Brüssel stoppt EU-Volksbegehren gegen Atomkraft
BRÜSSEL. Das europaweite Volksbegehren gegen Atomkraft ist gestoppt: In der Nacht auf Freitag, genau zwei Monate nach der Einreichung, erklärte es die EU-Kommission für unzulässig.
Bei der ersten möglichen Gelegenheit, am 1. April, hatte die Umweltorganisation Global 2000 in Österreich, unterstützt von Partnern aus zwölf EU-Mitgliedsstaaten, ihre EU-Bürgerinitiative „Meine Stimme gegen Atomkraft“ bei der Kommission in Brüssel eingereicht. Die Forderungen umfassten neun Punkte, von Senkung des Energieverbrauchs (EU-Ziel) bis zum Umstieg auf erneuerbare Energie.
Ablehnung wegen Euratom
Ihre Ablehnung stützte die Kommission allerdings auf die wesentlichen Forderungen eins bis drei, die lauten: 62 Hochrisiko-Reaktoren in der EU müssten sofort abgeschaltet werden, für die weiteren 71 Atomkraftwerke müsse es Ausstiegspläne bis spätestens 2050 geben, die AKW-Betreiber müssten für die Endlagerung des Atommülls voll finanziell aufkommen.
Für diese Punkte erklärte sich die Kommission nicht zuständig. Begründung: „Europäisches Primärrecht“ werde berührt. Dabei gehe es um die Zuständigkeit der Nationalstaaten für Bau oder Schließung von Atomkraftwerken und um Festlegungen im Euratom-Vertrag, obwohl dieser im Begehrenstext nicht erwähnt wird.
„Das ist ein Fehlstart für die neu geschaffene Möglichkeit für direkte Demokratie“, kritisiert Global 2000-Geschäftsführer Klaus Kastenhofer. Die Begründung der Kommission wertet die Umweltorganisation auch als „inhaltlich falsch“: „Das Volksbegehren verlangt von der Kommission die Entwicklung von Szenarien, um Europas gefährliche Atomkraftwerke schließen zu können. Es geht um Prinzipien des Umweltschutzes und der Grundrechte. Das ist im Lissabon-Vertrag geregelt“, so Kastenhofer. Die Kommission mache es sich leicht, sich für unzuständig zu erklären.
Kritik kommt auch von den Grünen, die das EU-Volksbegehren unterstützen: „Offenbar haben sich in der Kommission die EU-Hardliner durchgesetzt“, sagt Umweltlandesrat Rudi Anschober.
Aufgeben wollen die Initiatoren nicht: Man werde die drei Punkte neu formulieren und erneut einreichen, kündigt Global 2000 an. In Brüssel war man am Freitag zumindest um „Schadensbegrenzung“ bemüht, weil man nicht den Eindruck erwecken wolle, Brüssel verweigere den Atomgegnern ein Volksbegehren. Bei Global 2000 ist man deshalb „optimistisch“, dass der neu formulierte Antrag durchgeht. (bock)
Europäische Bürgerinitiative („EU-Volksbegehren“)
Start: EU-Bürgerinitiativen (ECI) sind seit dem 1. April 2012 möglich (verankert im Lissabon-Vertrag). Um eine ECI zu starten, muss zunächst ein Bürgerausschuss mit zumindest sieben Proponenten aus zumindest sieben Mitgliedsstaaten gebildet werden. Diese können eine ECI bei der EU-Kommission in Brüssel einreichen.
Verlauf: Die Kommission entscheidet über die Zulässigkeit – wenn positiv, können zwölf Monate lang EU-weit Unterschriften gesammelt werden. Für jedes Land gilt eine Mindestzahl nötiger Unterschriften.
Ergebnis: Ab einer Million Unterschriften muss sich die Kommission mit der ECI befassen.