In der virtuellen Welt wird auch Papa zum Helden
„Die Zauberflöte“ zum Saisonauftakt im Linzer Musiktheater.
Natürlich wartet das Publikum gespannt auf die berühmte Arie der Königin der Nacht – ja, und Mari Moriya lässt ihre wendigen Stimmbänder die messerscharfen Spitzentöne und Koloraturen bravourös tänzeln: sensationell! In der Darstellung aber hätte sie mehr Wut zeigen können – so wie überhaupt dieser „Zauberflöte“ die Leidenschaft ein wenig abhanden gekommen scheint, zu zurückhaltend und zu distanziert agieren die Bühnenfiguren.
Das aber liegt an Regisseur Amon Miyamoto, der viel Respekt vor Mozart zeigt – es ist ja auch keine leichte Aufgabe für einen Japaner, in Mozarts Heimatland zu inszenieren. Grundsätzlich und großteils aber gebührt ihm Anerkennung, die das Premierenpublikum am Ende auch mit üppigem Applaus bekundete.
Miyamoto und Team zeigen, was in diesem Musiktheater an Technologie steckt – mit den von Boris Kudlicka entworfenen Bühnenwänden und den Videos von Bartek Macias gibt es viel zu schauen, wobei die Technik manchmal derart verblüfft, dass Bühnenelemente und dreidimensional wirkende Videobilder ineinander zu verschwimmen scheinen.
Im Rotlicht-Milieu
Miyamoto bringt eine schlüssige Idee zur Verbindung von alter Oper und heutiger Technologie: Zur Ouvertüre lässt er in einem Wohnzimmer den Opa mit drei Enkelsöhnen auftreten, die sich über ein Computerspiel freuen, in dem jeder „Held sein kann“ und „Weisheit, Freundschaft und Liebe“ zu erlernen sei. Als der Vater mit der Nachricht, er sei arbeitslos geworden, heimkommt, beginnt das Spiel im Spiel: Er stürzt sich in den Bildschirm, und schon züngelt dort die riesige, computergenerierte Schlange: „Zu Hilf’!“ eilen ihm drei (stimmlich erfreuliche) Dominas in Lack und Leder.
Vater ist also nun Tamino, und der befindet sich im Zeichentrickfilm-ähnlichen Rotlicht-Milieu: Das passt gut, ist doch auch des Vogelfängers Einstiegslied so zwei- wie vieldeutig, und auch die Königin der Nacht erscheint als Puffmutter, was wiederum passend ist, preist sie gegen Ende sogar die eigene Tochter an...
Diese Sichtweise des Japaners ist humorvoll und stimmig, die Personenführung aber altbacken bis langweilig: Wenn beispielsweise Tamino und Pamina einander ihre Liebe gestehen, singen sie ins Publikum und würdigen einander kaum eines Blickes.
Monostatos (Matthäus Schmidlechner) ist nicht abgründiger Bösewicht, sondern biederer Nachbar von nebenan. Iurie Ciobanu als Tamino bleibt die graue Büro-Maus, stimmlich kraftvoll, aber ohne den Schmelz, in den frau sich sofort verlieben könnte. Die in unschuldiges Weiß gekleidete Pamina von Myung Joo Lee vermag mit zarter Verletzlichkeit in der Stimme zu berühren. Martin Achrainer in der dankbaren Rolle des Papageno gibt diesem sängerisch und schauspielerisch noch mehr Witz, ebenso Elisabeth Breuer als Papagena. Beim Duett der beiden zeigt auch das Videodesign mit blühenden Kirschbäumen, was noch alles an Bildeffekten möglich gewesen wäre. Dominik Nekel als Sarastro könnte noch tiefer und damit angsteinflößender brummen. Die Kostüme von Masamoto Ota sind eine Augenweide: opulente Mischung aus Moderne und japanischer Tradition. Das Bruckner Orchester unter Dennis Russell Davies klang – auch akustisch – perfekt und ging behutsam auf das Sängerteam ein.
Oper: „Die Zauberflöte“ von W.A. Mozart, Musiktheater Linz, Premiere am 14.9.
OÖN Bewertung: