menschheit.

Meine Analyse hat mich bei manchen vorübergehend zum Feindbild gemacht. Heute und mit Blick auf die aktuelle Schreckensbilanz im ÖSV-Damenlager weiß ich, dass ich mir den Gegenwind damals genauso gut hätte sparen können. Es hat sich nämlich nichts Substanzielles geändert in neun langen Jahren, und das ist ein erschütternder Befund. Dieses Gefühl mischt sich mit dem bitteren Gefühl der Ohnmacht, nicht einmal jene Athletinnen, die wir als Agentur neben der Piste begleiten, vor dem allgegenwärtigen Risiko behüten zu können.

Der Schutz der Sportlerinnen und Sportler und eine deutlich wahrnehmbare Entspannung der krankhaften Situation ist längst überfällig. Es darf nicht wahr sein, dass sich eine aufgeklärte Gesellschaft an diese perverse Häufung von schweren Sportunfällen gewöhnt hat. Es braucht eine radikale und prinzipielle Veränderung, die eine neue, sicherere Zeitrechnung einläutet.

Video: Binnen 24 Stunden hat das ÖSV-Riesentorlaufteam zwei seiner stärksten Rennläuferinnen verloren. Das ÖSV-Riesenslalomteam ist seit 22 Rennen sieglos.

Beim Material liegt der Ansatz

Der Ansatz dazu kann aber nur aus dem Sport selbst, aus dem Zentrum der Renn-Experten kommen und muss beim Material ansetzen. Die Bemühungen, Muskeln und Bänder an die gestiegenen Belastungen anzupassen, sind, vor allem bei den Damen, gescheitert. Das Auslagern von Verantwortung an externe Gremien und Institutionen fühlt sich zwar gut an, funktioniert aber nicht. Diejenigen, die wissen und täglich daran arbeiten, wie die Kanten scharf, der Schwung schnell, Beine und Rücken stark gemacht werden, würden der Sache verlässlich näher rücken, wenn sie die Zeit und den klaren Auftrag dafür hätten. Diese Profis ahnen garantiert, wo nach radikalen Änderungen und damit auch (Er-)Lösungen zu suchen wäre. Viele wissen noch, wie das Material beschaffen war, als Kreuzbandrisse noch nicht selbstverständlich zur Rennsport-Biografie gehörten.

"Disruptive Innovation"

Wissenschafter könnten die Ideen theoretisch absichern, die Bosse, Manager und Lobbyisten müssten dann nur noch Allianzen für die sportpolitische Umsetzung schmieden. Und da liegt der Hase im Pfeffer: Eine bahnbrechende beziehungsweise "disruptive Innovation" kann nur in einem Milieu gegenseitigen Vertrauens und durch geänderte Anreize entstehen. Nationales und nationalistisches Vorteilsdenken verschleiert die übergreifende Problematik und weist die Verantwortung, so wie beim Klimawandel oder der Migrationsbewegung, "den anderen", der EU oder im sportlichen Fall der FIS zu. Mit diesem Modell lassen sich in der Politik Wahlen und im Schnee weiterhin Rennen gewinnen, aber die Probleme existieren weiter. Sie können nur in gemeinsamer Anstrengung und Verantwortung angepackt werden.

Klassische konkurrenzorientierte Arbeitsbedingungen fördern das Gegenteil von "großen Würfen". Christoph Keese verweist in seinem Bestseller "Silicon Valley" auf die Innovationsfähigkeit und die Kreativkultur ebendort: "Innovation entsteht durch den freien, ungehemmten Austausch von Menschen auf kleinstem Raum... Menschen werden kreativ, wenn sie beruflich so arbeiten dürfen, wie sie privat leben: eng verwoben, in freundschaftlichem Abstand, im ständigen Dialog, im freien Spiel der Ideen..."

Die Erfolgreichsten haben Schiss

Die Verletzungsproblematik betrifft alle und ist so belastend, dass ÖSV, SwissSki, DSV usw. gemeinsam nach Lösungen forschen und die Ergebnisse dann an die FIS herantragen sollten. Weil aber jeder, und vor allem die Erfolgreichsten, ihre Geheimnisse und Vorteilchen wahren möchten und Schiss vor einer Verschiebung der Rangordnung haben, passiert nur Halbherziges. Man möchte schließlich nicht die Konkurrenz stark machen.

Wie wäre es, den Spieß umzudrehen, zum Beispiel mit einem hoch dotierten Wettbewerb der FIS oder vorausdenkender Sportminister für den besten Lösungsvorschlag einer internationalen Expertengruppe? Das Geld wäre bestens in das Vertrauen der Eltern und in den Nachwuchs investiert.

 

Toni Innauer (60) ist Skisprung-Olympiasieger, Erfolgstrainer, Sport-Manager, freier Autor, Unternehmer (Agentur Innauer+(f)acts in Innsbruck und Dornbirn) und Referent.

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14  Kommentare
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Juni2013 (9.850 Kommentare)
am 15.01.2019 10:40

Es wurde schon angesprochen. Man erfährt nichts darüber, wieviele Jugendliche aus Skihauptschulen-und Gymnasien wegen schwerer Verletzungen ausscheiden. Eine Untersuchung darüber bzw. die Veröffentlichung bereits vorhandener Zahlen würde sicher viele Leute interessieren.
Es ist zu begrüßen, dass in Tirol (Olympiazentrum Campus Sport Innsbruck mit Skimittelschule Neustift) ein Forschungsprojekt zur Prävention von Verletzungen im Nachwuchsskirennlauf gestartet wurde (www.skimittelschule-neustift.at/2018/06/25/kampf-dem-verletzungsteufel-kronenzeitung-25-06-2018/). Ich hoffe, dass bei diesem Forschungprojekt die Auswirkungen der derzeit verwendeten Skiausrüstung auf Anzahl, Art und Schwere der Verletzungen Eingang in die Studie finden.(Die Fliehkräfte, die auf den Skifahrer einwirken, nehmen im Quadrat zur Geschwindigkeit zu.)
Unter den derzeit gegebenen Umständen können meines Erachtens Eltern den Wunsch eines Kindes, Skirennläuferin oder Skirennläufer zu werden, nicht unterstützen.

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BamBam1987 (4.118 Kommentare)
am 15.01.2019 09:55

Trainingsmethoden überdenken...

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snooker (4.427 Kommentare)
am 15.01.2019 09:48

Innauer ist schon ein Philosoph geworden. Er beschäftigt sich mit der "Gesellschaft".
Gerade in einem Satz erwähnt er das Material, ohne genauer darauf einzugehen.
Was bewirkt der Schi?, was der Schuh?, was die Bindungsplatte?
Diese Komponenten müssen aber irgendeine Auswirkung auf die vielen Verletzungen haben! Oder?

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mynachrichten1 (15.440 Kommentare)
am 15.01.2019 08:57

ähnlich wie der Airbag doch ein bisserl mehr Sicherheit gebracht,

wird man vielleicht demnächst dann doch Bandagen oder ähnliches für die Knie erfinden,
damit man das Knie ein bisserl vor zu hohen Kräften schützt.

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robert2011 (684 Kommentare)
am 15.01.2019 07:35

Ich kann Innauers Aufregung schon verstehen. Ich sehe den Ansatz nur bedingt im Material - eben: warum müssen es Carving-Ski sein, es hat schon öfter weniger gute Erfindungen gegeben. Derart viele Knieverletzungen im Rennsport wie auch im Freizeitsport (auch mir fehlt 1 Kreuzband seit 2004) zeigen, dass diese Technik vielleicht gut und modern aussieht, aber schlichtweg einfach der falsche Weg ist.

Im österreichischen Rennsport ist es aber auch der interne Konkurrenzdruck, es werden Ausscheidungen gefahren, Trainings laufen auf Rennniveau ab, weil niemand die Eier hat, eine Entscheidung zu treffen. Auch im Fußball gibt es genügend "Stars", die nicht zur WM mitgenommen werden (siehe unser Nachbar Deutschland), da brauche ich nicht 1000 Leistungstests. Es sind dringend die Trainingsmethoden und die Trainer in Österreich zu hinterfragen. Zeit wird es, dass bei uns wieder erfahrenere Leute auch an der Basis arbeiten. Hartes Training in der Saison ist absurd und erhöht massiv Verletzungen

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c.sainz (1.259 Kommentare)
am 15.01.2019 07:54

Ich denke das Material ist nur zum Teil schuld (die Taillierungen im Weltcup wurden ja bereits vor Jahren verändert), das viel größere Thema sind sicher die internen Qualifikationen und das übertriebene Training. Das sieht man wohl auch daran, dass die weitaus meisten Verletzungen mittlerweile im Training passieren. Hier sind eindeutig die Trainer gefragt dem ganzen einen Riegel vorzuschieben.

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max1 (11.582 Kommentare)
am 15.01.2019 09:37

Wenn die Technik eine extreme Überanstrengung herausfordert sind nicht die Trainer gefragt sondern Mediziner.

Doch die Geilheit der Zuseher spricht für diese Form des Gladiatorentums.

Sehen Sie genau hin und erfragen Sie wie viele echte Krüppel, ja ich verwende bewußt dieses Wort, aus den Schihauptschulen und Schigymnasien kommt! Darüber wird eisig geschwiegen und keine Medien trauen sich über dieses Thema drüber.

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spoe (13.503 Kommentare)
am 15.01.2019 08:38

Stimmt, die Carving Schi haben auch bei den Amateuren viele neue einschlägige Verletzungen gebracht.

Im Profisport haben sie zu aggressiveren Kurven und deutlich schnelleren und härteren Kurse geführt, die Verletzungsgefahr ist entsprechend hoch.

Es müsste wie bei der F1 auch eine starke Fahrergewerkschaft geben, aber die Verbände und die Industrie dominieren mit ihrer Macht.

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Harbachoed-Karl (17.883 Kommentare)
am 15.01.2019 09:24

Ich habe ein paar Jahre nicht so genau hingeschaut, kürzlich dachte ich nun: das sind ja Snowboards? Ist nur eine Beobachtung aus der Ferne, vielleicht vollkommen irrelevant.

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adaschauher (12.083 Kommentare)
am 15.01.2019 06:39

Was Herr Innauer erzählt ist schlicht und einfach falsch Zu was braucht man eigentlich eine Expertengruppe, die festellt, dass die Beschaffenheit der Pisten, die Beschaffenheit des Materials, die Art zu fahren, die Anzahl der Rennen und der Körper der sogenannten Athleten nicht zusammenpassen? Brauche ich Experten für die Aussage, welches Geschäft hinter diesem Zirkus Steckt? Warum beenden Athleten nach so schweren Verletzungen nicht ihre Karriere? Weil man so nicht ab tritt, sondern beweisen muss, welch toller Mensch man ist, wenn man das Comeback schafft und sich mit einer Re Bull Dose ins Fernsehen stellen darf und mit tränenerstickter Stimme mitteilen darf, wie toll man ist, weil man den Weg zurück geschafft hat Ja es ist ein Weg zurück, aber wirklich zurück, denn ein Kreuzbandersatz ist ein Ersatz und der Einzige der davon profitiert, ist die Klinik in Hochrum bei Innsbruck

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reibungslos (14.490 Kommentare)
am 15.01.2019 07:43

Der ganze Spitzensport ist pervers und zielt einzig darauf, die Gesundheit von Menschen einem höchst gewinnträchtigen Spektakel zu opfern. Wie die antiken Gladiatorenkämpfe, nur mit geringerer Todesrate.

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Harbachoed-Karl (17.883 Kommentare)
am 15.01.2019 09:25

Die sterben viele kleine Tode.

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Rufi (4.739 Kommentare)
am 15.01.2019 10:19

Die sterben viele kleine Tode.

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loewenfan (5.471 Kommentare)
am 15.01.2019 06:24

auch auf einen Innauer wird niemand hören. Schneller, Höher, Spektakulärer und immer Gefährlicher.
The Show must go on.
Der Körper ist nun mal schwächer als das Material, da brauchts keine Expertenkommission das wissen sogar wir Außenstehenden Fernsehzuschauer seit Jahrzehnten.
"Ein" Schritt zurück würde ohnehin zu wenig sein

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