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Oleg Blochin und sein Vorwärts-Gang

Von Christoph Zöpfl, 08. Juni 2012, 00:04 Uhr
Oleg Blochin und sein Vorwärts-Gang
Bild: Archiv

Sportgeschichte: Wie der aktuelle Teamchef der Ukraine nach Steyr kam – die Hintergründe einer Transfer-Sensation.

Eigentlich war die Sache schon gelaufen. Und jetzt findet sich doch keine Lücke im angerosteten Eisernen Vorhang. Eine Transferbombe war gerade dabei, sich in einen Blindgänger zu verwandeln ...

Robert Tichy, ein Manager mit besten Kontakten zu jenen Menschen, die im Kreml in den größeren Büros sitzen, hat sich nämlich gerade eine Abfuhr geholt. Der Manager hatte 1987 den Spitzenklub Dynamo Moskau zum Linzer Fußball-Hallenturnier gelotst und bei dieser Gelegenheit dem damaligen Vorwärts-Steyr-Obmann Alois Radlspäck angeboten, den russischen Mega-Star Oleg Blochin nach Oberösterreich zu transferieren. Dem Sportfunktionär, im Zivilberuf ein Kriminalpolizist, fiel die Kinnlade herunter, ein Steyrer Sponsor machte aber fast reflexartig das Geldtascherl auf und gab Tichy grünes Licht.

Und ein halbes Jahr später, im März 1988, passierte dann das: Die letzte Verhandlungsrunde mit dem russischen Sportminister Vladimir Kokuriw war irgendwie dumm gelaufen, Tichy, der den damals 35-jährigen Blochin in Russland eigentlich nur mehr abholen wollte, fuhr ohne seinen Star zum Flughafen zurück und stand unverrichteter Dinge beim Check-in. Und dann kam ihm der Gedanke, dass er bei der finalen Verhandlung mit den Apparatschiks möglicherweise auf eine Kleinigkeit vergessen haben könnte. Tichy beorderte seinen Mitarbeiter Peter Riepl kurzerhand in den Kreml zurück. Mit auf den Weg gab er dem freiberuflichen Journalisten einen guten Tipp („Wenn sie dich beim Haupteingang hinauswerfen, dann musst du durch den Hintereingang wieder hineingehen“) und eine Handvoll Dollar. Wie dick das Bündel war, will der Herr Riepl inzwischen vergessen haben, aber es wird schon fett genug gewesen sein. Denn die russischen Sportbehörden gaben schließlich grünes Licht für einen Transfer, der für den größten russischen Fußballer der Geschichte um einige Jährchen zu spät gekommen ist.

Blochin sagte immer Njet

Schon zehn Jahre vorher standen die besten Vereine Europas bei Blochin Schlange, um den pfeilschnellen Stürmer unter Vertrag zu bekommen. Da ging es nicht um eine Handvoll Dollar, sondern um einen ganzen Geldspeicher. Aber Blochin sagte immer Njet, mürrisch und nicht ganz freiwillig. „Es hätte nur einen Weg gegeben: vollständig zu emigrieren, meine Familie und meine Eltern zurückzulassen und akzeptieren zu müssen, nie mehr für Dynamo Kiew oder die Nationalmannschaft zu spielen“, sagte Europas Fußballer des Jahres 1975 kürzlich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Blochin blieb, wurde zum russischen Volkshelden, später zu einer Zentralfigur in der Ukraine, die nach einem Seitensprung in das Parlament letztendlich wieder dort gelandet ist, wo sie hingehört: auf dem Fußballplatz. Nachdem er die Nationalmannschaft 2006 bei der WM in Deutschland bis in das Viertelfinale geführt hat, sitzt er jetzt bei der Heim-EM auf der Bank. Der Druck ist enorm, sein Risiko minimal. Blochins Vertrag wurde bereits vor der EURO bis zur WM 2014 verlängert. Bevor man einen Teamchef wie Oleg Blochin rausschmeißt, entlässt man in der Ukraine das komplette Nationalteam.

Und so einer kickte tatsächlich einmal bei Vorwärts Steyr? Ja. 41 Spiele mit neun Blochin-Toren waren es, und hätte der damalige Trainer Peter Barthold seinen Superstar nicht respektlos im Training regelmäßig den Steyrer Damberg hinaufgejagt, dann wäre vielleicht das Engagement in die Verlängerung gegangen.

Nachzutragen wäre noch der fliegende Wechsel von Blochin und Riepl von Russland nach Oberösterreich, als Moskau im März 1988 doch noch den Transfer erlaubte. Gefeiert hat man den Deal bereits im Kreml. Der Wodka wurde aus unverdächtigen Kaffeehäferln getrunken. In einer Militärmaschine ging es später über Budapest nach Österreich. Blochin landete mit Riepl in Wien, mit dem Auto ging es nach Steyr weiter. Dort hatte zuvor die Feuerwehr den Sportplatz nach leichten Regenfällen unter Wasser gesetzt, um eine Verschiebung des Spiels gegen den LASK zu erzwingen. So kam es am 27. März 1988 zum Blochin-Debüt auf dem Vorwärts-Platz. Das Match endete vor 5000 Zuschauern 0:0. Blochin spielte mit schweren Beinen. Lag es an den Reisestrapazen oder hatte er ein Kaffeehäferl Wodka zu viel gebechert? Man wird es nie erfahren ...

Nur eines ist klar: Der Glauben an die Objektivität der West-Presse ist Oleg Blochin spätestens auf seinem Weg von Moskau nach Steyr verloren gegangen. Der Süddeutschen Zeitung erklärte Blochin sein (angespanntes) Verhältnis zu den Medien so: „Ich habe einfach schon zu viele falsche Sachen gelesen. Als ich Ende der Achtziger nach meiner Zeit bei Dynamo Kiew nach Österreich zu Vorwärts Steyr gewechselt bin, haben Journalisten geschrieben, dass ich mit einem Hubschrauber vom Typ Mi26 nach Steyr geflogen bin . . . Ich kam mit dem Auto.“

Jetzt kann man es ja verraten: Peter Riepl hatte damals bewusst falsche Informationen gestreut, um eine kleinformatige Tageszeitung bei der Jagd nach exklusiven Fotos auf eine falsche Fährte zu locken. Diese hatte nämlich behauptet, der Blochin-Transfer nach Steyr wäre ein Hirngespinst, mit dem ein paar Wichtigtuer den Fußball-Fans einen russischen Bären aufbinden wollten ...

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