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Schuldenlast: Ein Betroffener über die Befreiung

Von Monika Raschhofer, Roman Kloibhofer, Bianka Eichinger, 29. September 2016, 00:04 Uhr
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Bildergalerie Thema der Woche: Schulden
Bild: mora

INNVIERTEL. Nach Privatkonkurs: Die Entscheidung dazu sei schwer gefallen, dann hat sich die Bedeutung des Geldes verringert Die Familie und treue Freunde haben dem Überschuldeten geholfen, die sieben Tilgungsjahre gut zu überstehen.

Karl G. (Name geändert) hatte Schulden. Zu viele Schulden. Den Privatkonkurs hat er mittlerweile überstanden. Und erzählt Erstaunliches über diese sieben mageren Jahre und sein Verhältnis zum Geld.

 

Wie viel bedeutet Ihnen Geld?

Nichts mehr. Das brauche ich zum Leben, damit ich mir Essen kaufen kann oder auch zum Urlaubfahren, o.k. Ob ich Geld habe oder nicht, ist komplett unwichtig. Ich habe gelernt, dass man nichts braucht – außer einer Kfz-Versicherung, die gesetzlich vorgeschrieben ist. Zusatzversicherungen, Sparverträge – habe ich alles nimmer.

Das klingt ja fast befreiend?

War es auch. Ich hatte ja auch keine Verpflichtungen mehr. Ich habe mich auf die wesentlichen Sachen konzentrieren können. Die Familie hat mir schon sehr geholfen, allein wäre es ungleich schwieriger. Und auch, dass sich die Beziehung zu den Freunden, die es gewusst haben, nicht verändert hat.

Was war während der Schuldenphase am schlimmsten für Sie?

Das Schlimmste war der Anfang, bis man die Bereitschaft hat, sich von dem Alten zu trennen. Das Geld war nicht das Problem, sondern eher, dass man im Kopf hat, wie man funktionieren muss, damit das Radl rennt. Das war der Knackpunkt. Am ärgsten war es bis ich eingesehen habe, dass es wirklich so nicht mehr geht. Nach dem Offenbarungseid ist es mir schon gut gegangen. Das war eine komplette Erleichterung, da war der Druck weg. Ich hab sowieso nichts mehr gehabt, nur Schulden verwaltet und damit den ganzen Tag gekämpft.

Haben Sie gelernt, mit wenig Geld auszukommen?

Geld brauche ich viel, wenn ich will. Das ist das Entscheidende: Ich kann mir eine Uhr um hundert oder eine um 5000 Euro kaufen. Mit dem Existenzminimum auszukommen, ist schwierig. Das geht nur, wenn man pfuschen geht – unumwunden gesagt. Mein Einkommen wurde gepfändet bis auf etwa 900 Euro, das war bei mir das Limit, da sind auch die Kinder eingerechnet.

Warum sind Sie in die Schuldenfalle geraten?

Ich hatte eine Beteiligung an einer Firma, die Trennung habe ich nicht finanzieren können. Das war der Hauptgrund. Es gibt viele Schuldner, die selbstständig waren.

Haben Sie den Tag gefeiert, an dem Sie schuldenfrei wurden?

Nein, das habe ich schon vorher gefeiert, die ganzen sieben Jahre. Ich habe seither das Konto nie überzogen. Null. Kontoführungsspesen von 3,75 Euro. Das war ein Erfolg.

Was raten Sie anderen Leuten, die in Geldnöten sind?

Loslassen, das Geld ist nicht so wichtig. Das habe ich dank der Schuldnerberatung gelernt.

Haben Sie jetzt wieder Zukunft?

Ja, sowieso, schon seit dem Tag, an dem gerichtlich bestätigt wurde, dass ich ins Verfahren aufgenommen werde. Das macht die richtige Befreiung. Dass man nach sieben Jahren fertig ist, ist nur mehr der Schlusspunkt hinter etwas, das man geschafft hat.

 

„Ein genereller Trend zum Schuldenmachen ist nicht erkennbar“

Werden Kredite von Banken zu leichtfertig vergeben und wo liegt die Verantwortung einer Bank? Das haben wir den Geschäftsleiter der Oberbank Innviertel, Erich Brandstätter, gefragt. Und auch, wofür Kredite aufgenommen werden.

