Knickse und Knacks
Auf dem Opernball pflegt die Republik noch ihre kaiserlichen Traditionen. Dabei war der Kaiser kein einziges Mal dort.
Ein langer Fasching geht zu Ende. Auch der Opernball ist durchgestanden, wo noch ein altertümlicher Dresscode befolgt werden muss, der im gesellschaftlichen Alltag, aber auch im politischen Verkehr längst einer lässigen, freizeitlichen Beliebigkeit zum Opfer gefallen ist. Auf dem Opernball ist nicht nur der offene Hemdkragen zu revolutionär, sondern auch die Krawatte viel zu fortschrittlich, und hier zwängt sich auch der jugendliche Bundeskanzler in Kleidungsstücke, die für eine Zeit und ein Lebensgefühl geschaffen wurden, als der "Embonpoint", das wohlgefüllte Bäuchlein, noch als Wohlstandssignal galt.
Dass Jeans und T-Shirts beim Ball im Schrank bleiben müssen, mag man ja noch verstehen. Aber dass auch die teure Markenuhr, die sonst am Handgelenk hervorblitzen würde, tabu ist und man stattdessen eine altertümliche Taschenuhr im Sack verschwinden lassen muss, mag für manche Bobos bitter sein. Aber immerhin: Die Orden und Ordensschleifen können nirgendwo sonst so stilgerecht zur Schau gestellt werden.
Anders als für die Männer, denen eine fast 200 Jahre alte, streng normierte Verkleidung aufgezwungen wird, gilt für die Damen das ungeschriebene Gesetz, die Öffentlichkeit mit immer neuen, möglichst extravaganten Kleidern zu überraschen. Stellvertretender demonstrativer Konsum eben. Dafür bedanken sich die Damen bei der Herrenwelt mit artigen Verbeugungen, bei denen noch jene Knickse vollführt werden müssen, die der Außenministerin bei anderen Anlässen viel Spott und hämische Nachrede bringen würden. Gut, dass Putin nicht unter den Ballgästen war!
"Dir, Mädel, sag ich, lass die Knickse bleiben", hätte der gute alte Aufklärer Gotthold Ephraim Lessing den Debütantinnen wohl zugerufen. Der Knicks, der ihnen für den Opernball von bemühten Tanzmeistern eingeübt wird, ist ein Relikt jener Unterwerfungsgesten, die für Gläubige in der Kirche, für Untertanen vor dem Kaiser und für Frauen gegenüber ihren Familienoberhäuptern einst üblich waren.
Auf dem Opernball pflegt die Republik noch ihre kaiserlichen Traditionen. Dabei war der Kaiser kein einziges Mal dort. Seine Bälle waren der Hofball und der Ball bei Hof, wo man ganz unter sich war und nur etwa 700 Personen von höchstem Adel mit höchsten Orden Zutritt hatten. Als die Republik in die Hofburg und in die Hofoper einzog, übte man sich umso mehr in kaiserlicher Nostalgie.
Ob die Knickse heuer tiefer als früher, die Frackträger jugendlicher als in anderen Jahren und die Stimmung weniger steif als die Kleidung waren, mögen die Hofberichterstatter beurteilen. Das Fernsehvolk jedenfalls freut sich über den Aufmarsch. Ist ja Fasching! Und zukünftig kann jedermann den Opernball auch zum persönlichen Feiertag erklären.
Roman Sandgruber ist emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz.
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