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Van der Bellen fordert indirekt Aufnahme von Moria-Flüchtlingen

Von nachrichten.at/apa, 10. September 2020, 16:01 Uhr
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Ein Feuer legte das Flüchtlingscamp Moria in Schutt und Asche Bild: MANOLIS LAGOUTARIS (APA/AFP/MANOLIS LAGOUTARIS)

WIEN/LESBOS. Bundespräsident Alexander van der Bellen hat indirekt die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem abgebrannten Lager Moria auf Lesbos gefordert. Geflüchtete Menschen in Moria und besonders Kinder ohne Eltern "brauchen jetzt unsere Hilfe".

Österreich habe eine lange Tradition, Menschen in Not zu helfen und die Größe und Menschlichkeit jetzt das Richtige zu tun, schrieb Van der Bellen auf Twitter.

"Unser Europa sollte Kontinent des Friedens & der Menschenrechte sein. Es ist erschütternd, dass in diesem, unserem gemeinsamen Europa, tausende Menschen, gestrandet auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und Folter, jahrelang in menschenunwürdigen Bedingungen hausen müssen. Und jetzt haben sie auch dieses 'Obdach' verloren. Österreich hat eine lange und große Tradition, Menschen in Not zu helfen. Die Österreicherinnen und Österreicher waren immer bereit, jenen unter die Arme zu greifen, die sich selbst nicht mehr helfen konnten. Geflüchtete Menschen in Moria & besonders Kinder ohne Eltern brauchen jetzt unsere Hilfe. Europa & Österreich hat, da bin ich zuversichtlich, die Größe & Menschlichkeit jetzt das Richtige zu tun. Es sind genau jene Momente, die uns zeigen in welchem Europa wir leben", so der Bundespräsident.

"Geschrei nach Verteilung kann nicht die Lösung sein"

Die Debatte um die Aufnahme von Migranten reißt einen tiefen Graben zwischen den Koalitionsparteien ÖVP und Grünen und den politischen Lagern in Österreich. Während ÖVP und FPÖ strikt gegen eine Aufnahme von Menschen aus der griechischen Insel Lesbos auftreten, machen Grüne, SPÖ und Neos Druck in die andere Richtung. 

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat die Haltung der türkis-grünen Bundesregierung am Mittwochabend in der ORF-ZiB 2 unterstrichen. Österreich biete aber "Hilfe vor Ort", sagte er, etwa bei "Bedarf an Zelten und Decken".

"Das Geschrei nach Verteilung kann nicht die Lösung sein", meinte Schallenberg. Die EU dürfe nicht in die "alte Debatte" zurückfallen und über die Verteilung von Flüchtlingen reden. Zumal bei seinen Gesprächen mit griechischen Regierungsvertretern diese auch nicht gefordert worden sie. Er habe zudem aus dem Auslandskatastrophenfonds eine Million Euro an Hilfe angeboten.

Mit der Diskussion um die Aufnahme von Flüchtlingen, unterstütze man nur das Geschäft der Schlepper, argumentierte Schallenberg. "Wenn wir das Lager Moria räumen, ist es gleich wieder gefüllt", meinte er. Sende man Signale aus, dass es eine Hoffnung gebe, nach Europa zu gelangen, würden bald wieder Tausende Flüchtlinge an den Grenzen stehen. Etwa in Spielfeld. "Das würde eine Kettenreaktion auslösen und wir wären nicht mehr Herr der Lage". Die Frage, ob diese Haltung in der Migrationspolitik nicht zynisch sei, wies Schallenberg zurück. "Das ist eine Frage des Hausverstands".

Video: Außenminister Schallenberg über den Brand im Lager Moria

Grüne wollen Druck auf Koalitionspartner aufbauen

Von dem Umstand, dass selbst konservative Politiker in Deutschland oder in Norwegen für die Aufnahme von Teilen der 13.000 Flüchtlinge aus Moria eintreten, zeigte sich Schallenberg wenig beeindruckt. "Das ist eine Minderheitenmeinung." Die EU-Kommission müsse nun ein Gesamtkonzept vorlegen, so der Außenminister. Leider gebe es bisher innerhalb der Europäischen Union "keine einheitliche Politik im Bereich Asyl und Migration". Diesbezüglich gebe es Verbesserungsbedarf, auch in den Bereichen "Handelspolitik und Entwicklungszusammenarbeit".

Die Grünen tun sich in der aktuellen Situation nicht leicht, weil sie zwar für die Aufnahme von Migranten sind, deswegen aber nicht die Koalition gefährden wollen. "Wir sind mit der ÖVP laufend im Gespräch und werden den Druck weiter aufbauen", sagte die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic. 

Knaus zu Moria: "Bestangekündigte Katastrophe"

Migrationsforscher Gerald Knaus hat die Brandkatastrophe im griechischen Flüchtlingslager Moria die "bestangekündigte Katastrophe" in Europa genannt. Es sei "klar" gewesen, dass der "Druck" der Quarantäne "über kurz oder lang zu einen Ausbruch dieser Art führen würde", sagte er am späten Mittwochabend gegenüber der ORF-"ZiB Nacht". Das Interview zum Nachsehen:

Knaus schlug als unmittelbare Notmaßnahme den europäischen Ländern vor, bereits anerkannte Flüchtlinge vom griechischen Festland aufzunehmen, um deren Wohnungen für die Tausenden obdachlos gewordenen Menschen aus Moria freizumachen. Falls Deutschland und einige andere Länder je rund 5.000 Menschen aufnehmen würden, wäre das "ein Signal an Griechenland: Griechenland ist nicht allein". Dann könne Athen "sofort anfangen, Menschen unterzubringen".

Der in Berlin lebende österreichische Migrationsforscher kritisierte die politische Einstellung, wonach "Männer, Frauen und Kinder (in den Flüchtlingslagern, Anm.) auf alle Ewigkeit festgehalten werden müssen", um eine Erhöhung des Flüchtlingszustroms - einen so genannten Pull-Effekt - zu vermeiden. "Das ist, zynisch gesprochen, ein Guantanamo für Flüchtlinge, sie werden da festgehalten auf unbestimmte Zeit", sagte er in Anspielung auf das US-Gefangenenlager auf Kuba. Das von ihm vorgeschlagene Vorgehen werde hingegen zu keinem Pull-Effekt führen, ist sich Knaus sicher.

Bilder zeigen das Ausmaß der Zerstörung

Bildergalerie: Brandkatastrophe in Flüchtlingslager: Das Ausmaß der Zerstörung

Brandkatastrophe in Flüchtlingslager: Das Ausmaß der Zerstörung
(Foto: (AFP)) Bild 1/18
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Scharfe Kritik aus Wien

Die rot-grüne Stadtregierung hat am Donnerstag ihren Appell an den Bund wiederholt, dass dieser Wien ermöglichen solle, 100 Flüchtlingskinder aus Moria aufzunehmen. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bezeichnete es als "beschämend", dass Türkis-Grün hier bisher nichts zustande gebracht habe. Die Wiener Grünen-Chefin Birgit Hebein nahm indes ausschließlich die ÖVP in die Pflicht. Die Pressekonferenz zum Nachschauen:

"Es ist eine Frage der Menschlichkeit, Kinder aufzunehmen. Ich erwarte mir, dass Bundeskanzler Kurz dieser Menschlichkeit nicht im Wege steht", sagte Vizebürgermeisterin Hebein, deren Partei im Bund mit der ÖVP koaliert, am Rande eines Medientermins. Sie sieht einen Zusammenhang zwischen dem strikten Kurs der Volkspartei mit der Wien-Wahl am 11. Oktober: "Dass die türkise Partei hier aus wahltaktischen Gründen agiert und in Richtung FPÖ-Wählern schielt, liegt auf der Hand."

Hebein hofft nun auf internen Druck innerhalb der ÖVP. "Worum ich bitte, ist, dass auch Wählerinnen und Wähler der türkisen Partei sich melden und sagen: Da ist eine Grenze erreicht."

Ludwig bezeichnete die Bereitschaft zur Aufnahme von 100 Kindern in Wien als "Selbstverständlichkeit". Flüchtlingen aus dem inzwischen zerstörten Camp in Moria zu helfen, sei auch in anderen europäischen Ländern möglich - "auch im Bereich des konservativen Lagers", verwies er auf entsprechende Schritte aus Deutschland. Diese Frage habe auch nichts mit dem Thema der allgemeinen Zuwanderung zu tun. "Es ist besonders beschämend, unterschiedliche Themen in diesem Zusammenhang durcheinander zu würfeln, um eine Ausrede zu haben, in einer konkreten Situation nicht zu helfen", unterstrich der Bürgermeister.

SPÖ, Grüne und NEOS haben bereits vor eineinhalb Wochen im Landtag einen Antrag beschlossen, in dem sich Wien bereit erklärt, 100 Flüchtlingskinder aus Moria aufzunehmen. Ludwig bekräftigte heute, dass die Stadt dies nicht tun könne, wenn der Bund nicht die entsprechenden Voraussetzungen schaffe.

Deutschland sollte 2000 Migranten aufnehmen

Deutschlands Entwicklungsminister Gerd Müller hat nach dem Großbrand im griechischen Lager Moria gefordert, in Deutschland 2.000 Migranten von dort aufzunehmen. Deutschland solle mit einem entsprechenden "Zeichen der Humanität" vorangehen, sagte der CSU-Politiker am Mittwochabend in der ARD. "Ich persönlich bin der Meinung, dass wir die Angebote der deutschen Länder annehmen sollten."

Bisher hat die deutsche Bundesregierung aus konservativen Unionsparteien (CDU/CSU) und Sozialdemokraten (SPD) eine solche Position vermieden und lediglich davon gesprochen, dass Deutschland Griechenland helfen werde.

Mehrere deutsche Bundesländer hatten konkrete Zahlen von Migranten genannt, die sie bereit seien, zusätzlich aufzunehmen, und hatten den zuständigen Bund aufgefordert, dem zuzustimmen - allerdings müsste der dann auch einen Großteil der Kosten tragen.

Müller forderte andere EU-Länder auf, sich ebenfalls zur Aufnahme bereitzuerklären. "Acht starke Staaten können dieses Problem jetzt lösen", sagte er. "Ich fordere Frankreich und andere Länder auf: Wir können nicht auf die Letzten warten, es gibt hier keine Einstimmigkeit." Man können die Menschen nicht im Wald kampieren lassen.

Verärgert zeigte sich der Minister über die EU-Kommission. "Es war absehbar, dass es zu einer solchen Katastrophe kommt", sagte er mit Blick auf die Überbelegung des Lagers und die Zustände dort. Aber: "Ich höre kein Signal aus Brüssel." Er erinnerte daran, dass die Lage auf den griechischen Inseln nicht das einzige Problem sei. "Die nächste Katastrophe bahnt sich auf dem Balkan an oder im Libanon, wo wir dramatische Zustände haben", sagte Müller.

Brandkatastrophe in der Nacht auf Mittwoch

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Flüchtlingslager Moria steht in Flammen
(Foto: ELIAS MARCOU (X03929)) Bild 1/41
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Neues Feuer ausgebrochen

Im durch eine Brandkatastrophe großteils zerstörten Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist am Mittwochabend ein neues Feuer ausgebrochen. Die Flammen loderten laut einem AFP-Fotografen in einem Teil des Lagers, das von der vorangegangen Brandkatastrophe nur wenig betroffen war. Erneut kam es zu Chaos: Flüchtlinge rannten aus dem Lager, während ihre Zelte verbrannten.

In der Nacht zum Mittwoch waren in Griechenlands größtem Flüchtlingslager mehrere Feuer nahezu zeitgleich ausgebrochen. Die Einrichtung, in der zu diesem Zeitpunkt rund 12.700 Menschen untergebracht waren, wurde großteils zerstört. Am Mittwochabend waren nach neuen Angaben der Behörden noch immer mindestens 3500 Flüchtlinge obdachlos.

Für die Obdachlosen werde fieberhaft nach Unterkünften gesucht, erklärte Migrationsminister Notis Mitarachi. Für die Bedürftigsten unter ihnen solle noch im Laufe des Abends eine Fähre ankommen, auf der sie vorübergehend unterkommen könnten. Am Donnerstag würden dann zwei Schiffe der griechischen Marine erwartet, die Flüchtlinge beherbergen sollen. Zudem sollten neue Zelte aufgebaut werden.

Zur Ursache der Brandkatastrophe hatte Mitarachi zuvor gesagt: "Die Feuer brachen aus, als die Asylbewerber gegen die verhängte Quarantäne protestierten." Der Minister ließ allerdings offen, ob es sich um bewusste Brandstiftung handelte. Wenige Stunden vor dem Ausbruch der Brände hatte das Migrationsministerium in Athen mitgeteilt, dass 35 Bewohner des Lagers positiv auf das Coronavirus getestet worden seien.

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