Wie Sebastian Kurz den Begriff der "Familie" entstellt
Literaturschiff: Autor Michael Köhlmeier liest heute mit dem Philosophen Konrad Paul Liessmann im Biohof Huber in Sierning.
Schriftsteller Michael Köhlmeier (71) dichtet mythologische Geschichten bis hin zu Märchen neu – und Philosoph Konrad Paul Liessmann (68) begründet deren Relevanz für die Gegenwart. Diesem blendenden Konzept folgen die beiden nun schon in ihrem zweiten gemeinsamen Buch "Der werfe den ersten Stein". Heute (19.30 Uhr) lesen Köhlmeier/Liessmann beim "Literaturschiff" im Biohof Huber zu Gunersdorf in Sierning. Im OÖN-Interview spricht Köhlmeier über diesen literarisch-philosophischen Doppelpass, seine politische Rede vom Mai 2018 und darüber, welches Thema er im Lichte der Regierung ÖVP/Grüne anpacken würde.
OÖNachrichten: Herr Köhlmeier, wie ist es zu diesem Projekt von Konrad Paul Liessmann und Ihnen ursprünglich gekommen?
Michael Köhlmeier: Vor bald 25 Jahren haben Konrad und ich das Philosophicum in Lech am Arlberg gegründet. Inzwischen trifft sich dort immer im September alles, was im deutschsprachigen Raum in der Philosophie Rang und Namen hat. Wir setzen ein Hauptthema, und dazu gibt’s verschiedene Vorträge. Irgendwann hatten Konrad und ich folgende Idee: Machen wir doch ein philosophisch-mythologisches Gespräch. Das heißt: Ich such mir aus der griechischen, nordischen und biblischen Mythologie bis hin zum Märchen drei Geschichten zum Thema aus. Und der Gag ist, dass ich Konrad nicht erzähle, was auf ihn zukommt. Auf der Bühne hat er Zeit zum Überlegen, solange meine Geschichte eben dauert. Und er musste sie dann aus philosophischen Gesichtspunkten interpretieren. An diesen Abenden war die Bude immer voll.
Wie wurden Bücher aus dieser Idee?
Eine Frau vom Hanser Verlag, die zu Gast war, schlug das vor. Aber wir haben gesagt: "Na ja, das Ganze lebt doch von der Spontaneität." Trotzdem haben wir uns überreden lassen und gleich das erste Buch mit dem Titel "Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist, Adam?" gemacht. Das zweite war eben "Der werfe den ersten Stein – mythologisch-philosophische Verdammungen".
Hat Herr Liessmann jemals live auf der Bühne kapituliert?
Nein, ein Konrad Paul Liessmann kapituliert nicht. Das Schöne ist, ihm zuzusehen, wie er denkt. Kleist hat einen Artikel über "Die Entstehung der Gedanken beim Sprechen" geschrieben. Bei Konrad sieht man das sehr gut. Ich weiß dann: Aha, jetzt hat er den Haken. Er ist ein Philosoph antiken Ausmaßes. Damals war es ja so, dass die Philosophen im Hof rundum spaziert sind und ihre Gedanken gehend und sprechend entwickelt haben. Das kann er auch vorzüglich.
Welche mythologische Geschichte fällt Ihnen zur aktuellen politischen Atmosphäre, zu öffentlich gewordenen Chats und zur Kritik der Politik an der Staatsanwaltschaft ein?
Die Geschichte von Othello, die wir aber nicht aus der Sicht Othellos, sondern aus der Sicht des Jago erzählen. Jago ist der Inbegriff des literarischen Intriganten. Konrad Paul Liessmann sagt in diesem Zusammenhang einen sehr schönen Satz: "Die Waffe des Intriganten ist gar nicht die Lüge, sondern die Halbwahrheit."
