"Captain Marvel": Die Frau, die mit den Fäusten feuert
Brie Larson liefert als Comic-Superheldin solides Popcorn-Kino.
"Du bist zu emotional." Diesen leidigen, falschen Satz hören Frauen oft – auch Captain Marvel.
Die Heldin, die in der Comic-Verfilmung Oscar-Preisträgerin Brie Larson ("Raum") verkörpert, hört ihn sogar in Traum- und Wachzustand. Als Kämpferin, die bald in einem intergalaktischen Weltenkrieg an der Front steht, von ihrem Kommandanten Yon-Rogg (unauffällig: Jude Law). Wenn sie schläft, taucht ein Ex-Kollege auf, der ihr wie eine Top-Gun-Version von Tom Cruise für ganz Arme erklärt, dass sie deshalb nie als Pilotin fliegen wird.
Woher diese Erinnerungsfetzen kommen, kann sich die junge, Vers genannte Frau nicht erklären, der Zuseher genauso wenig. Doch das Regie-Team Anna Boden und Ryan Fleck erledigt seinen Job ganz gut, den Nebel auf der Leinwand zu lichten.
Konsistenz statt Brimborium
"Captain Marvel" dreht sich darum, wie Vers lernt, was ihre Bestimmung ist und warum sie, bevor sie als futuristisch aufgerüstete "Waffe" gegen eine Spezies an Formwandlern antreten sollte, noch Carol hieß. Das große Plus dabei ist der größte Unterschied zu den meisten Comic-Krachern. Statt einen oft ideenlosen, unruhigen, überladenen Mix aus Science-Fiction und Fantasy vorzulegen, der beim Sprung zwischen Comic- und Menschenwelt schlimm stolpert, bietet "Captain Marvel" Konsistenz statt Krachbumm, Erzähllinien statt Lust am Brimborium. Das tut der Geschichte gut, die sich den Vergleich mit "Wonder Woman" gefallen lassen muss, der Konkurrenz des anderen US-Comicverlagsriesen DC. Während Gal Gadot als "Wonder Woman" im Kino aus ihrer antiken Welt nach Europa reist, um den Ersten Weltkrieg zu stoppen, stürzt Carol ins Los Angeles der 1990er, um herauszufinden, was ihre Aufgabe im Großkampf zweier Alien-Spezies ist.
Das Momentum, den "Weltenbrand" zu verhindern, fehlt ihr dabei. Auf ihrer Seite sind aber schöne Nostalgie samt Soundtrack von "Nirvana", "No Doubt" und Diskettenlaufwerken. Und Samuel L. Jackson als trocken-amüsanter Agent Nick Fury. Sie erleben ein Roadmovie durch Raum und Zeit, in dem der Schutz des Alls umso mehr in den Händen der Protagonistin liegt, je mehr sich Vers zur Welt-Schutzheiligen "Captain Marvel" emanzipiert. Besser gesagt, in ihren Fäusten, die gefährliche Energie freigeben, speziell, wenn es in ihr brodelt. Doch diese Figur, mit der Larson das Genre ideal auffüllt, taugt weniger als globales Symbol der Gleichstellung als Wonder Woman.
Sie entwickelt sich nicht über die Art hinaus, die den soliden Popcorn-Kino-Film prägt: eine sehr amerikanische, getrimmt auf Coolness und Perfektion.
"Captain Marvel": USA 2019, 128 Min.,
OÖN Bewertung:
Der Trailer zum Film: