"Dass sie eine verurteilte Mörderin ist? Daran denke ich nicht"
LINZ. Ein OÖN-Lokalaugenschein im Forensischen Zentrum in Asten, der größten Anstalt Österreichs für geistig abnorme Rechtsbrecher. Eine Insassin spricht in der Anstalt über ihre Freundschaft zu "Eislady" Estibaliz C. und ihre Zukunftsträume.
Sie richtete die Pistole auf Holger, ihren Ex-Mann, und drückte ab. Zweieinhalb Jahre später, im November 2010, erschoss die damals 31-Jährige auch Manfred, ihren Lebensgefährten. Mit einer Motorsäge zerstückelte sie die Leichen und betonierte sie im Keller unter ihrem Wiener Eis-Salon ein.
Estibaliz C., auch bekannt als "Eislady", wurde daraufhin 2011 festgenommen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Sachverständigen attestierten ihr Zurechnungsfähigkeit, aber auch eine Persönlichkeitsstörung.
Seit ihrer Verlegung vor knapp zwei Jahren sitzt die Doppelmörderin in der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher in Asten nahe Linz. Mit den derzeit 196 Klienten zählt die Einrichtung zur größten Forensischen Psychiatrie Österreichs. Durch einen von Estibaliz C. im vorigen Herbst veröffentlichten Tatsachenroman, in dem sie intime Details über ihre angebliche Liebesbeziehung zu einem jüngeren Mithäftling preisgibt, geriet die Anstalt in die Negativschlagzeilen. Es wurde die Frage laut, wie es in der Anstalt trotz hoher Sicherheitsvorschriften zu sexuellen Kontakten zwischen Insassen kommen konnte, die in zwei unterschiedlichen Trakten untergebracht waren.
Eine, die die "Eislady" aus nächster Nähe kennt, ist Janine *). "Estibaliz ist korrekt, mit ihr komm’ ich gut aus", sagt die 26-jährige Wienerin. Sie wird derzeit – genau wie Estibaliz und weitere 19 Klientinnen – im "Frauentrakt" betreut, der im Sommer 2017 neu geschaffen wurde. Der Großteil der Insassen, sagt Pflegedienstkoordinator Martin Purner, war zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig und leidet unter einer Persönlichkeitsstörung, wie etwa dem Borderline-Syndrom.
"Das war der Anfang vom Ende"
Um mit uns sprechen zu können, wird Janine vom "Frauentrakt" ins Nebengebäude geführt, in dem sonst nur Männer betreut werden. Weil, wie Anstaltsleiter Martin Kitzberger (42) sagt, "ein Besuch von Außenstehenden im Frauentrakt für zu viel Unruhe sorgen würde".
Nur ein Blick in das Dienstzimmer mit den vielen Überwachungsmonitoren wird uns gestattet: Im umzäunten Innenhof sitzen drei Frauen auf einer Bank und genießen die Wintersonne. Auf einem weiteren Bildschirm ist ein Betreuer mit einer Klientin auf dem Gang der Wohngruppe zu sehen: "Sie erhält wohl gerade ihre Medikamente", heißt es. Nur die mit Bett, Kasten und Schreibtisch eingerichteten und von innen versperrbaren Einzel- und Doppelzimmer werden nicht überwacht, sagt Purner.
Während Janine im Haftraum ihre Geschichte erzählt, fährt sie immer wieder mit durch Nikotin gefärbten Zeigefinger die Nähte ihrer Strickjacke entlang. Die Drogen, sagt sie, "haben mich voll kaputt gemacht im Kopf". Mit 14 habe sie begonnen, Gras zu rauchen, später kamen Speed, Koks und mit 18 Crystal Meth dazu. "Das war der Anfang vom Ende", weiß sie heute.
"Alles Geld" hätten die Eltern für ihren Entzug gezahlt. Doch sie habe sich verfolgt gefühlt, vom Bruder, vom Vater. "Es war eine schwierige Zeit." Nachdem Janine für "ein paar Tage" von zu Hause weggeschickt wurde, sei sie stehlen gegangen. "Modeschmuck, schöne Sachen." Als sie erwischt wurde, setzte sie sich zur Wehr, biss einen Polizisten. Und wurde wegen "Widerstand gegen die Staatsgewalt" und "gefährlicher Drohung" festgenommen.
Seit vorigem Juni ist sie hier in der Frauen-Wohngruppe untergebracht. Hier wird viel Wert auf die Selbstständigkeit der Insassen gelegt, es gibt begleitete Ausgänge, die Verrichtung von alltäglichen Arbeiten gehört zum Tagesprogramm dazu, sagt Anstaltsleiter Kitzberger.
Als "Hausarbeiterinnen" sind Janine und Estibaliz für das Wäschewaschen und Putzen der Wohnräume zuständig. Das schweißt zusammen. "Sie zählt zu den Frauen, mit denen ich viel rede. Auch in der Freizeit", sagt Janine.
Aus für gemeinsame Therapien
Dass die 40-jährige gebürtige Spanierin eine bekannte, verurteilte Mörderin ist, habe für sie keine Bedeutung. "Daran denke ich nicht, wenn ich mit ihr zusammen bin." Bei anderen Frauen aber, fügt Janine hinzu, "da gibt es schon Neid, aber nicht, weil sie prominent ist." Stutenbissigkeit, wie Janine es nennt, komme hier in der Gruppe immer wieder vor. "Da schau’ ich, dass ich weggehe. Ich verbring’ gerne Zeit in meinem Zimmer."
Bei der Anstaltsleitung hingegen blieb das Buch der "Eislady" nicht ohne Konsequenzen. Estibaliz und der um sieben Jahre jüngere Insasse seien in den Therapieräumen "in Kontakt gekommen", sagt Kitzberger. dies allerdings unter Aufsicht.
Die im Buch beschriebene Zweisamkeit im "Kammerl" bezeichnet er hingegen als Fantasie der Autorin. Das Betreten der versperrten Räume, sagt Kitzberger, sei nur dem Personal möglich, "den Türknauf bekommen die Untergebrachten nicht auf."
Man habe dennoch "daraus gelernt", sagt er: Gemeinsame Therapien gebe es kaum mehr, Kontakt zum anderen Geschlecht sei nur noch bei von Betreuern begleiteten Spaziergängen möglich. Doch den persönlichen Kontakt würden die Klienten ohnehin kaum wünschen, sagt er: Meist bleibe es beim Briefeschreiben und beim Reden. "Pärchen gibt es bei uns nicht."
Janine will mit der Partnersuche ohnehin warten, bis sie "draußen" ist, wie sie sagt: "Dann will ich arbeiten gehen, einen Freund haben, Familie gründen – also ein ganz normales 08/15-Leben führen."
*) Name von der Redaktion geändert
Zahlen zur Anstalt
Das Forensische Zentrum Asten wurde 2010 in Betrieb genommen. Es gibt 201 Heimplätze, 196 davon sind derzeit belegt. Im Sommer 2017 kam der Frauentrakt dazu, in dem derzeit 21 Klientinnen betreut werden. Bis 2021 sollen 100 weitere Plätze dazukommen.
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Langsam wäre es mal an der Zeit, dass man dieser Mehrfachmörderin keine mediale Aufmerksamkeit mehr bietet und sie ihre lebenslange Haftdauer ungestört genießen lässt.