Im Mai 2018, in Zeiten der ÖVP/FPÖ-Koalition, haben Sie in der Hofburg mit Ihrer Rede "Erwarten Sie nicht, dass ich mich dumm stelle" heftige Debatten ausgelöst. Unter anderem wegen Ihrer Kritik an der Schließung der Fluchtrouten beklagten sich ÖVP und FPÖ. Worüber würden Sie heute angesichts der Koalition ÖVP/Grüne sprechen?
Der Inhalt wäre aus dem Umfeld der Korruption, wobei das ein sehr großes Thema ist. Es gibt eben Leute, die meinen, ihnen gehöre die ganze Welt. Ich erinnere mich an dieses naiv bass erstaunte Gesicht von Thomas Schmid (der zurückgetretene ÖBAG-Chef, Anm.), als man ihm erklärt, dass die Welt nicht ihm gehört. Es ist dieser Glaube daran, du würdest von irgendwoher berufen sein, dass dir das alles gegeben wird – und dann kannst du tun, was du willst. Korruption läuft ja nicht immer nur über Geld …
Inwiefern?
Letztendlich läuft es auf Geld hinaus, aber das war mit der FPÖ irgendwie leichter, weil sie sich ungeschickter angestellt hat. Die pure materielle Geldgier war einfach zu deutlich. Aber es gibt auch die Machtgier, die ja nicht besser ist. Herr Schüssel (2000 bis 2007 Bundeskanzler, Anm.) war sicher nie interessiert, dass er Geld abstaubt. Aber er war an der Macht interessiert. Bei Sebastian Kurz und der "Familie" ist das anders. Jetzt hab ich’s: Ich würde über den Begriff Familie sprechen, und wie nun dieser Begriff entstellt wird.
Welche literarische Herleitung fällt Ihnen dazu ein?
In Shakespeares "Julius Cäsar" hält Antonius eine Rede, in der immer wieder vorkommt: "… aber Brutus ist ein ehrenwerter Mann." Seit dieser Rede sind die Begriffe "ehrenwerter Mann" oder "ehrenwerte Gesellschaft" fast klagenswert. Das ist mit einem Mal negativ besetzt, obwohl der Begriff an sich etwas Positives meint. Shakespeare ist es gelungen, diesen Begriff in einer einzigen Rede umzudrehen. Das war schon bei der Mafia so, aber wir in Österreich sind gerade dabei, dass der Begriff "Familie" eine Bedeutung bekommt, die absolut negativ ist.
Die Corona-Lage entwickelt sich gut, aber wie waren Sie selbst mit der Pandemie konfrontiert?
Unser jüngster Sohn und seine Lebensgefährtin wurden positiv getestet. Beruhigend war, dass sie fast nichts gespürt haben. Dennoch waren sie natürlich drei Wochen in Quarantäne. In dieser Zeit haben sie meine Frau und ich versorgt. So wie sie uns im ersten Lockdown versorgt haben, weil wir die Alten sind, die geschont werden müssen.
Waren Sie ökonomisch beeinträchtigt?
Ich schon, weil ja ein großer Teil des Einkommens von Schriftstellern aus den Honoraren für Lesungen und Vorträgen besteht. Bei meiner Frau Monika (die Schriftstellerin Monika Helfer, Anm.) war’s umgekehrt: Sie hat in dieser Zeit die erfolgreichsten Bücher ihres Lebens ("Die Bagage", "Vati", Anm.) veröffentlicht. Natürlich wäre sie auch gerne herumgezogen, aber bei ihr waren die Einkünfte so gut, dass sie gerne darauf verzichtet hat. Also gemeinsam wäre es vermessen zu sagen, wir hätten wie ganz viele aus dem Kulturbereich Not gelitten.
Info: www.literaturschiff.at
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Naja, ich denke die Wortwahl passt schon so.
Die Corleones im Buch "Der Pate" sind ja auch eine "Familie".
Köhlmeier ist Angehöriger der Kaste der FestspielfestrednerInnen, hard core "Linksliberale", die weder links noch liberal sind, dafür umso präpotenter. Das sage ich als einer, der seit Jahrzehnten Köhlmeiers Geschichten in Ö1 gerne vorgelesen bekommt.
Kein Wunder. Für Sie ist ja auch die NSDAP links.
Ja, Cedric, die NSDAP war die National Sozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Eine Abart von Sozialistinnen und Sozialisten, darunter auch Mörderinnen und Mörder, wie bei den Kommunistinnen und Kommunisten.
Lernen Sie Geschichte, bevor Sie Pree-potent Fehl-Interpretationen liefern. Die NSDAP, von HItler und seinen Gehilfen nicht gegründet, sondern gekapert, vertrat in allem das Gegenteil von Sozialismus. Ihre grössten Widersacher waren Sozialist*innen und Kommunist*innen, sie gehörten auch zu den ersten, die in die KZ kamen (oder gleich ums Leben). Die grössten Freunde der NSDAP waren unter den bürgerlichen Kapitalisten zu finden, die die Partei auch grosszügig finanziell unterstützten; wie sonst hätte HItler seine Wahlkämpfe mit dem Flugzeug absolvieren können?
Dass der genuine Sozialismus kosmopolitisch und streng antinational ist, sei nur am Rande erwähnt.
Si tacuisses ...
@ NACHARBEITER; das ist die Definition, welche heute gerne von Alt- und Neonazis verbreitet wird. Wie alle Botschaften dieser Leute hat sie einen gravierenden Schönheitsfehler, sie ist erstunken und erlogen.
Alleine, dass sie diese widerwärtige Lüge hier verbreiten, sagt zu viel über ihren Charakter aus.
Zur Erinnerung, Sozialisten wurden von den Nazis ins KZ gesteckt!
Es ist bezeichnend, dass FPÖ-affine Personen ihren Widersachern regelmässig "Hass" unterstellen. Das klingt stark nach Projektion ...
Im Ernst: Die FPÖ ist - vorwiegend! . eine rechtsextreme, antidemokratische, antirechtsstaatliche Partei - das ist ein völlig emotionsloses Fazit. Ihr geht es - überwiegend - um Macht und Geld.
Das Bild vom kleinen Köhlmaier mit dem großen Ließmann verführt im Zusammenhang des Titels zur irrigen Annahme, dass der Philosoph die Linie des Literaten teilt. Der Literat ist aber ein hard core FPÖ Hasser und Seenotretter, was der Philosoph überhaupt nicht ist.
Nicht nur der Begriff "Familie", auch die Begriffe "Leistung" oder "Arbeit" wurden durch die Maturball-Bande entstellt.
Und nein, nicht jeder der 2cm links von der fpö steht ist ein Kommunist...
Türkis entstellt alles was nur irgendwie mit Anstand, Leistung, Moral und demokratiepolitischer sowie rechtsstaatlicher Zuverlässigkeit zu tun haben könnte. Der angefachte Wettbewerb öffentlicher Ausschaltung jeglicher moralischer Grundlagen wurde zur politischen Kernkompetenz des Kurz-Regimes.
Erstaunlich bleibt wie gelassen ein Gutteil vorgeblich bieder-konservativen Bürgertums dieser Entwicklung zuschaut und bereitwillig als Sänftenträger agiert.
Und angesichts dieser Tatsache ist es dreist von Kurz, im Zusammenhang von Staatsbürgerschaften für Migranten von "entwerteter" Staatsbürgerschaft zu sprechen. Diese entwerten die Türkisen nämlich selbst gerade (wenn man sich als Österreicher im/vom Ausland fragen lassen muss, was in bei uns los ist.
Es ist amoralischen Menschen zu eigen, Moralbegriffe zur Entwertung anderer heranzuziehen. Es ist bezeichnend, dass Menschen, die sich unsere Republik zu eigen machen wollen, die Staatsbürgerschaft an dieser als "besonders hohe Gut" bezeichnen.
Ich freu mich auf das naiv bass erstaunte Gesicht dem Michael Köhlmeier, wenn im jemand erklärt das sein Linkes Weltbild nicht das einzig gültige ist.
Wenn Künstler ihren Bekanntheitsgrad dazu missbrauchen politische Stimmung zu machen ist dies sehr bedenklich und für mich verwerflich.
Für den Bioblaunen ist alles verwerflich, was sich weltbildtechnisch links von Jinghis Khan outet....
Sehr geehrter Herr Biobauer, könnten Sie Ihren Namen nicht auf "Bäuerchen schlau" ändern. Die Biobauern , die ich bisher kennengelernt habe, waren weltoffene, idealistische, verständnisvolle und nicht nur auf Profit ausgerichtete Menschen. Menschen, die nicht ihre Seele verkauft haben. Ihre Kommentare und Ihr Name passen für mich nicht zusammen. Ich wünsche Ihnen alles Gute.
@Biobau...:
Und Gabalier bezeichnest du dann sicher als "aufrichtigen unpolitischen Österreicher".
Das einfach gestrickte Weltbild eines Türkisen Förderungs-Empfängers.
Die "Familie Kurz" kann einfach kein Vorbild für die Österreicher sein.
Die echte Familie Kurz - die es sicher sehr oft in Österreich gibt - ist ja die Privatsache vom "Basti". Leider ist es ihr nicht gelungen, ihrem Sprössling zu überzeugen, dass gelernt eben gelernt ist und dass man zuerst ein Fundament in Form von Bildung legen sollte.
Die politische Familie Kurz - ein Konstrukt von Emporkömmlingen, Packlern und Studienabbrechern, einfach gesagt die "Maturagang" aus Wien, die gerne cool mit dem Geilmobel durch die Straßen fahren, sind für Österreich einfach nur gefährlich. Kein "Familienbetrieb" würde das Zepter im Unternehmen an eine Generation übergeben, die selber noch nichts geleistet hat. Diese "Nachfolgergeneration" muss sich zuerst im Unternehmen beweisen, bevor man ihr die Verantwortung überträgt. Aber in Österreich kann jedermann entweder Politiker oder Wirt werden. Für alle anderen Berufe braucht man einen "Befähigungsnachweis".
Kunst und Parteipolitik passen schlecht zusammen. Man sollte sich entscheiden.
Für meinen Teil sehr ich das ganz anders und es gibt viele erfolgreiche Beispiele dafür, die das belegen.
@SP...:
Du meinst, weil wortgewandte Künstler den Finger in die Wunde der Politiker legen und rhetorisch erfolgreich kontern können?
Dann hast du dir gerade ein Eigentor geschossen.
Ah. Einen Maulkorb für Künstler wünscht sich der türkise Multinicker auch noch. "Überraschung".
Ich kann mit diesem überschätzten Karrieristen ohne richtigem Beruf auch nichts mehr anfangen, aber diese Schlagzeile scheint mir doch sehr übertrieben.
Ich schätze beide Herren sehr, sie beherrschen ihr Metier und können das auch gut vermitteln. Der Header erfüllt seine Pflicht und lockt uns zum Artikel, übertrieben erscheint er auch mir. "Köhlmeier+Liesmann" hätte das vermutlich mindestens genau so gut geschafft?
@ GLOXNER; es erscheint mir ziemlich sicher, BERGBAUER hat nicht die beiden Herren mit jeweils abgeschlossener Ausbildung gemeint, zumal sie ja in der Überschrift gar nicht vorkommen.
Man muss sie nicht mögen oder ihnen zustimmen, um zuzugestehen, sie haben Intellektuellen Tiefgang. Sie sind damit das absolute Gegenteil von auswendiglernenden Phrasendreschern.
Mein Gott der Köhlmeier schon wieder.
Mit seiner paranoiden "Kurz- Phobie".