Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Biden nennt Armenier-Massaker "Völkermord" - Türkei empört

Von nachrichten.at/apa, 25. April 2021, 12:30 Uhr
GREECE-ARMENIA-GENOCIDE
Zwischen 1915 und 1918 sind im damaligen Osmanischen Reich bis zu 1,5 Millionen Angehörige christlicher Minderheiten ermordet worden. Bild: SAKIS MITROLIDIS (AFP)

WASHINGTON/ANKARA. US-Präsident Joe Biden hat das Massaker an den christlichen Armeniern von 1915 ausdrücklich als "Völkermord" bezeichnet. Die Türkei, die es bis heute ablehnt, das Geschehen als Völkermord anzuerkennen, wies Bidens Erklärung empört zurück.

Jedes Jahr erinnern wir an diesem Tag an all jene, die beim Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich starben, und verpflichten uns erneut zu verhindern, dass sich eine solche Gräueltat jemals wiederholt", heißt es in einer am Samstag veröffentlichten Erklärung des US-Präsidenten. Es handele sich um die Bestätigung einer historischen Tatsache und gehe nicht darum, der Türkei "Vorwürfe zu machen", betonte Biden am 106. Jahrestag des Massakers. Nach US-Medienberichten hatte zuvor bereits Präsident Ronald Reagan 1981 das Wort "Völkermord" verwendet, seine Nachfolger allerdings nicht mehr.

Die Türkei, die es bis heute ablehnt, das Geschehen als Völkermord anzuerkennen, wies Bidens Erklärung empört zurück. Außenminister Mevlut Cavusoglu twitterte am Samstag: "Wir werden von niemandem Unterricht zu unserer Geschichte nehmen." Darüber hinaus bestellte das Außenministerium den US-Botschafter ein, um ihm Ankaras "starke Reaktion" zu übermitteln. Bidens Äußerungen hätten "eine Wunde" in die Beziehungen beider Länder geschlagen, "die schwer wieder gut zu machen" sei, kritisierte das Ministerium laut türkischen Medien.

Am Samstag erinnerten Vertreter der katholischen Kirche an das Massaker. Kurienkardinal Leonardo Sandri sprach anlässlich des Gedenktags im Päpstlichen Armenischen Kolleg in Rom von einem "Schandfleck in der Geschichte der Menschheit" und "systematisch geplantem Leid". Dennoch hätten die Armenier den "Schatz des Glaubens" nicht verloren, so der Präfekt der Ostkirchen-Kongregation. Der Völkermord von damals "zwingt uns jeden Tag, uns mit der Frage des Bösen in der Menschheitsgeschichte" auseinanderzusetzen, sagte Sandri.

Erster Völkermord des 20. Jahrhunderts

Zwischen 1915 und 1918 waren im damaligen Osmanischen Reich bis zu 1,5 Millionen Angehörige christlicher Minderheiten ermordet worden. Während Historiker vom "ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts" sprechen, räumt die Türkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reichs lediglich Massenvertreibungen und gewalttätige Auseinandersetzungen mit mehreren Hunderttausend Toten ein.

Begonnen hatten die Ereignisse am 24. April 1915 mit der Verhaftung von 235 armenischen Intellektuellen in Istanbul. Im von Krisen geschüttelten Osmanischen Reich bildeten die Armenier um 1900 eine autonome Gemeinde mit eingeschränkten Rechten. Erfolge in Landwirtschaft, Handwerk und Finanzwesen weckten Neid. Für viele Türken waren die unter westlichem Schutz stehenden Christen Schuld am Siechtum des Reiches.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu Pogromen. Allein die Massaker von 1894 bis 1896 hinterließen zwischen 50.000 und 300.000 Tote. Als zwischen 1909 und 1912 auch die Balkanvölker auf Unabhängigkeit von den Türken drängten oder von den Großmächten annektiert wurden, spitzte sich die Situation zu: Die 1908 an die Macht gekommenen Jungtürken zielten auf ein einheitliches Reich, wollten Türkisch und den Islam als alleinige Basis durchsetzen.

Der Erste Weltkrieg lieferte die Gelegenheit, dieses Konzept umzusetzen. Auf Befehl des Innenministeriums wurde die Elite der Armenier zu Tausenden verhaftet und meist ohne Prozess hingerichtet. Zehntausende starben auf Todesmärschen.

