Thomas Reifeltshammer: „Manchmal hatte es schon etwas von Stammtisch“

RIED. SV Rieds Ex-Sportdirektor Thomas Reifeltshammer über das turbulente Innenleben beim Bundesliga-Absteiger.
Mit 284 Liga-Spielen ist Thomas Reifeltshammer ein Aushängeschild von Fußball-Zweitligist SV Guntamatic Ried. Im OÖN-Interview spricht der 34-Jährige über Transfer-Interventionen, Präsidiumssitzungen und Machtspiele.
Warum haben Sie sich zu diesem Interview entschlossen, in dem Sie auch Details preisgeben, die normalerweise selten öffentlich angesprochen werden?
Ich bin seit meinem sechsten Lebensjahr bei der SV Ried. Mir geht es um den Verein. Ich bin nicht deshalb zur SVR gekommen, weil sie irgendwann als Profiklub in der Auslage gestanden ist, sondern weil es für mich seit den Miniknaben keinen anderen Klub im Leben gegeben hat. Ich glaube einfach, dass es meine Pflicht ist, um Veränderungen zum Positiven herbeizuführen.
Beginnen wir bei Ihnen: Welche Fehler haben Sie gemacht?
Ich habe genug Fehler gemacht. Ich hätte definitiv mehr Härte zeigen müssen, um jene Kompetenzen zu erhalten, die ein Sportdirektor braucht, um professionell arbeiten zu können. Ich habe zu lange zugeschaut. Vielleicht hätte ich auch die Konsequenzen ziehen müssen, nachdem das nicht geklappt hat. Ich habe das Gefühl, dass das Präsidium selbst das sportliche Heft nicht aus der Hand geben wollte. Bei den Transfers habe nicht ICH , sondern haben WIR Fehler gemacht. Denn ich habe keinen einzigen Transfer selbst entschieden. Da versuchen momentan acht Personen, sich an der neunten Person abzuputzen.
Was meinen Sie mit den acht Personen - nehmen Sie uns in die Welt der Rieder Transfers mit?
Ich hatte acht Personen, die in der Klubhierarchie über mir waren. Die sechs Präsidiumsmitglieder, den Geschäftsführer Wirtschaft Rainer Wöllinger, und den Vorstand Sport Wolfgang Fiala. Ich habe, wie gesagt, keinen einzigen Transfer selbst entschieden, ich habe ja nicht einmal einen Vertrag unterschreiben dürfen. Und es hat keinen Transfer gegeben, der nicht mit Wolfgang Fiala, der als Vorstand Sport ja auch mein Vorgesetzter war, besprochen und gemeinsam beschlossen wurde.
Präsident Roland Daxl hat kürzlich in einem Sky-Interview erwähnt, dass Sie und Wolfgang Fiala mehr Kompetenzen als einst Stefan Reiter hätten?
Das stimmt sicher nicht. Stefan Reiter hat das Präsidium über bereits getätigte Spielertransfers informiert. Wir - also Wolfgang Fiala und ich - haben die Transfers mit dem Präsidium diskutiert. Ab einer gewissen finanziellen Grenze haben wir bei einem Transfer einen Präsidiumsbeschluss benötigt. Das war etwa bei einem Drittel der Kaderspieler so. Ich hatte natürlich im Gegensatz zu Stefan Reiter auch kein Budget, über das ich verfügen konnte.

Wie funktioniert zum Beispiel ein „Königstransfer“ wie jener von Christoph Monschein?
Der Vorschlag kam in diesem Fall von Wolfgang Fiala, der zum Berater des Spielers Kontakt gehabt hat . Die Vorgabe war, dass wir einen Tempospieler brauchen, der bereits bewiesen hat, dass er Bundesliga-Tore macht. Der Transfer wurde im Präsidium diskutiert, und einstimmig beschlossen.
Wie kann man sich solche Diskussionen generell vorstellen?
Es hat bei Teilen des Vorstands schon oft auch ein bisschen etwas von Stammtisch gehabt. Die üblichen Fragen, ob uns ein Spieler wirklich hilft, wenn er bei seinem aktuellen Klub kaum gespielt hat. Bedenken, weil man gehört habe, dass der Charakter des Spielers nicht passe. Das sind Dinge, die sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und Kraft kosten. Im Fußball reden wir von kurzen Wegen, von Handlungsfähigkeit und oft kurzfristig zu treffenden Entscheidungen. Je mehr Personen da mitreden, umso schwieriger wird es. Und man sieht es, dass Vereine mit kurzen Wegen erfolgreich sind.
Sie wissen, dass in der Szene über den gescheiterten Ried-Transfer von Thomas Sabitzer geschmunzelt wird?
Ich kann Ihnen nur die Fakten erzählen. Thomas Sabitzer war ein absoluter Wunschspieler. Ich habe mit seinem Berater vereinbart, dass wir zuerst mit dem Spieler eine Einigung erzielen. Es wurde vereinbart, dass Sabitzers Berater die Gespräche mit seinem damaligen Verein, dem LASK, übernimmt. Und zwar erst dann, wenn es mit dem Spieler eine grundsätzliche Einigung geben würde. Das wurde in der Präsidiumssitzung so vorgetragen. Dann hat aber ein Präsidiumsmitglied das Handy geschnappt, und den, wie er sagte „Siegi“ - also den LASK-Präsidenten Siegmund Gruber, angerufen, weil man sich ja so gut kennt, und man das auf Präsidiums-Ebene regeln solle. Er hat gemeint, der LASK solle uns den Spieler doch billig geben, weil man ihn dort eh nicht mehr braucht. Danach war der Berater sauer, weil die vereinbarte Vorgehensweise nicht eingehalten wurde, der Transfer kam nicht zustande. Ich sage nicht, dass der Transfer ansonsten sicher über die Bühne gegangen wäre, aber wenn ich schon dafür verantwortlich sein soll, dann möchte ich es auch so machen, wie ich es für richtig halte.
In der Szene wird gemunkelt, dass die Antwort gelautet haben soll: „Ihr habt in Ried heuer 800.000 Euro Gewinn gemacht - und jetzt wollt ihr einen Top-Stürmer gratis haben…“
Diesen Satz mit den 800.000 Euro habe ich in jedem zweiten Gespräch mit Spielerberatern gehört. Das ist eben so, wenn man als SV Ried in einer Pressekonferenz solche Dinge ausbreitet. Das hat meine Arbeit nicht erleichtert. Wobei mich auch diese Schwarz-Weiß-Malerei ärgert, dass im sportlichen Bereich alles schlecht und der Wirtschaft alles so gut war. Wir haben in der vergangenen Saison mit den Verkäufen von Ante Bajic, Lukas Gütlbauer und Constantin Reiner sowie den beiden Cup-Heimspielen und der Antrittsprämie im Finale rund 600.000 Euro eingenommen. Das ist das Ergebnis aus sportlichen Erfolgen.

Wie war eigentlich das Klima untereinander? Da wird es bei neun Entscheidungsträgern ja auch Reibungspunkte geben?
Im Nachhinein habe ich das Gefühl, dass es innerhalb des Präsidiums oft unterschiedliche Wissensstände gegeben hat. So entstanden wahrscheinlich viele Spannungen, und das führte dann auch zu Machtspielen.
Könnte der Eindruck stimmen, dass bei der SV Ried von oben abwärts die Kompetenzen ganz bewusst so schwammig verteilt wurden?
Ja, das würde ich schon so sehen. Es war ja auch meine Position nach dem Ende meiner Spielerkarriere nicht wirklich klar definiert. Jeder wollte mitreden, aber wenn es nicht läuft, ist der Sportdirektor schuld.
Was halten Sie von der Neuausrichtung der SV Ried?
Das muss ich korrigieren. Kann es eine Neuausrichtung geben, bei der acht von neun handelnden Personen die gleichen wie davor sind? Ich habe vom Fünf-Stufen-Plan gelesen, von der Durchgängigkeit im Spielsystem von den Akademien bis in die Kampfmannschaft. Da muss ich fragen - das ist die Kernaufgabe des Vorstand Sport, der seit zwei Jahren im Amt ist. Warum hat er damit nicht schon vor zwei Jahren begonnen? Und wie kann es sein, dass von den letzten fünf Trainern der SV Ried fast jeder ein komplett anderes Spielsystem spielt?
Apropos, wie wurden denn die Trainer in Ried bestimmt?
Letztendlich nach dem Ausschlussverfahren. Es gibt nicht so viele gute, trotzdem leistbare und vor allem verfügbare österreichische Trainer. Die Liste wurde im Präsidium besprochen, und am Ende immer einstimmig abgesegnet.

Schwingt nach der Art und Weise des Abschieds auch persönlicher Ärger mit?
Ja schon, weil versucht wird, mir die alleinige Schuld umzuhängen. Es tut mir leid, aber wo waren die Erfolge der SV Ried in den vergangenen sieben Jahren? Wir waren 2020 Meister in der zweiten Liga, mit einer qualitativ hochwertigen Mannschaft. Das war es. Es hat die gleichen Probleme vor meiner Zeit gegeben, und ich fürchte, es wird auch nach mir so sein. Das ist schade für den Verein.
Wie verlief die Trennung am Schluss?
Ich habe schon im April meinen Rücktritt angeboten, das wurde aber vom Präsidium abgelehnt. Ich habe den Hinweis mitgegeben, dass wir ein Strukturproblem mit den langen Wegen haben. Das ist nicht sehr gut angekommen. Ich war da mit Wolfgang Fiala einer Meinung, er hat auch gesagt, dass er nicht mehr weitermacht, so lange das so weitergeht. Darum war ich über die letzte Entwicklung dann doch überrascht.
Hängt es vielleicht damit zusammen, dass es mit Trainer Maximilian Senft, der ja von Fiala zur SV Ried geholt wurde, eine Achse gibt?
Das kann sein. Und ich halte Maximilan Senft für einen sehr guten Trainer.
Kann es sein, dass der Rücktritt deshalb abgelehnt wurde, um am Ende der Meisterschaft im Falle des Abstiegs ein Opfer präsentieren zu können?
Das ist leicht möglich. In jedem Fall wurde ich vor dem vorletzten Liga-Spiel in Hartberg erst zur Vorstandssitzung ein- und dann wieder ausgeladen. Ich wurde auch nicht mehr über die Inhalte der Sitzung informiert, obwohl ich noch im Amt war. Da habe ich gewusst, was es geschlagen hat. Außerdem hat sich danach auch noch jemand verplappert. Damit war mir klar, was los ist. Das Gespräch vor meiner Freistellung hat dann fünf Minuten gedauert.
Was wünschen Sie der SV Ried?
Eine flachere Hierarchie, professionelle sportliche Entscheidungsprozesse, und dass es wieder ein echter Klub der Rieder wird, der dort spielt, wo er dank der Fans, Mitarbeitern und Sponsoren, bei denen ich mich bedanken möchte, hingehört: Nämlich in der Bundesliga.

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