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Hauptsache gesund?

Von Roswitha Fitzinger, 14. November 2020, 00:04 Uhr
Hauptsache gesund?
Bild: colourbox.de

Ein gesundes, langes Leben ist, was wir uns alle wünschen. Gesundheit wünschen wir anderen an Geburtstagen, zum Jahreswechsel, zu Jubiläen und ein "bleib gesund" ersetzt gerade herkömmliche Grußformeln jeglicher Art. Aber was ist Gesundheit überhaupt, und was, wenn sie einem abhandenkommt?

Philosophen, Gelehrte, Dichter, Geistliche, Schriftsteller, Mediziner, Naturkundler – an der Gesundheit haben sich viele von ihnen gedanklich abgearbeitet, angefangen bei den berühmten altgriechischen Philosophen Aristoteles und Platon. Aristoteles etwa befand, dass niemand körperlich ganz gesund sein könne, wenn es ein Teil seines Lebens nicht sei, und sein Schüler verstand die Gesundheit als Harmonie – und zwar zwischen Leib und Seele. Als etwas Verborgenes betrachtete sie hingegen der deutsche Philosoph Hans-Georg Gadamer – er sprach von ihr als "das Schweigen der Organe". Aber ist man bereits gesund, wenn man nicht krank ist oder nicht weiß, dass man krank ist?

Vollständigkeit anstelle von Unwissenheit liegt der Definition der Weltgesundheitsorganisation zugrunde. Die WHO beschreibt Gesundheit als "Zustand vollständigen physischen, psychischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur der Abwesenheit von Krankheit und Schwäche". Gesundheit ist laut WHO aber auch ein Menschenrecht, als solches 1966 von den Vereinten Nationen verabschiedet und von 164 Staaten ratifiziert. Demnach sollte jedem der Zugang zu rechtzeitiger und erschwinglicher Gesundheitsversorgung möglich sein. Ein Recht, das weltweit vielen Menschen verwehrt bleibt. Laut WHO geraten jährlich 100 Millionen Menschen unter die Armutsgrenze, weil sie Gesundheitsleistungen aus eigener Tasche bezahlen müssen, sterben täglich 8000 Kinder unter fünf Jahren an Krankheiten, die durch einfache Behandlungen vermieden oder behandelt werden hätten können.

"Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts" dürfte wohl der am häufigsten zitierte Satz zum Thema sein. Ein Wortspiel, das dem deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer zugeschrieben wird. Ob es wirklich von ihm stammt, wird jedoch angezweifelt, weil es sich in keiner seiner Schriften findet. Vielmehr findet sich in Schopenhauers "Aphorismen zur Lebensweisheit" der Satz: "Die größte aller Torheiten ist, seine Gesundheit aufzuopfern, für was es auch immer sei, für Erwerb, für Beförderung, für Gelehrsamkeit, für Ruhm, geschweige für Wollust und flüchtige Genüsse, vielmehr sollte man ihr alles nachsetzen".

Hauptsache gesund?
Bild: Volker Weihbold

Wie gesund wir sind

Ein weiser Ratschlag, der Verantwortung für die eigene Gesundheit impliziert. Doch was ist sie uns persönlich und als Gesellschaft wert? Wir lassen sie uns zumindest viel kosten. Österreich leistet sich eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt. Mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden für Ärzte, Krankenhäuser und Medikamente ausgegeben. Die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben beliefen sich etwa 2018 auf 3800 Euro, um 1000 Euro mehr als im EU-Schnitt. Aber sind Herr und Frau Österreicher dadurch auch gesünder und leben in der Folge länger? Nicht unbedingt. Die Spanier geben etwa pro Kopf im Schnitt um 1400 Euro weniger aus, leben aber deutlich länger. Rauchen, Alkohol, ungesunde Ernährung, wenig Bewegung sind laut einer OECD-Analyse für ein Viertel der Krankheiten der Österreicher verantwortlich. Eine österreichweite market-Umfrage bestätigt: Knapp drei Viertel der Österreicher fühlen sich nicht völlig gesund, jeder Zweite kämpft mit leichten Beeinträchtigungen wie Nacken-, Rücken- und Bandscheibenproblemen, 44 Prozent mit Übergewicht. Nimmt die Gesundheit ab, sinkt auch die positive Lebenseinstellung, während in der Folge das Bewusstsein, etwas für seine Gesundheit zu tun, wieder steigt, heißt es in besagter Umfrage. Die offenbart übrigens auch ein österreichweites West-Ost-Gefälle. Demnach nehmen Westösterreicher Vorsorgeuntersuchungen, regelmäßigen Sport, Verzicht aufs Rauchen ernster und haben eine positivere Lebenseinstellung als ihre Landsleute im Osten.

Wer mit seinem Körper nicht sorgsam umgeht, ist sich dessen zumeist bewusst. Doch seine Lebensweise zu ändern, ungesundes Verhalten abzulegen, ist alles andere als einfach. Jeder von uns kennt die Stärke des inneren Schweinehundes.

Gesundheit als Wert

Gesundheitscoach Doris Ostermann plädiert dafür, die Gesundheit als "Wert an sich" zu entdecken und nicht als etwas, "was einfach da ist". Werte ließen Menschen etwas tun oder nicht, spielten eine entscheidende Rolle bei einer Veränderung des Lebensstils, so Ostermann, die ihre Klienten ganz konkret aus einer Liste deren acht wichtigste Werte benennen und in eine Rangfolge bringen lässt. Sie fragt, wie bestimmte Werte prozentual im beruflichen und im privaten Bereich gelebt werden, wie hoch das Zeitbudget dafür ist und wie konkrete Inhalte aussehen, wenn dieser Wert gelebt wird. "Durch eine subjektive Skalierung auf der Werteebene erkennt der Klient, wie er Dinge, die ihm wichtig sind, vernachlässigt", so Ostermann. Die Entschlüsselung der inneren Werte und Normen könne zu einer Veränderung des Handelns führen.

Gesundheit als Ware

Unter dem Deckmantel der Gesundheit tarnt sich jedoch auch ein zunehmend in unserer Gesellschaft zu beobachtender Körperkult. Selbstoptimierung scheint das Gebot unserer Zeit zu sein. Bewegung oder sich gesund zu ernähren reicht längst nicht mehr aus. Da werden permanent Schritte gezählt, Herz und Schlafrhythmus überwacht von Apparaturen, die wir an unseren Handgelenken tragen, angepriesen von Vermarktungsprofis, die uns einreden, dass all das nicht nur hip ist, sondern uns auch gesünder werden lässt. Und wir meinen, mitmachen zu müssen, schließlich zählt in unserer Leistungsgesellschaft ausschließlich der gesunde als ein guter Mitarbeiter.

Gesundheit ist längst auch zu einer Ware geworden – mitunter eine unleistbare. Mittels einer Verlosung hat ein Schweizer Pharmakonzern Anfang des Jahres entschieden, welchen 100 Kleinkindern eine 1,9 Millionen teure und lebensrettende Infusion zukommen und sie von einer seltenen Muskelschwundkrankheit heilen soll. Eine "zynische Aktion", befanden Kritiker, während das Unternehmen die Lotterie als "fairste Lösung" rechtfertigte.

Doch nicht immer gibt es ein lebensrettendes Medikament. Was, wenn wir sie loslassen müssen, die Gesundheit? Ist "ohne Gesundheit wirklich alles nichts", wie das viel geäußerte Zitat uns glauben lässt?

 

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Autor
Roswitha Fitzinger

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