Ischgl-Kommission: "Folgenschwere Fehleinschätzungen"
INNSBRUCK / ISCHGL. Skilifte und Après-Ski-Lokale hätten um Tage früher gesperrt werden müssen – Ischgls Bürgermeister verzögerte Schließung
53 Auskunftspersonen, 5700 Aktenseiten. Bereits das Arbeitspensum, das die Expertenkommission rund um den ehemaligen Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes, Ronald Rohrer, in den vergangenen Wochen bewältigt hat, lässt die Komplexität des Falles Ischgls erahnen.
Etwas mehr als eine Stunde lang fasste Rohrer gestern im Haus der Musik in Innsbruck die ersten Tage der Corona-Pandemie in Österreich zusammen. Er könne "kein Versagen" der Behörden ausmachen, jedoch sei es zu "folgenschweren Fehleinschätzungen" gekommen.
Nach Ansicht der Experten war es ein Fehler, den Skibetrieb in Ischgl noch bis zum 14. März aufrechtzuerhalten. Nachdem am 5. März die Infektionen mehrerer Isländer und am 7. März jene eines norwegischen Kellners in der Après-Ski-Bar "Kitzloch" bekannt geworden waren, hätte im Laufe des 9. März die Schließung des Seilbahnbetriebs und aller Après-Ski-Lokale sowie "die Untersagung von Menschenansammlungen verordnet werden müssen", führte Rohrer aus.
Überfüllte Lokale
Die "Besonderheit" der Virenübertragung in diesen Lokalen sei für die Verantwortlichen "klar erkennbar" gewesen, sagte Rohrer und brachte ein anschauliches Beispiel, wie überfüllt die Lokale an den fraglichen Abenden waren: "Die Kellner mussten sich mit Trillerpfeifen ihren Weg durch die Gäste bahnen."
Ein klares Fehlverhalten sieht Rohrer bei Ischgls Bürgermeister Werner Kurz. Dieser hätte am 12. März, nachdem Landeshauptmann Günther Platter (VP) die Einstellung des Skibetriebs verkündet hatte, sofort die Verordnung an der Amtstafel kundmachen müssen. Weil er dies erst am 14. März tat, habe er gegen die Gemeindeverordnung verstoßen. Damit wurde der Skibetrieb noch länger aufrechterhalten. Die Kommission brachte deswegen eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft ein.
Die auch die medial viel diskutierten Presseaussendungen des Landes Tirol, in denen einerseits erklärt worden war, dass sich die isländischen Gäste im Flugzeug angesteckt hätten und dass eine Übertragung des Virus auf die Gäste im "Kitzloch" eher unwahrscheinlich sei, waren "schlecht und falsch", sagte Rohrer.
Kritik am Bundeskanzler
Überraschend harsche Kritik übte Rohrer an der Rolle der Bundesregierung. Besonders die Vorgehensweise von Bundeskanzler Sebastian Kurz (VP), der am 13. März verkündete, dass das Paznauntal und St. Anton am Arlberg unter Quarantäne gestellt werden, war für Rohrer unverständlich.
Die Ankündigung sei "überraschend, ohne unmittelbare Zuständigkeit und ohne substanzielle Vorbereitung" geschehen. Die Bezirkshauptmannschaft Landeck sei nicht miteinbezogen worden. Dadurch sei es zu "Panikreaktionen von Gästen und Mitarbeitern" gekommen, die überstürzt abreisten. Es wäre "hilfreich" gewesen, wenn der Kanzler oder die Behörde die betroffenen Gäste informiert hätte, dass eine Abreise über das ganze Wochenende verteilt stattfinden hätte können.
Chaotische Szenen
Nach der Ankündigung des Kanzlers war es in den betroffenen Gemeinden zu chaotischen Szenen gekommen, schilderte Rohrer. Gäste seien mit den Skischuhen an den Füßen in ihre Autos gesprungen und losgefahren. Leihski wurden einfach an Ort und Stelle liegen gelassen.
Kritik gab es auch für das Gesundheitsministerium: Dieses habe den überarbeiteten Pandemieplan nicht veröffentlicht – das veraltete Epidemiegesetz sei für diese Situation nicht geeignet gewesen. Die BH sei dadurch "in ihrer Entscheidungsfindung nicht unterstützt" worden.