„Nein, unser Institut macht es nicht zu leicht, einen Kredit zu erhalten. Wir sehen uns jeden Kreditnehmer genau an und sind bei Wohnbaukrediten nach dem Hypothekarimmobilienkreditgesetz auch verpflichtet, nachzuweisen, dass sich ein Kreditnehmer das leisten kann“, sagt Erich Brandstätter und ergänzt: „Wir legen dabei mehr Wert auf Rückzahlungsfähigkeit als auf die Besicherung.“

Leichter sei es hingegen, bei diversen Großmärkten, bei Autohäusern oder Versandhäusern Kredite zu bekommen. „Da sollte man genau auf den effektiven Zinssatz achten, zweistellige Zinssätze sind hier keine Seltenheit“, warnt der Innviertler Oberbank-Chef. Der Effektiv-Zinssatz müsse laut Konsumentenschutzgesetz auch ausgewiesen sein, sagt Brandstätter.

Kredit für neue Zähne

90 Prozent der von der Oberbank Innviertel vergebenen Kredite würden für Wohnbau aufgewendet, zehn Prozent für die Konsumfinanzierung. Dieses Geld werde hauptsächlich für den Kauf von Wohnungseinrichtung und Autos verwendet, aber auch für die Finanzierung von Gesundheitsleistungen, etwa in der Kieferorthopädie. „Auch für neue Zähne werden Kredite aufgenommen!“

"Ein genereller Trend zum Schuldenmachen ist nicht erkennbar"
Erich Brandstätter, Oberbank Bild: rokl

 

Einen Trend zum Schuldenmachen sieht der Banken-Chef auch angesichts niedriger Zinsen nicht, im Wohnbaubereich herrsche aber ein „gutes Wachstum“. „Eigentum schaffen liegt im Trend gegenüber Miete“, sagt Erich Brandstätter.

Kredite an Minderjährige würden nur dann vergeben, wenn die Eltern Hauptantragssteller seien und ein eigenes Einkommen vorliege. „Damit gehen wir sehr behutsam um und versuchen, die Schuldenspirale für junge Menschen möglichst hintanzuhalten.“ Verantwortungsvoller Umgang mit Geld sei im Übrigen bei Jugendlichen zu erkennen, wenn schon die Eltern ein vernünftiges Finanzverhalten zeigen. „Leider ist das auch umgekehrt der Fall, wenn Eltern nicht mit Geld umgehen können“, sagt der Banker.

Zwar sind es meist die Männer, die als erste mit Kreditanliegen an die Bank herantreten, „aber die wichtigen Entscheidungen werden dann meist von den Frauen getroffen“, berichtet Brandstätter. „Im Durchschnitt sind die Frauen risikobewusster!“

Ein kurioser Kreditfall vor vielen Jahren ist dem Innviertler Oberbank-Leiter in Erinnerung geblieben: „Eine Frau wollte für eine Urlaubsreise einen Kredit aufnehmen und hat als Besicherung angegeben, den Kredit durch den Verkauf ihrer Hasen zurückzahlen zu wollen.“ Sie erhielt den Kredit, die Frau war als Hasenzüchterin bekannt.

 

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   Bild: Schuldnerberatung OÖ

Jeder Innviertler hatte 2015 durchschnittlich 68.522,33 Euro Schulden

300 Erstkontakte hat die Regionalstelle Ried der Schuldnerberatung Oberösterreich durchschnittlich pro Jahr. Einen ständig größer werdenden Anteil nehmen laut Karl-Heinz Vogelsberger, dem Leiter der Regionalstelle Ried, die Wiederaufnahmeberatungen ein. „Das sind solche, die schon abgeschlossen waren und wegen neuer Probleme, wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Trennung, neuerlich unserer Hilfe bedürfen. Rund 80 solcher Fälle hatten wir im Innviertel seit Anfang diesen Jahres.“

500 Beratungsgespräche haben die Mitarbeiter der Regionalstelle Ried heuer bereits durchgeführt. „Bis Ende des Jahres werden es bei gleichbleibender Tendenz wohl 700, inklusive der Sprechtage in Schärding und Braunau“, so Vogelsberger. Die Durchschnittsverschuldung der Innviertler betrug 2015 68.522,33 Euro.

„An erster Stelle führen Arbeitslosigkeit gefolgt von Scheidung beziehungsweise Trennung, gesundheitliche Probleme sowie gescheiterte Selbstständigkeit zur Zahlungsunfähigkeit“, so der Schuldnerberater. Mehr Männer als Frauen und vor allem die 30- bis 50-Jährigen seien von Schuldenproblemen und Zahlungsunfähigkeit betroffen. „Die häufigsten und zugleich gefährlichsten Eintrittskarten in die Schuldenfalle sind Kontoüberziehungen und die Verwendung virtuellen Geldes, Stichwort Bankomat- und Kreditkarten, gepaart mit mangelndem Überblick. Dann kommt vielleicht noch ein kreditfinanziertes Auto oder ein Leasing-Pkw hinzu und schon können einem die vielen monatlichen Zahlungsverpflichtungen über den Kopf wachsen und eine Insolvenz droht. Es wäre gut, wenn Menschen gewünschte Dinge wieder erwarten könnten, Stichwort sparen, und nicht über Kreditgeschäfte jeglicher Art sofort erfüllen wollen“, so der Experte.

