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Die Wildererschlacht von Molln

Von Manfred Wolf, 23. März 2019, 00:04 Uhr
Die Wildererschlacht von Molln
Waren es 3000 Trauernde oder doch "nur" 1500 – die Erinnerung ist verblasst. Bild: Museum Molln

100 Jahre ist es her, dass die Gendarmerie im Gasthaus Dolleschall in Molln ein Blutbad anrichtete. Doch auch auf dem Weg zu dieser Tragödie liegen Leichen. Manfred Wolf blickt zurück auf den März 1919.

Ausgelassen war die Stimmung im Gasthaus Dolleschall in Molln. Der Obrigkeit und der Gendarmerie hatte man es gezeigt. Der Wirt hielt sein Versprechen und lud Befreier und Befreite zu einer Jause ein. Es ging hoch her in der Gaststube beim Dolleschall.

Doch draußen waren bereits mehr als 30 Probegendarmen versammelt. Als Gendarmeriemajor Dimmel mit 15 Gendarmen die Wirtsstube betrat, war es für einen Augenblick still. Die an zwei Tischen zusammensitzenden Wilderer seien alle verhaftet, soll Dimmel erklärt haben. Er warnte vor Widerstand, dem unbedingt mit Waffengewalt begegnet werden müsse, wie in der Linzer Tagespost, der Vorgängerzeitung der OÖNachrichten, nachzulesen ist.

Der Wirt, Josef Dolleschall, prangerte die Ungerechtigkeit an, freie Bürger in seinem Gasthaus zu verhaften, immerhin, man lebe ja jetzt in einer Republik. Er soll, so erklärten die Gendarmen später, die Stimmung wild gestikulierend aufgeheizt und mit "Lasst euch das nicht gefallen!" geendet haben. Schon flogen die ersten Krüge. Und im Wirbel befahl der Major: "Waffengebrauch!" Drei Männer wurden erschossen, zwei Gendarmen "nicht unerheblich am Kopf verletzt". Zudem wurde in einem Bauernhaus ein weiterer der Wilderei Beschuldigter von Gendarmen durch mehrere Bajonettstiche ermordet.

Erinnerungsteller für die Toten des 14. März 1919 – der Wirt Josef Dolleschall ließ diesen anfertigen. Bild: Sieghartsleitner

Tote, zu Beginn und am Ende

Es war freilich nur die Spitze eines lang schwelenden Konflikts zwischen Obrigkeit und Gendarmerie auf der einen Seite und den Wilderern, Arbeitern, ja auch Bauern auf der anderen Seite.

Ihren Ursprung nahm die Tragödie Monate zuvor, in den letzten Tagen des Ersten Weltkriegs. Am 17. Oktober 1918 wurde ein Förster des verachteten Grafen Lamberg, dem das Revier um Molln gehörte, tot aufgefunden. Johann Daxer, Vater von neun Kindern, das zehnte war gerade unterwegs, wurde von einem Unbekannten erschossen. Ein Wilderer, so wurde angenommen. Drei Monate später wurde dann der Wildschütz Vinzenz Bloderer von einem Forstadjunkten auf der Flucht erschossen. Über ihn war später zu lesen: "Bloderer, der in vier Jahren des Krieges dem Feind oft Aug in Aug gegenüberstand, musste daheim auf so tragische Weise sein Leben lassen."

Die Morde, aber auch die rege Tätigkeit der Wilderer erregten die Gemüter auf beiden Seiten. Auf Geheiß der Lambergs kam es am 13. März 1919 zur Festnahme von fünf Wilderern – Heinrich Huber, Franz Wieser, Roman Schiffer, Adolf Fedrizzi und August Steiner. Junge Burschen, von denen man sich erhoffte, mehr über die Wilderei zu erfahren. Sie wurden im Bezirksgericht Grünburg arretiert und sollten am nächsten Tag in das Kreisgericht Steyr überführt werden.

"Wenn ihr sie befreit, gibt’s bei mir eine Jause", soll der Wirt Dolleschall anderen Wildschützen gesagt haben. Und die ließen sich nicht lange bitten.

Als am nächsten Tag die Gendarmerie mit den Verhafteten in die Steyrtalbahn stieg, sprangen die rund 30 Befreier heraus, überwältigten die Gendarmen und befreiten das Quintett. Zu Fuß ging es dann zurück, um im Gasthaus die Heldentat zu feiern ...

Nachwehen und Ursachen

Zur Beerdigung von Georg Unterbrunner, Johann Eder, Karl Zemsauer und Heinrich Huber – allesamt Kriegsheimkehrer – waren rund 3000 Menschen gekommen. In den Tagen nach dem Übergriff wurde in einigen Betrieben die Arbeit niedergelegt, um gegen das Vorgehen zu demonstrieren, auch der Gemeinderat von Molln trat zurück, Arbeiter und Bauern legten sich gegen die Herrschaft quer – im Landes- und Nationalrat wurde darüber debattiert. Es dauerte Wochen, bis sich nach den politischen Schuldzuweisungen die Gemüter wieder beruhigt hatten. Die Wilderei ging danach weiter – ununterbrochen bis zum Jahr 1932.

Um die Wildererschlacht einordnen zu können, bedarf es eines geschichtlichen Exkurses. Roland Girtler, Soziologe und Wilderer-Experte, bringt für die Wilderei, so wie sie damals war, Verständnis auf: "Zum einen war sie ein Auflehnen gegen die Obrigkeit, die über Jahrhunderte das alleinige Recht zur Jagd hatte, zum anderen war das Wildbret eine Abwechslung auf dem sonst recht kargen Speiseplan – vor allem auch in den ersten Monaten nach Kriegsende."

In dieselbe Kerbe schlägt Franz Sieghartsleitner vom Nationalpark Kalkalpen: "Die Wirtschaft lag darnieder, die Menschen hungerten. Sie waren durch den Krieg verroht und traumatisiert. Und Graf Lamberg war Repräsentant der mittlerweile verabscheuten Monarchie, der Vermögenden, deren Leben die mittellosen Kriegsheimkehrer zuvor zu verteidigen hatten."

Und eben diese Lambergs hatten kein großes Interesse daran, die Wilderei zu tolerieren – ganz im Gegenteil: Selbst beim vorgeschriebenen Zwangsabschuss von Wild, um die Bevölkerung zu versorgen, blieb er um mehr als die Hälfte zurück. Sieghartsleitner kennt ein Gerücht, das damals die Runde machte, wonach der Graf gesagt haben soll: "Solange bei einem Bauern noch ein Stück Vieh steht, wird kein Wild mehr abgeschossen." Spätestens danach soll die Stimmung endgültig gekippt sein, und es kam zu regelrechten Treibjagden der Wilderer.

Die Überzüchtung des Wildes war für die Bauern ein Ärgernis, da das Wild großen Flurschaden anrichtete. "Als es die Wilderei gab, war der Wald in Ordnung", sagt Girtler. Und Sieghartsleitner ergänzt: "Der Wald hat durch den folgenden radikalen Rückgang des Wildstandes profitiert."

Girtler führt für die damalige Zeit zwei Normordnungen ins Treffen: zum einen das Gesetz, wonach die Wilderei verboten war, zum anderen das inoffizielle Recht, also das Recht des kleinen Mannes – "wir wohnen hier, also haben wir auch das Recht dazu". "Demnach war das auch in Ordnung", sagt Girtler. Außerdem gab es neben den hehren Zielen auch eine Art heldenhafte Verehrung der jungen Wilderer, die bei den jungen Frauen recht beliebt waren.

Nur das "Robin Hood"-Prinzip

Allerdings, so wirft Fritz Kammerhuber, Obmann des Museums Molln ein, gab es auch damals schon organisierte Wilderei, die dem "Robin Hood"-Prinzip nichts abgewinnen konnte, sondern vielmehr in ihre eigene Tasche arbeitete. "Es gab richtige Banden, die das Wildbret verkauft haben."

Die "Wildererschlacht von Molln" war der traurige Höhepunkt der Wilderei in Oberösterreich. Heute gibt es kaum noch Anzeigen, wenngleich es die Wilderei immer noch gibt. Christopher Böck, Geschäftsführer des Landesjagdverbands: "Der Antrieb ist freilich nicht mehr Hunger, sondern oft Jux und Tollerei – es gibt Menschen, die einfach so mit Kleinkalibergewehren auf Tiere schießen. Genaue Zahlen haben wir nicht, zum Glück sind die Vorfälle aber überschaubar."

 

Info: Neben dem Wilderermuseum in St. Pankraz (wilderermuseum.at) erinnert ab 4. Mai (Ausstellungseröffnung) auch das Museum Molln an das Wildererdrama von vor 100 Jahren. Zur Eröffnung kommt auch Roland Girtler.

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