Landesrat Tilg kaum Thema
Der in den vergangenen Monaten stark kritisierte Tiroler Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (VP) spielte bei der Präsentation des Berichts eine unerwartet geringe Rolle. Tilg hatte unter Zustimmung des Landeshauptmannes seine Zuständigkeit für den Vollzug des Epidemiegesetzes gar nicht wahrgenommen, sondern an Landesamtsdirektor Herbert Forster übertragen. Dieser sei "mit Verantwortung überfrachtet" worden. Diese Änderung der Geschäftsverteilung sei ohne Verordnungsänderung nicht zulässig gewesen und es seien "unklare Strukturen" geschaffen worden.
Die Präsentation des Berichts nutzte die Tiroler Opposition, um ihre Kritik am Krisenmanagement zu erneuern. Dieses habe "von Beginn an auf allen Ebenen, angefangen bei Bund über Land bis hin zur Gemeinde, komplett versagt", sagte Neos-Klubobmann Dominik Oberhofer.
SP-Gesundheitssprecher Philip Kucher fordert von "Kanzler Kurz, Gesundheitsminister Anschober und Landeshauptmann Platter, die politische Verantwortung für dieses Desaster wahrzunehmen".
Für FP-Abgeordneten Michael Schnedlitz zeigt der Kommissionsbericht "das Missmanagement der Tiroler Gesundheitsbehörde und der verantwortlichen schwarz-grünen Bundesregierung".
Weniger kritisch interpretiere naturgemäß VP-Klubobmann Jakob Wolf den Expertenbericht. Dieser würde endlich "mit kursierenden Verschwörungstheorien aufräumen".
Die Kommission
Am 13. Mai einigte sich der Tiroler Landtag nach längerem politischen Hickhack darauf, eine Expertenkommission mit der Aufarbeitung des viel kritisierten Krisenmanagements zu beauftragen.
Ex-OGH-Vizepräsident Ronald Rohrer übernahm die Leitung des Gremiums. Zuvor hatte Strafrichter Josef Geisler die Leitung der Kommission abgelehnt.
Als Verfahrensrichter hatte Rohrer in der Vergangenheit bereits für den Eurofighter-Untersuchungsausschuss verantwortlich gezeichnet.
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Das ist ja furchtbar, was die nachrichten da treiben. Hinterher weiß man es immer besser. Ein Durcheinander, das aus einer bisher unbekannten Herausforderung entsteht, ist verzeihlich. Muss es auch sein, da niemand den Überblick haben kann.
Die Reaktionen bestätigen den Mangel an FEHLERKULTUR!
Bide, wos is des und za wos braucht mas?!?!
Ich verstehe, dass man die Entscheidung, das Problem so lange als möglich auszusitzen, getroffen hat. Die Gier nach Kohle lässt den Menschen eben für mögliche negative Konsequenzen blind werden.
Wo ist der Skandal?
Mit dem Wissensstand von heute schätzt man die Lage von damals anders ein. Nona.
Und schliesslich war Bundeskanzler Kurz gar nicht rechtlich befugt gewesen, die Quarantäne über Ischgl auszurufen. Das hätte die Bezirkshauptmannschaft erledigen müssen.
... darum hat es ja eine Woche !!! zuvor diese Aufforderung an die BH's gegeben!
Hinterher ist man immer klüger.
Wer hätte auch Anfang März ahnen können, dass Corona zum Thema des Jahres wird?
Jetzt, wo sich jeder Zweite einbildet, Covidexperte zu sein, ist leicht reden. Besonders die Opposition besteht nur aus Virologen, scheints.
naja, Fakt ist, dass die Ischgl-G'schicht NACH der italienischen Misere war, nach der Diskussion ob man den Brenner schließen soll ...
d.h. 'Gefährlichkeiten' konnte man sehr wohl damals abschätzen, auch gab es eine Woche !!! vorher Warnungen aus Holland an unseren Krankheitsminister ...
aber Strafanzeigen gegen unsere Regierung wurden und werden von unseren Staatsanwaltschaften NICHT zugelassen und so köchelt alles seit einem halben Jahr im Hintergrund, Medien sollen darüber nicht berichten! - das bitte ist kein Fake!
die Taktik der Politiker: möglichst lange hinauszögern, bis sich kaum wer daran erinnern kann, wie es sich wirklich zugetragen hat - ja das Volk vergisst schnell ... dann ist es egal, wenn man 'alternative Wahrheiten' verkünden lässt
Wie ich schon gestern angemerkt habe,
sind auch Hilfsschüler, Radarsünder und Idiotenhinterher gescheiter.