„Innviertler Spezifika sind einerseits die Nähe zu Deutschland, die uns immer wieder mit grenzüberschreitenden Problemen konfrontiert, andererseits relativ viele Eigenheimbesitzer und ‘Häuslbauer’, von denen mit großer Wahrscheinlichkeit ein nicht zu geringer Anteil hauptsächlich langfristig kreditfinanziert gebaut bzw. erworben hat.

Bei langen Laufzeiten darf damit gerechnet werden, dass sich die Zinsenlandschaft wieder ändert. Die Zinsen können nur mehr steigen, die Realeinkommen jedoch stagnieren oder sinken. Arbeitslosigkeit betrifft immer mehr Menschen, sodass mittelfristig auch in diesem Bereich mit vermehrten Problemen und Zahlungsunfähigkeiten gerechnet werden muss“, erklärt Vogelsberger.

Kontakt Regionalstelle Ried, Bahnhofstraße 38, 4910 Ried. Terminvereinbarung nötig! Tel.: 07752 / 88 55 2.

Sprechtag in Braunau: In der Arbeiterkammer, Salzburger Straße 29, jeden Donnerstag von 8 bis 12 und 14 bis 16 Uhr. 

Sprechtag in Schärding: Im Familienzentrum Tummelplatzstraße 9 jeden dritten Mittwoch im Monat von 8 bis 12 Uhr.

Alleinerzieherinnen häufig betroffen

Einer 36-jährigen alleinerziehenden Mutter von vier Kindern – 16, 14, elf und fünf Jahre alt – ist es wegen der Kinderbetreuungspflichten kaum möglich, einer geeigneten längerfristigen Beschäftigung nachzugehen. Sie ist auf den Bezug von bedarfsorientierter Mindestsicherung, Beihilfen sowie Unterhaltsvorschüssen des Bundes angewiesen. Die Familie hat Schulden im Ausmaß von 50.000 Euro bei mehreren Gläubigern, die sie seit Jahren mitschleppt und die sich wegen der exorbitanten Zinsen und Zinseszinsen samt Kosten der vielen gerichtlichen Betreibungen in diese Höhe schrauben konnten.

Die Frau ist starken psychischen Belastungen durch die viele Gläubigerpost, Besuche von Inkassobüro-Mitarbeitern und Gerichtsvollziehern ausgesetzt. Mit Hilfe der Schuldnerberatung Ried absolvierte sie erfolgreich ein Privatkonkursverfahren mit dem Ergebnis, dass sie ihren Schuldenberg mit monatlichen Raten zu je 40 Euro bei einer Laufzeit von sieben Jahren abtragen kann.     

Zweistellige Zunahme

Nach Angaben des Kreditschutzverbandes von 1870 (KSV) werden heuer die Privatkonkurse in Oberösterreich vermutlich den bisherigen Höchststand des Jahres2011 mit 1270 übertreffen.

940 Privatkonkurse wurden bei den Bezirksgerichten in den ersten neun Monaten eröffnet. Das sind um 103 Fälle oder um 12,3 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres:

  • Pro Arbeitstag kommt es laut KSV 1870 zu fünf Privatpleiten in Oberösterreich.
  • In den drei Innviertler Bezirken wurden zum dritten Quartal 2016 exakt 72 Privatkonkurse eröffnet. Im Bezirk Braunau 28 (Vorjahr 29), im Bezirk Ried 24 (23) und im Bezirk Schärding 20 (12). Mit vorläufig 940 Privatkonkursen liegt Oberösterreich heuer abermals auf Platz zwei der Bundesländerreihung.
  • Der Schuldenstand pro Privatkonkurs beläuft sich 2016 im Durchschnitt auf 122.300 Euro, er ist damit unter dem Vorjahreswert von 129.000 Euro.
  • Wer die Schulden-Belastungsgrenze einmal überschritten hat, den können laut KSV 1870 auch die historisch niedrigen Kreditzinsen oder Vorteile aus der Steuerreform nicht mehr vor dem finanziellen Kollaps retten.
  • 25 bis 30 Jahre lang laufen in der Regel die Wohnbaukredite, je nach Bonität des Kredinehmers. Das bedeutet 25 bis 30 Jahre lang Schulden.
  • 172 Euro im Monat sparen die Oberösterreicher im Durchschnitt pro Monat. Das geht aus einer Umfrage der s-Versicherung hervor.
  • 940 Privatkonkurse wurden bei den oberösterreichischen Bezirksgerichten in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 eröffnet.
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