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Die Ennsbrücke als Barriere der Angst

Von Josef Achleitner, 02. Mai 2020, 00:04 Uhr
Die Ennsbrücke als Barriere der Angst
Lockerer als die Sowjets, anfangs pochten sie aber auf Entlausung mit DDT. Bild: Museumverein Lauriacum

Der Fluss war ab 1945 zehn Jahre lang die Demarkationslinie zwischen der sowjetischen und der US-amerikanischen Besatzungszone. Vor allem in den ersten Jahren waren Übergriffe und Festnahmen durch die Russen gefürchtet.

Dass die Enns schon seit mehr als 1000 Jahren eine Grenze der Mächte war und hier selbst weit vorpreschende Trupps der Türken Halt machten, beschreibt der Historiker und OÖNachrichten-Kolumnist Roman Sandgruber in seinem landesgeschichtlichen Standardwerk "Wir Oberösterreicher" über den Grenzfluss zu Niederösterreich.

Mit Kriegsende 1945 wurde die Enns zur Trennlinie zwischen sowjetischer und US-Besatzungszone, die die Verbindung zwischen dem Osten und dem Westen des Landes erschwerte und riskant machte. In Enns und dem gleich jenseits der Brücke liegenden, eng mit der alten Stadt verbundenen niederösterreichischen Ennsdorf waren nach heftigen Kämpfen zwischen SS-Einheiten und US-Soldaten die Verhältnisse klar. Die Stadt wurde von US-Truppen kampflos besetzt, in Ennsdorf lösten am 9. Mai russische Soldaten die Amerikaner ab.

Die eigentlich recht unscheinbare Brücke wurde fortan von Menschen in weiten Teilen des wiedererstandenen Österreich als riskante, mitunter sogar lebensgefährliche Barriere inmitten des Landes gefürchtet. Während die US-Soldaten auf ihrer oberösterreichischen Besatzungsseite nur am Anfang sehr genau waren und vor allem auf Entlausung aller aus dem russischen Sektor kommenden Menschen bestanden, waren die Sowjetkontrollen besonders streng und nicht selten willkürlich.

Die Ennsbrücke als Barriere der Angst
Russische Seite: Erleichterung 1948 nur für die erste Österreich-Radrundfahrt Bild: Museumverein Lauriacum

DDT und Grenzstopp für Tote

Der 1999 verstorbene Johann Zauner, Jahrgang 1929, ab 1948 Gemeindebediensteter und später Bürgermeister in Ennsdorf, berichtete im Buch "Zeitzeugen" des verstorbenen langjährigen Ennser Gemeindearztes und Obmanns des Museumsvereins Lauriacum, Herbert Kneifel, dass an der Ennsbrücke auch Schauspielgrößen wie Hans Moser und Theo Lingens zur Entlausung mit DDT mussten.

Auf der anderen Seite ging es bis 1953 weniger harmlos zu. So schrieb Zauner: "Die ersten Toten nach dem Krieg wurden im Wald oder in St. Valentin begraben, weil nicht einmal die Toten die Grenze überqueren durften." Laut Zauner wurde damals ein junger Ennser Priester namens Moser nach einer Krankenölung in Ennsdorf festgenommen und in einem Bunker gefangen gehalten. Zauner holte den Geistlichen heraus. Die Russen hatten einen Moser gesucht und den Ersten dieses Namens eingebunkert. Margarethe Zittmayr, damals zwölf Jahre alt, erzählte für die Ausstellung über diese Zeit, wie sie den Einzug der Russen erlebt hat: "Jetzt fing ein Rennen und Laufen von flüchtenden Soldaten, Zivilpersonen und vielen Frauen über die Brücke an." Ihre Mutter und andere Frauen verbrachten die Nächte in einem Gasthaus, das durch ein rotes Kreuz gekennzeichnet und respektiert wurde. Margarethes elfeinhalbjährige Schulfreundin, deren Mutter und zwei Tanten aber wurden ohne diesen Schutz von Russen vergewaltigt.

Aus Angst arbeiteten Frauen in Männerkleidern auf dem Feld. Margarethe und ihre Schwester kamen bei Verwandten in Enns in Sicherheit. Nach Ennsdorf gelangten sie auf abenteuerliche Weise über die Donau, Mauthausen und mit der Zille zurück, um den Kontrollpunkt zu vermeiden.

Niemand sicher vor Verhaftung

Tausende litten unter den Schikanen. Schnellzüge wurden scharf kontrolliert, oft über lange Zeit. Und es kam, so Zauner, auch vor, dass Soldaten auf der Sowjetseite Gepäckstücke während der Kontrollen aus dem Zug warfen und das Diebesgut dann in ihre Unterkünfte brachten. "Niemand war an der Zonengrenze sicher, ob er nicht von den Sowjets verhaftet würde, egal ob im Zug, im Auto oder zu Fuß", berichteten Zeitzeugen. Nicht selten wurden Mitreisende abgeführt. Manche landeten in russischen Zwangsarbeitslagern, oft für Jahre. Ein Teil der Betroffenen überlebte die Strapazen nicht.

Der Fall Ottillinger

Der spektakulärste Fall einer willkürlichen Verhaftung machte 1948 sogar in der Weltpresse Schlagzeilen. Margarethe Ottillinger, mit ihren 29 Jahren schon Sektionschefin im Ministerium für Wirtschaftsplanung und zuständig für die Gelder des Marshallplans, ging den Sowjets an der Ennsbrücke in die Falle. Sie war auf dem Weg nach Wien, auf dem Schoß eine Aktentasche des Ministers mit Industrieplänen, die den Sowjets unter anderem weniger Stahllieferungen für ihre aus einst deutschem Eigentum beschlagnahmten USIA-Betriebe gebracht hätten. Neben ihr saß ÖVP-Minister Peter Krauland, der nach 15 Minuten weiterfahren durfte.

Die Ennsbrücke als Barriere der Angst
Margarethe Ottillinger bei ihrer Ankunft in Wien nach sieben Jahren Lager. Bild: Museumverein Lauriacum

Margarethe Ottillinger wurde von den Besatzern zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt. Es folgte eine Tortur von sieben Jahren, lange Zeit in einem Sonderlager in der Sowjetunion. Krank kehrte sie 1955 zurück. Das Urteil wegen Spionage wurde aufgehoben. Nachdem sie sich erholt hatte, wurde sie in den Vorstand der ÖMV berufen. Krauland musste 1949 wegen Korruption zurücktreten. Ottillinger warf ihm zeitlebens vor, ihr nicht wirksam geholfen zu haben.

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Josef Achleitner
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mitreden (28.669 Kommentare)
am 02.05.2020 16:59

Wars nicht ähnlich auf der Nibelungenbrücke?

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