Ukraine wirft Russland Phosphorbombeneinsatz auf Schlangeninsel vor
KIEW/MOSKAU. Die Ukraine hat der russischen Armee vorgeworfen, die Schlangeninsel im Schwarzen Meer mit Phosphorbomben angegriffen zu haben.
Moskaus Truppen hätten am Freitagabend "zweimal einen Luftangriff mit Phosphorbomben ausgeführt", schrieb der ukrainische Armeechef Walerij Saluschny auf Telegram. Erst am Donnerstag hatte die russische Armee ihren Rückzug von der ukrainischen Insel erklärt, die sie zuvor vier Monate lang besetzt gehalten hatte. Die russischen Angriffe seien gegen 18.00 Uhr Ortszeit erfolgt, schrieb Saluschny. Die Phosphorbomben seien von SU-30-Fliegern der russischen Armee abgeworfen worden.
Video: ORF-Korrespondent Christian Werschütz berichtet über die aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg.
Strategisch wichtiger Posten
Die Schlangeninsel gilt als ein strategisch wichtiger Posten zur Überwachung der Seewege im nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres. Russland hatte versucht, auf der Insel Raketen- und Luftabwehrsysteme zu installieren - am Donnerstag aber zog sie sich dann von der Insel zurück. Die russische Armee sprach von einer "Geste guten Willens", die Ukraine dagegen von einem wichtigen militärischen Sieg ihrer Truppen.
Phosphorwaffen sind völkerrechtlich nicht explizit verboten; allerdings ist ihr Einsatz laut einer Waffenkonvention von 1980 gegen Zivilisten und in städtischen Gebieten geächtet. Sie können schwerste Verbrennungen sowie Vergiftungen verursachen.
Symbol des ukrainisches Widerstands
Die Schlangeninsel gilt seit Beginn des russischen Angriffskriegs als Symbol des ukrainischen Widerstands. Die Besatzung des später gesunkenen russischen Kriegsschiffes "Moskwa" hatte die auf der Insel stationierten ukrainischen Grenzschützer am ersten Tag der Invasion aufgefordert, sich zu ergeben.
"F...k dich, russisches Kriegsschiff!", antwortete darauf ein Grenzschützer über Funk. Kurze Zeit später nahm die russische Armee die Insel ein. Die ukrainischen Soldaten wurden gefangen genommen und kamen später im Zuge eines Gefangenenaustausches frei.
Gezielter Beschuss von Wohnhaus?
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat einen russischen Raketentreffer eines Wohnhauses im südukrainischen Gebiet Odessa als nicht versehentlich bezeichnet. "Das ist ein gezielter Raketenschlag Russlands, Terror Russlands gegen unsere Städte und Dörfer, gegen unsere Menschen, Erwachsene und Kinder", sagte Selenskyj laut Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine am Freitag nach einem Treffen mit dem norwegischen Regierungschef Jonas Gahr Støre in Kiew.
Die eingesetzte Rakete sei eigentlich für die Bekämpfung von Flugzeugträgern und anderen Kriegsschiffen konzipiert worden. In der Nacht auf Freitag hatten drei russische Raketen knapp 40 Kilometer südwestlich der Hafenstadt Odessa ein Wohnhaus und ein Erholungsheim getroffen. Dem Zivilschutz zufolge wurden dabei mindestens 21 Menschen getötet und 39 verletzt.
3.000 Raketen seit Kriegsbeginn
Seit Kriegsbeginn habe Russland etwa 3.000 Raketen auf die Ukraine abgeschossen, sagte Selenskyj. "Eine solche Grausamkeit unterstreicht nur, wie richtig die Entscheidungen unserer Partner für die Unterstützung der Ukraine sind." Kein Staat sollte alleingelassen werden, "wenn es ein solches Übel gibt", sagte der Präsident.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba warf Russland einen Krieg gegen Zivilisten vor. "Ich fordere unsere Partner dringend auf, der Ukraine so schnell wie möglich moderne Raketenabwehrsysteme zur Verfügung zu stellen. Helft uns, Leben zu retten und diesem Krieg ein Ende zu setzen", teilte er per Twitter mit.