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Buchtipp: Auf der Flucht – nur andersherum

Von Klaus Buttinger., 01. September 2018, 00:04 Uhr
Auf der Flucht – nur andersherum
Bild: Weihbold

Stell dir vor, es war Krieg und jeder will fort. Und stell dir vor, der Wahnsinn wäre erst kürzlich in Deutschland passiert – und nicht in Syrien: Torklers fulminanter Was-wäre-wenn-Roman, gelesen von Klaus Buttinger.

 

Ganz Europa will in den Süden, aber nicht, um zu urlauben. "Wenn es gerecht zuginge in der Welt, dann wäre ich schwarz, hätte einen Palast mit drei Karren in der Garage" – so denken die Bewohner von Christian Torklers dystopischem Berlin.

Nachdem ein russischer Kampfpilot die amerikanische Luftbrücke nach Westberlin angegriffen hatte, brach der Krieg erneut aus. So kam es, dass ganz Europa um die Jahrttausendwende in verfeindete Kleinstaaten zerfallen ist, allein Deutschland besteht aus sechs siechen Bantustans.

Die Afrikanische Union hingegen floriert. Viele Europäer versuchen, sich dorthin abzusetzen, etwa die Frau des preußischen Finanzministers: "Sie hatte zwei Koffer voller Geld bei sich, und das war nicht unsere geliebte Neue Reichsmark, nein, das waren Rupies und Afros, harte Währung." Der tüchtige und treuherzige Josua Brenner versucht zunächst, in Berlin zu überleben.

Die Kapitel, die Torkler der metastasierenden Bürokratie oder dem katastrophalen Gesundheitssystem widmet, tun richtig weh. Brenner hält die staatliche und die private Mafia schließlich nicht mehr aus und macht sich auf die lebensgefährliche Reise in den Süden.

Eine Frage der Hoffnung

Nicht nur einmal landet der – wie es heute despektierlich heißt – Wirtschaftsflüchtling im Gefängnis. "Wenn das Gitter vorm Fenster nicht wäre, könnte man glatt glauben, ich hab’s geschafft", seufzt Brenner eines Tages mit Blick aufs Mittelmeer. Ein Gefängnis-Seelsorger besucht ihn, offeriert ihm Hefte und Stifte, und so beginnt die Geschichte. Brenner stellt seinen Erinnerungen eine Erkenntnis voran, die tief wurzelt: "In der Heiligen Schrift heißt es Glaube, Hoffnung, Liebe, aber die Liebe ist die größte unter ihnen, und ich will nicht sagen, dass die Bibel in dieser Sache falsch liegt. Ich finde nur, Hoffnung ist das Wichtigste. Wenn man die erst verliert, kann man sich auch gleich einsargen lassen."

Wenn ein Autor einen großen, humanitären Gedanken hat, garantiert das keine große Literatur. Diesen Vorwurf muss sich Christian Torkler (47) nicht gefallen lassen. Der Theologe und Philosoph ist zwar nicht der Erste, der auf die Idee kommt, den Migrationsvektor umzudrehen; in Österreich war es etwa Klaus Oppitz mit der Satire "Auswandertag", und zuvor schrieb Christian Kracht in "Ich werde bei dir sein im Sonnenschein und im Schatten" eine alternative, umgedrehte Kolonialgeschichte. Torklers Debütroman ist aber nicht nur gut gemeint und gut erfunden, sondern auch gut geschrieben. Er dekliniert seinen Einfall nicht einfach herunter, seine Figuren haben Blut und Persönlichkeit, sie reißen mit.

Dem Autor, der sieben Jahre lang in Tansania lebte, ist ein packender Roman gelungen, ideal – und das ist nicht zynisch gemeint – für Menschen, die aus Solidarität in Griechenland oder Lampedusa Urlaub machen und nach der richtigen Strandlektüre suchen.

Kurz, Söder oder Orbán werden diesen eben erschienenen, großartigen Roman ohnehin nicht lesen. Er könnte ihr Weltbild renovieren.

 

 

Christian Torkler: "Der Platz an der Sonne", Klett-Cotta, 592 Seiten, 25 €

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