Wieder gerichtlicher Streit um Kruzifixe in Schulklassen
STRASSBURG. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt erneut, ob das Kruzifix im Klassenzimmer weiter Platz haben soll.
Ist ein Kruzifix im Klassenzimmer ein Symbol der christlichen Tradition Europas oder ein Zeichen für eine Bevorzugung des christlichen Glaubens gegenüber anderen Religionen? Diese knifflige Frage hat vor dem Hintergrund der Europäischen Menschenrechtskonvention seit gestern der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu prüfen. Im November 2009 war einer zweifachen Mutter aus Italien vor dem Gericht des Europarates (nicht der EU) überraschend Recht gegeben worden, dass das Kreuz im Klassenzimmer ein Verstoß gegen die Religionsfreiheit sei.
Erziehung beeinträchtigt?
Nach einer Berufung der italienischen Regierung befasst sich nun die aus 17 Richtern bestehende Große Kammer mit dem sensiblen Thema. Das Urteil ist erst in einigen Monaten zu erwarten. Die Klägerin argumentiert, die Erziehung ihrer beiden damals elf und 13 Jahre alten Kinder sei in den Jahren 2001 und 2002 in einer staatlichen Schule durch das Kruzifix beeinträchtigt worden. Italiens Verfassungsgericht habe die Trennung von Kirche und Staat bestätigt und 2001 selbst das Kreuz aus seinem Gerichtssaal entfernt.
Dagegen brachte die Regierung in Rom vor, Kreuze seien „Ausdruck der Tradition“ und „volkstümliches Symbol“. Kruzifixe verletzten in keiner Weise die religiöse Neutralität des Staates. Mehrere Länder, in denen die christliche Religion teilweise eng mit dem Staat verknüpft ist, sprangen Italien zur Seite. Neben Staaten wie Griechenland, Zypern, Rumänien und Bulgarien schloss sich unter anderem auch Russland dieser Ansicht an. Auch 33 EU-Parlamentarier, darunter Othmar Karas von der ÖVP, brachten gemeinsam ihren Standpunkt ein.
Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) begrüßte die Berufungsverhandlung. Er erwartet, dass das langjährige Rechtsverständnis der Europaratsstaaten berücksichtigt werde, „nach dem das Prinzip der Religionsfreiheit der Präsenz von religiösen Symbolen im öffentlichen Raum nicht entgegensteht.“