Kopfhörer #93: Einmal Mexiko und retour
Calexico zu hören, bedeutet auf Reisen zu gehen. „El Mirandor“ pendelt einmal mehr zwischen USA und Mexiko.
Auf Calexico ist Verlass. Das war schon immer so. Vor fast einem Vierteljahrhundert, als die Herren Joey Burns und John Convertino die Entscheidung trafen, eine Band zu gründen, machten sie schnell deutlich, dass der Kraft akustischer Instrumente ein Zauber innewohnt, dem man sich nur ganz schwer entziehen kann.
Freilich lag das nicht nur an der Wahl der Instrumente, sondern auch am Stil von Calexico, der immer breit gedacht war. Mexikanischer Mariachi, Wüsten-Rock, Folk, Country, lateinamerikanischer Jazz - in der Musik der Band weht seit jeher viel frischer Wind.
Die Musik von Calexico war so immer schon in der Lage, dunkle Wolken mit ein paar Takten Musik auf Dauer zu vertreiben. Wer ihre Songs hörte, fühlte sich schnell besser, begann leicht zu tänzeln und hatte irgendwann dieses Gefühl, dass die Welt so schlecht nicht sein kann.
Ihr zehntes Album „El Mirador“ (City Slang) kommt sicher nicht zum falschen Zeitpunkt. In einer Zeit, da es an so vielen Ecken hakt, die Stimmung im Keller ist, weil die Preise des Lebens in die Höhe schnellen, und bedenkliche Entwicklungen immer mehr werden, lohnt es sich, den permanent schlechten Nachrichten wirksam zu entfliehen. Kopfhörer auf, „El Mirador“ an, Augen schließen und treiben lassen.
Der Titelsong steht gleich am Beginn, im typischen Calexico-Sound, der sich mit einer Leichtigkeit Raum im Gehör- und Denkzentrum verschafft. Der Rhythmus des herrlich entspannten „Cumbia Peninsula“ führt einen durch Gegenden, in denen die Weite sinnbildlich verstanden werden kann, wonach es nicht schadet, seinen Blick weiter zu fassen als bis zum Ende der eigenen Nasenspitze. „El Paso“ klingt, als würde man mit den Männern am Lagerfeuer sitzen, um sich Geschichten erzählen zu lassen, und „The El Burro Song“ fühlt sich an, als wäre man in irgendeiner mexikanischen Kleinstadt, um dort mit Calexico zu feiern.
„El Mirador“ steckt voll wunderbarer Songs, die sich ideal als Urlaubs-Hörlektüre“ eignen, weil man sich so grandios in die Calexico-Welt fallen lassen - und dabei seinen eigenen Gedanken nachhängen kann. Und wer das instrumentale „Turquoise“ aufsaugt, wird spüren, wie intensiv Musik in seiner akustischen Form sein kann.