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"Wir sind die Letzten, fragt, es ist die letzte Chance!"

Von Michaela Krenn-Aichinger, 30. September 2019, 00:04 Uhr
"Wir sind die Letzten, fragt, es ist die letzte Chance!"
Die 94-Jährige mit den Dachsberg-Schülerinnen Hannah Aigner und Jana Pointinger, im Hintergrund Manuela Reichert, Direktor Pater Ferdinand Karer und Rainer Wallisch, Präsident des Kiwanis Club Eferding, der den Vortrag ermöglichte. Bild: krai

PRAMBACHKIRCHEN. Zeitzeugin Anita Lasker-Wallfisch (94), Cellistin im KZ-Auschwitz, war zu Gast im Gymnasium Dachsberg.

Sie hat die Konzentrationslager Auschwitz und Bergen-Belsen überlebt. Die 94-jährige Zeitzeugin Anita Lasker-Wallfisch tourt seit vielen Jahren unermüdlich durch Schulen, um zu erzählen, was ihre jüdische Familie und Millionen anderer erlebt und erlitten haben. Vergangene Woche war die Cellistin, die eine der letzten Überlebenden des Mädchenorchesters des KZ Auschwitz ist, im Gymnasium Dachsberg zu Gast.

Mucksmäuschenstill ist es im Saal, während die 94-Jährige erzählt und aus ihren Lebenserinnerungen "Ihr sollt die Wahrheit erben" liest. Das erste Mal wurde sie im Alter von acht Jahren mit Antisemitismus konfrontiert. "Ich wollte die Tafel abwischen, als jemand rief: ,Gebt dem Juden nicht den Schwamm.‘" Natürlich habe sie das damals nicht verstanden und einordnen können. Schleichend machte sich der Judenhass allmählich immer mehr breit.

"Wir sind die Letzten, fragt, es ist die letzte Chance!"
Anita Lasker-Wallfisch ist unermüdlich als eine der letzten Zeitzeugen unterwegs, um über die Gräuel der NS-Zeit zu berichten. Bild: krai

Mit 16 auf sich allein gestellt

Die Familie lebte in Breslau. Den Eltern, der Vater war Rechtsanwalt, gelang es, die älteste ihrer drei Töchter nach England in Sicherheit zu bringen. Anita und ihre Schwester Renate mussten in Breslau bleiben. Als Anita 16 Jahre alt war, wurden ihre Eltern deportiert. "Ich habe sie nie mehr wieder gesehen. Kurze Zeit später stand dann auch meine 82-jährige Oma auf der Deportationsliste. Ich hängte ihr ihre Medikamente um den Hals und begleitete sie zum Sammelplatz in einem Schulhof. Als ein Gestapo-Mann ,Lasker‘ rief, sagte sie energisch und mit Würde ,Frau Lasker‘. Ich erwartete Konsequenzen, doch der Mann sagte nun ,Frau Lasker‘. Ich war sehr stolz auf sie."

Die beiden Mädchen waren nun auf sich allein gestellt. Sie mussten Arbeitsdienst in einer Papierfabrik leisten, wo es ihnen gelang, heimlich mit französischen Kriegsgefangenen Nachrichten auszutauschen. Für diese fälschten sie Papiere, um die Flucht zu ermöglichen. Die beiden Schwestern wollten schließlich selbst fliehen, kamen aber nur bis zum Hauptbahnhof von Breslau, wo sie von der Gestapo verhaftet wurden. Sie wurden wegen Urkundenfälschung, Feindesbeihilfe und Fluchtversuchs zu Gefängnisstrafen verurteilt. Dadurch gewannen die beiden Schwestern rund ein Jahr, bevor sie ins Konzentrationslager deportiert wurden. "Ich wurde mit einem kleinen Gefangentransport nach Auschwitz gebracht, dadurch entkam ich der üblichen Selektion nach der Ankunft von Massentransporten, wo entschieden wurde, wer direkt in die Gaskammer kommt."

Jeder Würde beraubt

Sie schildert den Schülerinnen und Schülern der sechsten bis achten Klassen eindringlich, wie sie sich nackt ausziehen musste, eine Glatze rasiert bekam und ihr am linken Arm die Nummer 69388 tätowiert wurde. "Ich wurde jeder Faser menschlicher Würde beraubt." Sich die Nummer entfernen zu lassen, daran habe sie nie gedacht. "Viele sagen, das erinnert dich doch immer daran, ich sage, das ist nicht zu vergessen."

Ihr Weg zur Rettung war, dass sie zufällig erwähnte, dass sie Cello spiele, und für das Orchester eine Cellistin gesucht wurde. Das Mädchenorchester musste Märsche für die Zwangsarbeiter und zum Vergnügen der SS-Führung spielen. Ende Oktober 1944 wird Anita Lasker-Wallfisch nach Bergen-Belsen verlegt, "dort gab es wenig zu essen, die Menschen starben wie die Fliegen". Am 15. April 1945 wurde das KZ von den Engländern befreit.

Nach ihrem Vortrag ermunterte Lasker-Wallfisch die Jugendlichen, Fragen zu stellen. "Wir sind die Letzten, fragt, es ist eure letzte Chance!" Die Schüler wollten wissen, wie man verhindern kann, dass so etwas Schreckliches wieder passiert. "Passen Sie auf Ihre Politiker auf, wählen Sie die richtigen Leute. Niemand hat sich ausgesucht, wie er auf die Welt kommt. Andere Menschen sind genauso wertvoll wie Sie, ein Mensch ist ein Mensch." Und zum Schluss gibt sie den Jugendlichen noch mit auf den Weg: "Passen Sie auf, dass so eine Zeit nie mehr wiederkommt, wegen Dummheit und Fremdenfeindlichkeit."

Zur Person

Die Cellistin Anita Lasker-Wallfisch ist eine der letzten Überlebenden des Mädchenorchesters im NS-Konzentrationslager Auschwitz. Geleitet wurde dieses von der Österreicherin und Jüdin Alma Rosé, einer Nichte von Gustav Mahler.

Das Mädchenorchester musste Märsche für die Zwangsarbeiter spielen, die in den umliegenden Fabriken schufteten, sowie zum Amüsement der SS-Führung. Lasker-Wallfisch musste etwa für den Nazi-Verbrecher und KZ-Arzt Josef Mengele die „Träumerei“ von Schumann aufführen.

Geboren wurde Lasker-Wallfisch 1925 in Breslau. Ihre deutsch-jüdischen Eltern wurden 1942 deportiert und ermordet, ebenso ihre Großmutter. Gemeinsam mit ihrer Schwester Renate musste sie Arbeitsdienst in einer Papierfabrik leisten, wo auch französische Kriegsgefangene arbeiten. Für diese haben die beiden Papiere gefälscht und kamen dafür ins Gefängnis. Anita Lasker-Wallfisch wurde 1943 nach Auschwitz deportiert, im Oktober 1944 kam sie ins KZ Bergen-Belsen. Nach dem Krieg war sie Zeugin im Bergen-Belsen-Prozess.

Die vielfach ausgezeichnete 94-jährige Zeitzeugin lebt in London. Bis zur Jahrtausendwende spielte sie im English Chamber Orchestra.

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Autorin
Michaela Krenn-Aichinger
Lokalredakteurin Wels
Michaela Krenn-Aichinger

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