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„Ich habe hinaufgeschaut, und das Teil flog direkt auf mich zu“

Von Helmut Atteneder, 30. Juli 2011, 00:04 Uhr
„Ich habe hinaufgeschaut, und das Teil flog direkt auf mich zu“
Die eingestürzte Wiener Reichsbrücke am 1. August 1976 Bild: Mikes

WIEN. Der 1. August 1976 war für Friedrich Fürst, heute 54 Jahre alt, ein aufregender Tag. Der Niederösterreicher sah im Fernsehen den Feuerunfall von Niki Lauda, holte noch während der Formel-1-Übertragung einen Verunglückten aus dessen Auto, und er stand mit seinem VW-Käfer auf der Reichsbrücke, als diese einstürzte.

OÖN: Herr Fürst, es war zwölf Minuten nach vier Uhr früh, als am 1. August 1976 die Reichsbrücke über der Donau einstürzte. Warum standen Sie auf der Brücke?

Fürst: Ich hatte einen Patschen und keinen Wagenheber mit. Ich habe auf den ÖAMTC gewartet.

OÖN: Warum ausgerechnet auf der Reichsbrücke?

Fürst: Ich hatte am Praterstern einen Unfall. Es hat leicht geregnet, ich bin an einem Randstein angekommen, und es hat mich überschlagen. Die Polizei hat geholfen, das Auto wieder aufzustellen. Ein Hinterreifen war kaputt. Ich wollte also zur Tankstelle fahren, die auf der anderen Seite der Donau war und über Nacht offen hatte. Ich bin leider nicht dorthin gekommen.

OÖN: Warum nicht?

Fürst: Weil meine beiden Freunde bereits die Radmuttern abgeschraubt hatten, während ich mit der Polizei sprach. Die haben mir das aber nicht gesagt. Also sind wir die Lassallestraße entlanggetuckert. Mit einem Patschen merkt man nicht, dass ein Rad locker ist. Genau am Beginn der Brücke ist das Rad endgültig abgefallen. Da standen wir also.

OÖN: Und?

Fürst: Ich bin mit einem Taxi zur Tankstelle gefahren. Die wollten mir keinen Wagenheber borgen. Also habe ich den ÖAMTC angerufen. Dann haben wir halt auf der Brücke gewartet.

OÖN: Wie ist das, wenn unter einem eine Brücke einstürzt?

Fürst: Wir hatten in der Zwischenzeit den Reifen gewechselt, weil uns eine Dame ihren Wagenheber geliehen hatte. Ich war fahrbereit, da kam der ÖAMTC daher. Ich stieg aus, und der Autobus, der berühmte Bus, der dann auf der eingestürzten Brücke stand, ist an mir vorbeigefahren. Ich wollte zum ÖAMTC gehen und sagen, dass ich ihn nicht mehr brauche. Da begann die Brücke zu schwanken. Ich denke, das war der Autobus, und drehe mich um.

OÖN: Was haben Sie gesehen?

Fürst: Ich sehe, wie der Bus in der Brücke einsinkt. Die Brücke hat Wellen geschlagen, wie wenn man einen Teppich ausschüttelt. Die Welle ist auf mich zugekommen. Da war klar, das ist etwas Gravierendes. Da denkt man dann nichts mehr. Wir sind auf der schwankenden Brücke Richtung Ufer gelaufen.

OÖN: Wie lange hat der Spuk gedauert?

Fürst: Es kam mir lange vor, aber es werden etwa 30 Sekunden gewesen sein. Die Steher sind umgefallen, und die Kette, die die Steher verbunden hatte, kam herunter. Ich habe hinaufgeschaut, und das Teil flog direkt auf mich zu. Das war die Situation, bei der ich gedacht habe, dass mein Leben jetzt zu Ende ist. Ich konnte nur noch zusehen.

OÖN: Wie sind Sie dem sicher scheinenden Tod entkommen?

Fürst: Etwa fünf Meter über meinem Kopf hat sich die Kette weggedreht. Sie hing an den Stehern, und die haben die Eisenkette quasi umgeleitet. Die Kette schlug neben mir auf, ich lag am Boden. Bin auf und weggerannt. Streben lagen herum. Ich habe das überlebt!

OÖN: Das war Ihr erster Gedanke – und danach?

Fürst: Es war still. Da und dort hat die Brücke nachgeächzt. Wir haben uns angeschaut, meine Freunde, die zwei ÖAMTC-Leute. Der Autobus war abgestürzt. Es war aber auch ein Transit-Fahrer auf der Brücke.

OÖN: Herr Kretschmer?

Fürst: Der war auch bei uns gestanden und hat uns beim Reifenwechseln geholfen. Als wir fertig waren, ist er losgefahren. Er muss ein paar Meter vor dem Bus gewesen sein. Wir sind zum Donauufer hinunter und wollten sehen, was mit ihm und dem Bus passiert ist.

OÖN: Der Bus stand auf der Brücke im Wasser. Und Kretschmer?

Fürst: Weit und breit nichts von ihm zu sehen. Erst beim genaueren Hinsehen haben wir gesehen, dass man aus der Brücke heraus, im Wasser hängend die Rücklichter noch gesehen hat. Man hat nichts von ihm gesehen. Später wurde festgestellt, dass er noch im Auto gesessen ist. Er war so eingeklemmt, dass er nicht herauskonnte und wohl auch nicht mehr viel mitbekommen hat.

OÖN: Wissen Sie noch, wie Sie sich von ihm verabschiedet haben?

Fürst: Danke habe ich wohl gesagt.

OÖN: Belastet Sie der Tod Ihres Helfers noch?

Fürst: Belasten ist übertrieben. Es war sehr tragisch. Ich habe mich damit beruhigt, dass ich ihn nicht aufgehalten habe. Er ist freiwillig stehen geblieben. Es ist Schicksal gewesen. Es ist mir unangenehm. Wenn ich an die Reichsbrücke denke, dann auch an ihn.

OÖN: Am 1. August jährt sich der Einsturz zum 35. Mal. Ein Grund zum Feiern?

Fürst: Ich denke jeden 1. August daran. Gefeiert habe ich das noch nie. Das möchte ich nicht, auch wenn es für mich ein Glück war. Ich nehme an, dass mein Leben noch nicht vorbei sein sollte. Ich hatte Glück, ich bin ein glücklicher Mensch.

OÖN: Ihr VW-Käfer war noch funktionsfähig?

Fürst: Ja, ich ließ ihn schwarz umlackieren. Mein Bruder fuhr noch bis Ende der 80er-Jahre damit. Das Auto hat mit ihm noch einen Überschlag überlebt.

OÖN: Haben Sie am 1. August 1976 auch Formel 1 geschaut?

Fürst: Na sicher. An diesem Tag sind drei Dinge passiert: Niki Laudas Unfall, die Reichsbrücke.

OÖN: Und das Dritte?

Fürst: Ich habe das Rennen in einem Gasthaus verfolgt. Damals hatte noch nicht jeder ein Fernsehgerät. Während Niki Lauda noch fuhr, ist etwa 100 Meter vom Gasthaus entfernt ein Autofahrer in eine Mauer gefahren. Den haben wir bewusstlos aus seinem Auto geholt.

OÖN: Sie wurden auch noch zum Lebensretter?

Fürst: Na, na. Er war nicht schwer verletzt. Ich habe Erste Hilfe geleistet.

OÖN: Waren Sie in der Zeit nach dem Unglück so etwas wie berühmt?

Fürst: Man hat mich gekannt. Natürlich waren viele Fotos von mir in den Zeitungen. In der Schnellbahn habe ich mir in den ersten paar Tagen immer eine Zeitung vor das Gesicht gehalten.

OÖN: Meiden Sie die Reichsbrücke heute?

Fürst: Ich befahre sie fast täglich. Mein Arbeitsplatz ist 50 Meter von der neuen Reichsbrücke entfernt.

OÖN: Ein Brückentrauma haben Sie wohl nicht?

Fürst: Ich bin Techniker, kann rechnen. Unter mir wird keine Brücke mehr einstürzen.

1. August 1976: Schwarzer Tag in Österreichs Geschichte

Der 1. August 1976 war ein schwarzer Tag in der Geschichte Österreichs: Um 4.12 Uhr stürzte die Reichsbrücke ein, und Formel-1-Weltmeister Niki Lauda (27) verunglückte um 14.25 Uhr schwer auf dem Nürburgring in Deutschland.

Die 1255 Meter lange zweite Reichsbrücke (die erste wurde nach der Feststellung schwerer Schäden 1930 abgerissen) wurde am 10. Oktober 1937 feierlich eröffnet und war der Stolz der Wiener Stadtregierung. Es handelte sich um die drittgrößte Kettenbrücke Europas. Allerdings wurde beim Bau der Brücke – wie schon bei der ersten Reichsbrücke – gepfuscht: Der Trägerrost, der das Gesamtgewicht auf die Pfeiler übertrug, wurde mit Beton ummantelt, der mit Sand gestreckt wurde. Dieses minderwertige Baumaterial wurde – neben einer unzureichenden Statik – als Hauptgrund für den Einsturz der Reichsbrücke genannt.

Das Unglück hatte auch politische Konsequenzen: Nachdem zunächst der damalige Bürgermeister Leopold Gratz seinen Rücktritt angeboten hatte, übernahm der Wiener Planungsstadtrat Fritz Hofmann die politische Verantwortung und schied aus dem Amt, kehrte später aber wieder in die Stadtregierung zurück. Das unvorstellbare Glück: Normalerweise frequentierten 18.000 Fahrzeuge pro Stunde die Brücke, beim Einsturz befanden sich nur fünf Personen auf dem Bauwerk.

Vier „Engel“ für Lauda

Es war ein regnerischer Rennnachmittag: Laudas Ferrari brach am Streckenabschnitt „Bergwerk“ aus, raste in die Leitplanken und wurde brennend auf die Piste zurückgeschleudert. Der bewusstlose und ohne Helm im Auto sitzende Lauda überlebte nur, weil er vier „Engel“ hatte: Brett Lunger, Harald Ertl, Guy Edwards und Arturo Merzario zogen ihn aus der Flammenhölle. Lauda überlebte Verbrennungen, Lungenverätzungen sowie Kieferbruch, kehrte nach nur sechs Wochen in Monza in den Grand-Prix-Zirkus zurück und wurde sensationell Vierter. (luke)
 

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1  Kommentar
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( Kommentare)
am 30.07.2011 09:52

bis da Eisenbahnbrücke genauso geht...

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