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Die visionäre Installation einer Oper

Von Michael Wruss, 21. September 2015, 00:05 Uhr
Die visionäre Installation einer Oper
Auf stille Weise packend: Robert Wilson erhebt in seiner Inszenierung das Eingefroren-Sein der Emotionen zum ästhetischen Grundprinzip. Bild: Olaf Struck

Dem US-Regieweltstar Robert Wilson gelang mit "La Traviata" im Linzer Musiktheater ein großer Erfolg.

Mit Standing Ovations und lautstarkem Jubel feierte am Samstag das Publikum die Saison-Eröffnungspremiere im Musiktheater, die Giuseppe Verdis "La Traviata" galt. Das Konzept von US-Theaterkünstler Robert Wilson war ursprünglich von Gérard Mortier für das Teatro Real Madrid geplant gewesen, konnte aber nach dessen Tod nicht realisiert werden. Mit der Oper Perm und den Théâtres de la Ville de Luxembourg als Partner konnte Linz somit ein Opernspektakel ersten Ranges an Land ziehen.

Was ist nun das Besondere an Wilsons Deutung? Ganz einfach, dass es sich um keine Deutung, sondern um die Installation einer Oper handelt, die die Musik in den Mittelpunkt rückt und das Eingefroren-Sein der Emotionen zum ästhetischen Grundprinzip erhebt.

Die von ihm entworfene Bühne lebt von nadelförmigen Körpern und abstraktem Gestrüpp, vor allem aber vom Lichtdesign (John Torres), das minutiös auf die Musik reagiert und ungewöhnliche Visionen evoziert – zu sehen gibt es eigentlich nichts. Wilson suggeriert bloß eine Handlung, indem er den Inhalt der Oper nicht bildhaft ablaufen lässt, sondern die Fantasie des Publikums fordert, sich "La Traviata" vorzustellen. Vorzustellen mit all dem Odeur des 19. Jahrhunderts, mit plüschigem Kitsch, mit den heute nicht mehr lebensechten Figuren, deren Schicksal gegenwärtig sein mag, aber deren soziale Stellung nicht mehr existiert.

Die zu späte Erkenntnis

Wilson schränkt den Aktionsradius der Figuren stark ein, lässt sie mit wenigen, intensiv ausgeführten Gesten erstarren. Zwischen diesen fotografisch festgehaltenen Close-ups wechseln die Protagonisten hektisch zuckend ihre Positionen – immer so, dass die handelnden Personen einander weder berühren noch in die Augen sehen. Ein Thema der Oper – und hier gibt es doch Interpretation: man kommuniziert nicht mehr miteinander.

Auch Violetta sowie Vater und Sohn Germont reden aneinander vorbei, der verblasste und doch stets präsente Begriff von Ehre und Familie verhindert eine zielführende Kommunikation – und wenn man das erkennt, ist es zu spät.

Eigentlich ist Wilsons Wunsch, mit inszenatorischem Nichts zum Kern der Musik zu führen, insofern nicht gelungen, als einerseits die Imaginationskraft ständig gefordert ist und andererseits die Musik auf demselben stringenten Niveau hätte ablaufen müssen. Hier hätte man bei allen Qualitäten, die der junge, höchst talentierte Dirigent Daniel Spaw mitbringt, auf einen Pultstar von ebenbürtigem Level setzen müssen.

Spaw gelangen mit dem ordentlich spielenden Bruckner Orchester die lyrischen Aspekte der Partitur herausragend. Aber mit den oft statisch repetierenden Begleitformeln wusste er wenig anzustellen.

Myung Joo Lee war eine beeindruckende Violetta, die zwar im berüchtigten ersten Akt auch an ihre Grenzen stieß, aber speziell im zweiten Akt im Duett mit Vater Germont mit großer emotionaler Bandbreite überzeugte. Seho Chang blieb als Germont stimmlich und optisch unerschütterlich und gewann durch eine dem Konzept folgende Darstellung gewaltiges Profil. Jacques Le Roux war eine Idealbesetzung für den Alfredo und betonte vor allem das Lyrische dieser Partie, ohne in den dramatischen Steigerungen unterzugehen. Das restliche Ensemble, der Chor und die Statisterie waren perfekt in Wilsons Traviata-Vision integriert. Ein großer Erfolg.

Oper: "La Traviata" von Giuseppe Verdi, Regie: Robert Wilson, Linzer Musiktheater, 19. 9.

OÖN Bewertung:

 

„Herrlich beruhigend und langsam“

"Die kühle, nein, die eiskalte Inszenierung gewährleistet, dass man das Schicksal der Hauptfiguren gut nachempfinden kann. Ich bin echt beeindruckt.“
Ines Heck, Reichenau im Mühlkreis

"Das Bühnenbild war diesmal etwas bescheiden, aber sonst hat es mir gut gefallen. Vor allem die bewegende Musik und das Bruckner Orchester waren erstklassig.“
Edith Himmer, Linz

"Es war angenehm anders, die zurückgenommene Bildsprache war ein Genuss.“
Christina Pölzl und Johannes Bauer, aus Klagenfurt und Eggenfelden (D)

"Kein aufgeregter Opernabend, sondern herrlich beruhigend und langsam. Ein wunderbares Erlebnis.“
Margarete Kühner, Ansfelden

"Ich bin fasziniert und entschleunigt. Ich hab’ ,La Traviata’ schon oft gesehen, aber die Musik kam durch diese reduzierte Inszenierung so gut wie noch nie zur Geltung.“
Heidemarie Böhm, Linz

"So wie die SV Ried in der Fußball-Bundesliga zum Glück wieder drei Punkte gemacht hat, hätte sich das Musiktheater mit dieser Inszenierung sechs Punkte verdient.“
Georg Wojak, Braunau

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6  Kommentare
6  Kommentare
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barzahler (7.595 Kommentare)
am 21.09.2015 14:21

Als Nicht-Teilnehmer fällt mir immer öfter auf, dass nur positive Puplumkumsreaktionen den Weg in die Zeitung finden. Der heutige Tag ist mit Grübeln über die Gründe ausgefüllt.

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Biene1 (9.587 Kommentare)
am 21.09.2015 14:27

Als Besucherin kann ich sagen, dass die positiven Puplikumsmeinungen wohl bei weitem überwogen haben, es gab zwar einige wenige Puhrufe, die aufgrund der vielen Bravorufe und den Standingovations aber untergingen ...

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Alcea (10.015 Kommentare)
am 21.09.2015 19:14

Biene,
Schön, deine Publikumsreaktionen zu lesen. Wie war dein Eindruck?

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Alcea (10.015 Kommentare)
am 21.09.2015 10:20

Naja, ich rate allen, sich warm anzuziehen, denn es wird dir kalt. Kalt weil die ganze Inszenierung in kaltem Ton gehalten wird. Kalt, weil nicht viel Wärme vom Stück ausgeht. Aber für ein Provinztheater sicher eine sehr gute Leistung.
Übrigens mein alter: Ich bin- "Reicht ein 36er Film für den Urlaub, oder sollen wir zur Sicherheit noch einen 24er mitnehmen" alt.

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Prof.007 (2 Kommentare)
am 21.09.2015 08:08

…..na ja, a bisserl langweilig war’s schon, was da aus dem Orchestergraben kam – da kann man dem Oberlehrer Wruss nur zustimmen - und es lag sicher nicht am Orchester! Es stellt sich die Frage, warum just bei einer ersten Premiere im Jahr ein (eh recht begabter) „Jungspund“ seine dirigentischen Gehversuche machen muss.

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KurtB (122 Kommentare)
am 21.09.2015 07:25

Lieber Daniel Spaw, nehmen Sie Kritik von Oberlehrer Wruss nicht all zu ernst. Immerhin kann er schon Ihren Namen richtig schreiben. Dass Sie den Sängern bei ihren Einsätzen Luft gelassen haben und damit ein gemeinsames Musizieren von Bühne und Graben ermöglichten … sicherlich ein Grundstein zum Erfolg des Abends, so „nebensächliche Details“ werden von Wruss nicht erkannt und schon gar nicht honoriert.

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