Schach in Zeiten der Corona-Krise
JEKATERINBURG. Wie acht Großmeister beim Kandidatenturnier den Ausnahmefall meistern.
Der Profi-Sport hat in den vergangenen Wochen eine Vollbremsung hingelegt. Abgesehen von wenigen Zonen totaler Ignoranz – in Weißrussland hat die Fußball-Liga mit dem "Segen" des allmächtigen Präsidenten Alexander Lukaschenko gerade ihren Spielbetrieb gestartet – stehen die (Stopp-)Uhren still. Die Ausnahme der Regel ist das WM-Kandidatenturnier mit acht Schach-Großmeistern, das gerade im Hyatt-Regency-Hotel von Jekaterinburg läuft. Hier wird zur Freude der Schachfreunde seit Tagen ganz großer (Denk-) Sport geboten.
Russland ist nicht Weißrussland, daher hat man das Turnier-Umfeld schon so gestaltet, dass das Virus keinen Teilnehmer so schnell mattsetzen kann. Im Zimmer 708 wurde eine Ambulanz eingerichtet, in der die Gesundheit der Spieler täglich zweimal gecheckt wird. Das obere Limit beim Fiebermessen beträgt 37,1 Grad. Einige Großmeister haben es zwar kritisiert, dass der Schach-Weltverband FIDE das Turnier durchzieht, aber nur Teimour Radjabov aus Aserbaidschan hat seine Teilnahme abgesagt. Alle anderen spielen seit 17. März um das Recht, Ende des Jahres Norwegens Weltmeister Magnus Carlsen herauszufordern. Am 4. April wird feststehen, wer das sein wird.
Nach sechs von 14 Runden gab es gestern in Jekaterinburg einen Rasttag für die Großmeister und lange Gesichter bei den Beobachtern. Dass der Russe Jan Nepomnjaschtschi das Turnier dominiert, hatte man nicht erwartet. Nach seinem Sieg in der sechsten Runde am Montag gegen den Chinesen Ding Liren hat der 29-jährige Großmeister 4,5 Punkte auf dem Konto und schon einen Zähler Vorsprung auf den Rest des Feldes. Heute kommt es zum Top-Duell von Nepomnjaschtschi gegen seinen schärfsten Verfolger, den Franzosen Maxime Vachier-Lagrave. Vorausgesetzt, beide fiebern dem Spiel nicht zu sehr entgegen und bestehen den Fitnesstest im Zimmer 708. (chz)