Spanier sprechen sich gegen Neuwahlen aus
MADRID. Am 23. September läuft in Spanien die Frist für die Bildung einer neuen Regierung aus.
Sollte der sozialistische Wahlsieger und geschäftsführender Ministerpräsident Pedro Sanchez bis dahin keine parlamentarische Mehrheit für seine Wiederwahl hinter sich bringen, muss Staatsoberhaupt König Felipe VI. für den 10. November vorgezogene Neuwahlen ansetzen.
Es wären in Spanien die vierten Parlamentswahlen in nur vier Jahren. Und die Spanier haben keine Lust mehr. Laut einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage der spanischen Tageszeitung El Mundo sind 63,1 Prozent gegen erneute Wahlen. Zumal ein erneuter Urnengang kaum zu neuen Gewichtsverhältnissen im Parlament führen würde. So sprachen sich auch 54,9 Prozent der Befragten für eine Regierungskoalition zwischen Sanchez Sozialisten (PSOE) und der linken Parteienallianz Unidas Podemos (UP) aus.
Besonders hoch ist dieser Wunsch unter den sozialistischen Wählern (71%) und den UP-Anhängern (95%). Aber sogar konservative PP-Wähler (23%) und Anhänger der konservativ-liberalen Ciudadanos (30%) würden eine Links-Koalition Neuwahlen vorziehen.
Koalitionsgespräche praktisch gescheitert
Ob der Wunsch der Spanier aufgeht, ist allerdings mehr als zweifelhaft. Die Koalitionsgespräche zwischen Sozialisten und Linken sind praktisch kaputt. Am Dienstag will Pedro Sanchez eine Art letzten Versuch unternehmen, vor allem die Linken mit einem "gemeinsamen progressiven Regierungsprogramm" für ihre Unterstützung bei der Wiederwahl von Sanchez zu gewinnen. Doch UP-Chef Pablo Iglesias fordert für seine Partei gleich mehrere Ministerien und den Posten des stellvertretenen Regierungschefs.
Am Postengezerre scheiterten schon im Juli die Koalitionsgespräche und Unidas Podemos ließ Sanchez bei seinem ersten Versuch zur Wiederwahl durchfallen. Seitdem liegt das Verhältnis zwischen Sanchez und Iglesias vollkommen auf Eis. Er habe kein Vertrauen mehr zu Iglesias, erklärte Sanchez noch vor wenigen Tagen. Dennoch braucht er für seine Wiederwahl neben kleineren Regionalparteien vor allem die 42 Stimmen der UP-Abgeordneten.
Sanchez übernahm vor einem Jahr
Sanchez war vor einem Jahr mit einem Misstrauensvotum in sein Amt gekommen. Mit Unterstützung der linken UP, den baskischen Nationalisten (PNV) und den katalanischen Separatisten der ERC stürzte Sanchez seinen konservativen Vorgänger Mariano Rajoy nach einem Korruptions- und Finanzskandal in dessen Volkspartei (PP).
Fortan regierte er mit einer Minderheitsregierung. Im Zuge des anhaltenden Unabhängigkeitskonflikts entzogen die katalanischen Separatisten Sanchez im Februar allerdings ihre Unterstützung und ließen den dringend zu verabschiedenden Staatshaushalt 2019 scheitern. Daraufhin rief Sanchez für Mitte April vorgezogene Neuwahlen aus. Seine Sozialisten gewannen diese zwar deutlich vor den Konservativen, verfehlten mit 123 von 350 Sitzen im Madrider Parlament aber deutlich eine ausreichende Mehrheit.