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"Dialekte haben nichts Niedliches an sich, sie sind Mittel der Ausgrenzung"

Von Lukas Luger, 02. September 2017, 00:04 Uhr
"Dialekte haben nichts Niedliches an sich, sie sind Mittel der Ausgrenzung"
Die Verfilmung von „Magical Mystery“ läuft in den Kinos, mit „Wiener Straße“ hat er Chancen auf den Buchpreis. Bild: APA

Am Donnerstag veröffentlicht Sven Regener seinen neuen Roman "Wiener Straße"

Warum Frank Lehmann im neuen Buch mitspielt und es trotzdem kein Lehmann-Roman ist, warum "Raviolisau" kein idealer Bandname ist, und was es mit den beiden österreichischen Anarchokünstlern P.Immel und Kacki auf sich hat, verrät Sven Regener (56) im großen OÖN-Interview.

 

OÖN: "Wiener Straße" ist der dritte Lehmann-Roman, der im Jahr 1980 spielt. Ohne Frage ein Schicksalsjahr für Frank Lehmann – auch für Sie persönlich?

Sven Regener: Es ist kein Lehmann-Roman. Frank Lehmann spielt eine untergeordnete Rolle, er ist eher ein Katalysator. "Wiener Straße" ist auch kein Teil dieser "Herr Lehmann"-Sause, sondern ein Werk in eigenem Recht. Ich finde diese turbulente Zeit, in der der Roman spielt, einfach interessant. 37 Jahre in die Vergangenheit zurückzugehen, macht natürlich einen historischen Roman daraus, aber warum auch nicht, andere Leute schreiben Romane über das Mittelalter.

Hatte die Idee, sich Franks prägenden Monaten zu widmen, bereits während der Arbeit am Vorgängerbuch "Magical Mystery" in Ihrem Gehirn festgesetzt?

Nein, die Idee hatte ich schon früher. Ich dachte daran, aus dem Stoff eine TV-Serie zu machen. Die Eckpunkte der Handlung hatte ich deshalb im Vorfeld schon drehbuchartig skizziert, das war hilfreich. Es ist ja wie in einer Sitcom: all diese Freaks ziehen in eine gemeinsame Wohnung über einer Kneipe, reden miteinander, streiten miteinander, machen sich wichtig. Ich wäre überfordert gewesen, mich einerseits um eine literarische Struktur und die Personenentwicklung zu kümmern, und gleichzeitig all die Plotpunkte in der Luft zu halten. WGs sind sowieso interessant. In den meisten Büchern leben die Charaktere alleine, zu zweit oder als Familie. Romane, die in WGs spielen, gibt es ja kaum, das ist wenig beackertes literarisches Terrain.

Wie änderte dieses kammerspielartige Setting Ihre Arbeit?

Der Plot ist ein wichtiges Element, alles steuert ja auf eine Katastrophe zu. Diesen hatte ich aber vorher klar abgesteckt. Daher konnte ich mich verstärkt auf die einzelnen Charaktere konzentrieren, damit diese nicht zu reinen Witzelieferanten, zu stichwortgebenden Pappfiguren verkommen, ist ja dann doch ziemlich komödiantischer Stoff, da muss man dann auf sowas aufpassen.

Auffällig ist, mit wie viel Freude Sie im Buch mit Dialekten spielen. Wie schwer war es für Sie als Bremer den "österreichischen Sound" hinzukriegen?

Als Außenstehender muss man da natürlich sehr vorsichtig sein. Besonders als Piefke, der österreichisch schreibt, …. hui hui hui! Ich habe daher mein Skript von einer geschmackssicheren Freundin aus Österreich gegenlesen lassen. Und wenn die sagte, ich solle doch lieber "16er-Blech" anstatt "Aluweckerl" schreiben – ja, dann mache ich das. Wichtig ist, die Figuren nicht durch Dialekte zu verniedlichen. Dialekte haben nichts Niedliches an sich, sie sind Mittel der Ausgrenzung und der Machtentfaltung.

Ist dies der Grund, warum im Buch manche zwanghaft versuchen, Berlinerisch zu sprechen?

Das Berlinerische ist ja kein Dialekt, den man immer spricht. Niemand kann das. Das wäre selbst für gebürtige Berliner lächerlich und grausam. Es ist ein "Sprachverstärker", um etwas Wichtiges noch einmal zu unterstreichen. Es ist auch eine Methode, sich der Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu versichern.

Es wirkt, als verkörperten die österreichischen Anarchokünstler in "Wiener Straße" widerstreitende Seelen des "homo austriacus": P.Immel, Diktator mit Minderwertigkeitskomplex, und Kacki, der schwermütige Unterwürfige …

… und P.Immel ist sogar ein halber Deutscher. Kommt einem bekannt vor, oder? (lacht) Kacki ist einfach ein liebevoller Charakter, mit dem man sich identifizieren kann. Er hat’s nicht so wirklich mit der Kunst, er will einfach dabei und ein Teil von etwas Großem sein. Er folgt P.Immel durch dick und dünn, irgendwann reicht’s ihm aber dann doch, nur lösen kann er sich von seinen Fesseln nicht. Ob man dies auf "den Österreicher" beziehen kann, weiß ich ehrlich nicht. Diese Sehnsucht nach der Heimat, das kannte ich in West-Berlin auch. Als "Bremer Man" verfällt dann unweigerlich dem Heimweh, den ganzen Klischee-Quatsch inklusive.