Der Widerstand einer kleinen Gruppe ging in die Literaturgeschichte ein: In seinem Erfolgsroman "Die vierzig Tage des Musa Dagh" schilderte Franz Werfel, wie sich im Herbst 1915 mehrere tausend Armenier am 1.700 Meter hohen Mosesberg verschanzten. Kurz bevor sie aufgeben mussten, wurden sie von einem französischen und einem britischen Kriegsschiff gerettet.

Die Gewalttaten hatten ein Nachspiel, das Rechtsgeschichte schrieb: Nach dem Krieg drängten die westlichen Siegerstaaten erstmals auf Kriegsverbrecherprozesse. Ein türkisch besetztes Kriegsgericht in Istanbul stellte fest, dass die Verbrechen zentral vorbereitet wurden, und verurteilte 17 Angeklagte zum Tode. Die Haupttäter flohen, wurden aber zum Teil von armenischen Attentätern ermordet.

Streit um Einordnung

Die historische Einordnung hat seitdem immer wieder zu massivem Streit geführt. Bereits 2019 hat der US-Kongress die Massaker als Völkermord anerkannt. Die Regierung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump betonte anschließend, die rechtlich nicht bindende Resolution ändere nichts an der Haltung der US-Regierung. Biden-Vorgänger Trump hatte "von einer der schlimmsten Massen-Gräueltaten des 20. Jahrhunderts" gesprochen, das Wort Völkermord aber - wie andere US-Präsidenten auch - vermieden.

Eine klare Position hat Papst Franziskus bezogen. In einem Gottesdienst zum 100. Jahrestag des Beginns der Armenier-Verfolgung im April 2015 bezeichnete er die Ereignisse als "ersten Genozid des 20. Jahrhunderts". Und mahnte die Türkei, die Erinnerung an den Völkermord zu pflegen: "Wo es keine Erinnerung gibt, hält das Böse die Wunde weiter offen", so Franziskus.

mehr aus Weltspiegel

Tote im Kofferraum in Tiefgarage in Bayern entdeckt

Hatte keinen Ausweis dabei: Boris Johnson in Wahllokal abgewiesen

Gemeinde auf Sardinien erlaubt Hochzeiten für Nudisten

Schwere Überschwemmungen in Brasilien: Zahl der Toten steigt auf 39

Interessieren Sie sich für dieses Thema?

Mit einem Klick auf das “Merken”-Symbol fügen Sie ein Thema zu Ihrer Merkliste hinzu. Klicken Sie auf den Begriff, um alle Artikel zu einem Thema zu sehen.

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

5  Kommentare
5  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
( Kommentare)
am 25.04.2021 16:14

Abgesehen davon, dass die Morde der Türken zu verurteilen sind, erdreist sich ausgerechnet der größte Kriegstreiber und Missachter der Menschenrechte, einen anderen Staat zu verurteilen. Wenn das nicht arrogant und heuchlerisch ist? Der Völkermord an den indigenen Völkern Nordamerikas und Mexikos zählt anscheinend für diese Hypokriten nicht.

lädt ...
melden
antworten
gent (3.909 Kommentare)
am 25.04.2021 13:11

Gefällt mir, die ehrliche und mutige Aussage des Herrn Biden! Wird Zeit, dass jemand dem Sultan die Stirn bietet; Europa ist dazu eh zu feig.

lädt ...
melden
antworten
barzahler (7.595 Kommentare)
am 25.04.2021 17:39

Haderer an die Macht - am Samstag hat er eine Chance gezeigt! Frech, aber wahr!

lädt ...
melden
antworten
haliblau (3.764 Kommentare)
am 25.04.2021 12:56

Recht so!! 👍👍👍👍👍👍🇺🇸🇺🇸🇺🇸🇺🇸🇺🇸🇺🇸

lädt ...
melden
antworten
Emanzze (1.961 Kommentare)
am 25.04.2021 12:53

Das war der Welt nach Kriegsende bekannt - und es wurde auch bestätigt!

Dieser narrische ErdoWahn soll mal Geschichte lernen, für sein eigenes Land ist er eh dumm genug!

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen