Er läuft und läuft und läuft
Klaus Gösweiner will von Graz aus den Dachstein erreichen. Nichts Ungewöhnliches, wären sein Antrieb nicht die eigenen zwei Beine. Gabriel Egger hat mit ihm vor dem Aufbruch in ein großes Abenteuer gesprochen.
Verschneite Stahlseile, der Puls, der gleichsam mit den müden Beinen in die Höhe steigt, Adrenalin und das Gefühl, kurz vor Erreichen der Unendlichkeit zu stehen. Wenn Klaus Gösweiner in den vergangenen Tagen ein Glas Wein trank, waren es die Gedanken an ein Abenteuer und nicht die steirischen Reben, die sein Gesicht zum Strahlen brachten.
Und dennoch haben das Eis des Dachstein-Gletschers und der edle Tropfen einen engen Zusammenhang. Nicht nur, weil sie beide für einen Ausrutscher gut sind. Der 35-Jährige aus Haus im Ennstal (Bezirk Liezen) stellt Körper und Geist seit heute, Samstag, null Uhr, vor eine schwere Prüfung. Die schwerste in seinem Leben.
Von den steirischen Weinbergen will er auf den Gipfel des Dachsteins (2996 m) gelangen. Ohne Auto. Ohne Bahn. Der Antrieb sind Begeisterung und seine zwei Beine. Zumindest war das vor Redaktionsschluss noch sein Plan. Geist und Körper waren willig, nur die Wetterlage schwach.
230 Kilometer auf und ab
Dass mehr als 200 Kilometer zu lange für einen einfachen Tagesausflug sind, dachte sich auch Gösweiner, als ihm vergangenes Jahr zum ersten Mal die Idee zu "Crossing Styria" kam. Ein Lauf, der auf 230 Kilometern und 10.000 Höhenmetern die gesamte Steiermark quert. Darum hat der Extremsportler das gesetzte Zeitlimit auf 40 Stunden nach oben geschraubt.
"Ich wollte als Steirer unbedingt auf das regionale Abenteuer setzen", erklärt Gösweiner das Warum. Vom Grazer Schlossberg läuft er durch das Murtal und über die Berge der Schladminger und Seckauer Tauern bis in seinen Heimatort Haus im Ennstal, wo der letzte, kräftezehrende Anstieg auf den Gipfel des Dachsteins bevorsteht. Schlafen wird er nicht, zu knapp sei der Zeitplan.
Seine Stimme klingt entschlossen. Hört man genau hin, merkt man, dass 700 Trainingsstunden jährlich nicht spurlos an Gösweiner vorbeigehen. Bis zu 25 sind es wöchentlich, die er neben seinem 40-Stunden-Job als Amtsleiter der Gemeinde Haus für sein Projekt absolvierte. Vor drei Jahren hatte der Steirer seine Karriere als Extremsportler eigentlich schon beendet. Dafür gab es drei gute Gründe: Linda (7), Maria (5) und Greta (3). "Du kannst nicht wie wild sporteln, arbeiten, nebenbei Haus bauen und für die Familie da sein. Irgendetwas muss hinten anstehen und da stehen Frau und Kinder im Vordergrund", erzählt der 35-Jährige.
53.300 Kalorien weniger
Nun verbindet er Familie und Sport ganz einfach. Zu Ausflügen läuft er, die Kinder seien selbst bereits sehr aktiv. Nach und nach begann Gösweiner wieder extrem zu werden. Bei "Crossing Styria" werden ihn 24 Sportler, darunter auch Prominente wie Hans Knauß oder Christian Hoffmann, abschnittsweise begleiten. 53.300 Kalorien wird er verlieren – das sind siebeneinhalb Kilo reines Fett. Ernähren wird sich Gösweiner von "Astronautennahrung". Seine Geheimzutat für einen erfolgreichen Zieleinlauf: Bier. "Alkoholfrei natürlich. Um den Geschmack im Mund zu neutralisieren." Wenn Gösweiner nach eineinhalb Tagen das silberne Gipfelkreuz auf dem Dachstein erreicht, stehen erstmal zwei Tage Erholung an. "Und ein bisschen Radfahren werde ich gehen. Die Muskeln muss man schließlich lockern." Am meisten freue er sich, wenn es endlich losgeht. Dann sind es nur mehr 40 Stunden.
Zur Person
Name: Klaus Gösweiner, 35 Jahre alt
Beruf: Amtsleiter der Gemeinde Haus im Ennstal und Extremsportler
Familie: Frau Miriam, Töchter Linda (7), Maria (5), Greta (3)
Internet: www.goesweiner.com