Von unseren hochbezahlten Amtsträgen, Experten u. Politikern
dürfen wir aber erwarten, daß sie mit einem gewissen Weitblick
Entwicklungen und Gefahren erkennen u. abwenden in der Lage sind.
Die Probleme, und Hinweise aus China und Italien
gaben dazu schon hinreichende Anhaltspunkte.
Weyermark
Die Hinweise aus China wurden sogar von der WHO monatelang klein geredet.
Auch das RKI und der Virologe aller Virologen haben im Jänner und Februar die Gefahr noch deutlich geringer eingeschätzt.
Die Lageeinschätzung Ende Februar / Anfang März war eine gänzlich andere.
So ehrlich sollte man schon sein.
Daß die WHO die Probleme in China klein geredet hat,
hatte ja auch Hintergründe, wie die in Tirol
und wurden der WHO deshalb auch zum Vorwurf gemacht.
Abgesehen davon, daß die WHO keine Behörde ist,
die zum Handeln verpflichtet wäre.
Die Gründe, warum in Tirol keine entsprechenden Maßnahmen gesetzt wurden,
liegen einzig u. allein darin, daß man den Wintertourismus
vor finanziellen Einbrüchen schützen wollte.
Alle "Versäumnisse" , des Landes, der BH, der Gemeinde u. Seilbahnen
waren in dieser Hinsicht zielgerichtet.
Das war übrigens "gut gemeint", auch wenn es in die Hose gegangen ist;
aber Das sollte man auch einmal offen bekennen.
Weyermark,
natürlich standen sowohl bei der WHO als auch in Ischgl wirtschaftliche Hintergründe einerseits und Maßnahmen gegen Covid19 bei der Abwägung gegenüber. Das Risiko von Covid19 Verbreitung wurde eben geringer eingeschätzt als es war.
Die WHO sollte unter anderem eine korrekte Risikoabschätzung mittels weltweitem Informationsaustausch über Forschungsergebnisse erzielen. Leider hat die WHO bei Covid19 völlig versagt.
Die WHO hatte sich lange Zeit sogar explizit GEGEN MASSNAHMEN wie Reisebeschränkungen etc. ausgesprochen. Noch zu einem Zeitpunkt an dem in Wuhan eine Massenkrankenanstalt aus dem Boden gestampft wurde....
Ich denke nicht, dass Politiker oder auch Behörden gescheiter als die wissenschaftlichen Gremien sein müssen.
Eine andere Sache ist die Vorsorge / Notfallplanung. In diesem Bereich ist nicht nur geschlampt sondern zu viel gespart worden. Jahrzehntelang.
e. o. k. !
Die WHO ist vermutlich in chinesischen Händen. Der Vorsitzende der WHO ist Äthiopier.
Äthiopien ist wirtschaftlich fest in chinesischen Händen. Das Verkehrswesen zur Gänze. Eisenbahnen sind dort etwas Chinesisches.
Für bestimmte Jobs und Verantwortung braucht es eben einfach eine fundierte Ausbildung. Unser Kanzler ist ein Schönwetterkanzler, der nur dann die richtigen Entscheidungen treffen kann, wenn alles von selbst läuft. In Krisensituation wird es richtig gefährlich. Es reicht einfach nicht - ohne Maske - bei einer Wahlveranstaltung in die Kamera zu lächeln. Man kann sein Verhalten mit dem eines Marketingmannes vergleichen. Außen HUI innen??
und was ist mit Anschober als Gesundheitsminister.
Hat der eine fundierte Ausbildung = Volkschullehrer als oberster Gesundheitsapostel.
Genau richtig für diesen Job.
Eine Entscheidung zeitnahe zu treffen, ist was anderes als 7 Monate danach. Wie lange hatte die Kommission Zeit, ihre Aussagen vorzubereiten? Warum brauchte sie so lange?
Die Formulierungen nach dem Motto
"wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß"
sind selbst für solche Experten eine Herausforderung,
die eben eine Zeit, die Wunden heilt, brauchen.