Wenn Ihnen – wie in diesem Buch – grandiose, fiktive Bandnamen wie "Raviolisau" einfallen, ärgern Sie sich da, dass die eigene Band "Element of Crime" schon viel zu bekannt ist, um sie noch einmal umzubenennen?

(lacht) Mit so einem furchtbaren Namen kann man doch nur Knödelpunk machen. Und in der Phase bleibt man als Band ja meist nicht lang. Ganz ehrlich: Ich will nicht mit Mitte fünfzig in einer Band spielen, die "Raviolisau" heißt. Wir haben bei "Element of Crime" kurz überlegt, uns umzubenennen, als wir anfingen auf Deutsch zu singen. Wir hatten uns aber bereits zu sehr an den Namen gewöhnt – und es war die richtige Entscheidung.

 

Buch-Kritik

Berlin 1980: Anarchokünstler, ein übereifriger Polizist, ein überforderter Beisl-Besitzer, dazu der junge Frank Lehmann (aus „Herr Lehmann“) – in „Wiener Straße“ entwirft Sven Regener ein skurriles, dialog-getriebenes Panoptikum, das Brachialhumor und leise Verzweiflung elegant balanciert.

Sven Regener: „Wiener Straße“ (Galiani, 304 Seiten, 22,70 Euro)

OÖN Bewertung:

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25  Kommentare
25  Kommentare
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jago (57.723 Kommentare)
am 02.09.2017 21:34

Die Dialekte habe ich auch als Mittel der Ausgrenzung kennengelernt, aber erst bei den Überheblichen, bei den Städtern, bei den Großstädtern.

Als Kind habe ich mich privilegiert gefühlt, Dienstmädchen von weither (aus dem ganen oberen Mühlviertel!!!) als Sprachlehrerinnen zu haben. Diesen großen Radius hatten meine bäuerlichen Freunde und Freundinnen nicht. Später bin ich allerdings drauf gekommen, dass die gar nicht so neugierig waren.

Und ich hatte auch noch das Privileg, Kunden und Monteure von noch viel weiter weg, sogar jiddisch und "belgisch" grinsen am Mühlviertler Tisch meiner Eltern zu erleben.

Die Dialekte der Großstädter sind nicht Mittel, nur herablassende Vehikel zur sowieso gewollten Ausgrenzung.

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jago (57.723 Kommentare)
am 02.09.2017 21:39

Ein Mädchen, das vom Mühlviertel als Dienstmädchen nach Linz gezogen ist, wollte im Sommer, daheim nur mehr Schriftdeutsch sprechen.

Dann ist sie versehentlich auf einen Rechen gestiegen und der Stiel ist ihr ins Gesicht geknallt. Da konnte sie wieder Dialekt:
"DEBBADA RECHA DEBBADA"

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kontrolle (2.691 Kommentare)
am 02.09.2017 20:27

Wenn es euch interessiert:

Für mich überzeugt Gebildeten und Anspruch mit solchen auch zu tun zu haben (gerne andere ausgrenzende, auch wenn die hirnlosen Goodis dann sofort aufschreien, das inkaufgenommen, dass deren Frazen (Kinder) dann auf mich losgelassen werden, dieses kindervernarrte Gsindel), sind

Dialekte der Erkennung, wo der Betroffene herkommt (und ev seinen Nationalismus zu eruieren).

Wobei zusätzlich, mir manche Dialekte gefallen, sie niedlich finde, andere nicht, manche (ein Freund von mir sagte zB) unerotisch: Letzteres meinte er zB wissentlich und erkenntnisreich für mich für den Gzsiberger-Dialekt. So unerotisch, naja, dass er....

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am 04.09.2017 01:11

Gebildete kennen diese beiden musikalischen Literaten... Ist sicher nicht das Hauptanwendungsgebiet dieser elaborierten Sprache.
https://www.youtube.com/watch?v=JBFFTcYJW9o

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am 04.09.2017 01:19

Rede nicht mit bei Dingen, die mit Bildung zu tun haben, yael.
Das ist nicht Dein Metier.

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am 04.09.2017 01:24

Du wirst mir nichts beibringen.

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am 04.09.2017 01:22

Übr Maan und Wible haan in nu uans gfunda, ...
https://www.youtube.com/watch?v=YGNeO_ikYZw

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Einheizer (5.398 Kommentare)
am 02.09.2017 10:26

In Wien und Salzburg wird immer mehr "schön" gesprochen, quasi schönbrunnerisch. Damit kann man sich vom Pöbel abgrenzen, glauben die Snobs in Wien und anderswo .... Speib !!!

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gscheidle (4.099 Kommentare)
am 02.09.2017 16:08

Das "Studentendeutsche", wie sie es meinen, ist tatsächlich zum Speiben.

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jago (57.723 Kommentare)
am 02.09.2017 21:47

Da wäre ich nicht so sicher, was damit gemeint ist.

In den 60er Jahren ist die 68er-Sprache hochgekommen als Herrschaftssprache.

Da sind Vokabel aus der Wirtschaftswissenschaft und aus der Psychologie verballhornt worden und einige andere beinhart umgedreht, zB. hat das "bewusst" das "absichtlich" rückstandslos ersetzt.

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reibungslos (14.490 Kommentare)
am 02.09.2017 09:41

Was wäre die Lösung? Eine zwangsweise verordnete Einheitssprache für die ganze Menschheit? Ein Verbot aller traditionellen kulturellen Errungenschaften (sind meist an die Sprache gekoppelt)?

Das größte kulturelle Problem der Gegenwart ist die Gleichmacherei. Man kann es auch Konformismus nennen. Manche Philosophen sprechen von Entgrenzung.

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Harbachoed-Karl (17.883 Kommentare)
am 02.09.2017 23:13

ist richtig, nur
der Prozess läuft bereits.
den Schnösel im Bericht sollten wir vergessen, der hat nichts damit zu tun.

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am 02.09.2017 09:40

Wie kann einer so töricht sein, die Sprache nicht als Mittel des Zusammen zu sehen? Die Sprache ist Ausdruck der Gedanken. Es ist gut, dass wir die Sprache haben, auch wenn für manch gleiches, unterschiedliche Worte gebraucht werden. Sprache ist ein Teil der Kultur und Kultur grenzt nicht aus, im Gegenteil.

"Das Band der Gesellschaft sind Vernunft und Sprache."
Cicero

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Schilehrersepp (440 Kommentare)
am 02.09.2017 08:36

Wie krank muss man sein, um hinter jedem flatus eine Diskriminierung zu sehen.

Und, den Terminus "niedlich" gibts im Österreichischen eh net, wann bleiben wir endlich vor solchen linken Staatskünstlern verschont.

Er kann eh schreiben wia er si gspia't, owa lossts die normalen Leit damit z'Friedn...

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Stahlstadtkind (765 Kommentare)
am 02.09.2017 09:11

Da hast Du recht.

"Normale" Leute lesen nicht!

Das könnt ja die Intelligenz bereichern.

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am 02.09.2017 09:24

Lesen bereichert die Intelligenz NICHT !
höchstens das Wissen über die Intelligenz -
mancher Poster.

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Harbachoed-Karl (17.883 Kommentare)
am 02.09.2017 08:06

Zu vergessen

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docsockshot (704 Kommentare)
am 02.09.2017 05:27

Dialekte grenzen nicht aus, Dialekte definieren Charakter indem sie Gefühle/Gesinnung mittransportieren.

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kritzelei (1.297 Kommentare)
am 02.09.2017 07:55

Dialekte sind dazu da, daß z.B. ein Weana sich nicht mit einem Xiberger unterhalten kann, also doch ein Mittel zur Ausgrenzung. Wobei da der Vorarlberger de gresserne Maßn håt !

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Harbachoed-Karl (17.883 Kommentare)
am 02.09.2017 08:08

Die einen sprechen fließend eine gemeinsame Sprache und haben sich nichts zu sagen…

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LutherBlissett (24 Kommentare)
am 02.09.2017 08:15

Also müsste nur ein Xiberger lautstark YOLO grölen und schon würde er zumindest die Jugendlichen nicht mehr ausgrenzen, wenn er mit trauriger Miene "ischt g'hörig gsi" sagt, dann trotzig die Faust in die Höhe reckt und wieder von vorne anfängt?

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docsockshot (704 Kommentare)
am 02.09.2017 08:36

Das kann, wenn überhaupt nur für das schweizerische Wallis gelten.

Sonst empfinde Ich einen gepflegten Dialekt als ansolute Bereicherung, ein Fenster in die Persöhnlichkeit.

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am 02.09.2017 09:49

Lustenauereisch: Både håfele låfa; Deutsch: Ein bisserl langsamer gehen!
L: Dachpfådele; D: Dachrinne
L: Höppla; D:Krauthäuptl

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jago (57.723 Kommentare)
am 02.09.2017 21:52

Die Xiberger sind willens, das Wienerische zu VERSTEHEN.
Umgekehrt nicht.


Ich werde das Buch nicht lesen, das ist meine Arroganz dazu. Dadurch erfahre ich aber auch nicht, ob der Satz, den ich grad oben geschrieben habe, ein Plagiat aus dem Buch ist grinsen

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am 04.09.2017 01:36

Alle Österreicher können einander verstehen, wenn sie nur wollten.
Stemmeisen und Zündschnur war mal meine Lieblingsmusikgruppe ...
Wälder kan nid a jeda sinn...

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