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Gewalt fußt auf dem Schweigen der Männer

13. November 2021, 00:04 Uhr
Gewalt fußt auf dem Schweigen der Männer
Männerberater und Tätertherapeut Josef Hölzl Bild: Volker Weihbold

Über das Aufbrechen von Rollenbildern, langsam wirkende Gewaltprävention und Sofortmaßnahmen gegen durchbrennende Sicherungen.

Josef Hölzl (60) ist Männerberater bei "BEZIEHUNGLEBEN.AT", dem Beratungsportal der Diözese Linz.

OÖN: Wie viele Generationen werden die Männer noch brauchen, bis sie zuhören statt zuschlagen?

Josef Hölzl: Wenn ich mir meine Elterngeneration und meine Söhne dagegen ansehe, hat sich schon etwas bewegt. Für sie ist eine Beziehung auf Augenhöhe selbstverständlich und dass Erwerbs- und Hausarbeit fair aufgeteilt werden.

Die Statistik über Gewalt gegen Frauen zeigt sich hingegen erschreckend stabil. In den vergangenen zehn Jahren gab es zwischen ein und drei Dutzend Frauenmorde pro Jahr …

Veränderung dauert lange. Es gibt eine gewisse Schicht von Menschen, die hat die Sache mit der Gewaltfreiheit kapiert. Was aber noch nicht heißt, dass ich das, was ich im Kopf verstanden habe, in einer Belastungs- oder Stresssituation auch umsetzen kann.

Wie äußert sich das in einer Beratungssituation?

Es gibt Männer, die sagen, sie würden eine Frau nie schlagen. Wenn das einer sagt, läuten bei mir die Alarmglocken, weil er in sein Handlungsrepertoire grundsätzlich Gewalt inkludiert. Gewalt gegen Frauen ist aber ein No-Go. Und wenn jemand sagt, er würde Frauen nicht schlagen, hat er das No-Go nicht verinnerlicht.

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Die Serie von Femiziden in Österreich reißt seit Jahren nicht ab. Pro Monat werden drei Frauen ermordet – zumeist vom (Ex-)Partner.

Zu Ihnen kommen Männer, die Ihnen wegen Gewalttaten von der Behörde zugewiesen werden. Was verbindet sie?

90 Prozent jener Männer, die z. B. nach einem Betretungsverbot eine sechsstündige Beratung machen müssen, sind erleichtert, dass sie darüber reden können.

Wäre es nicht generell weniger aufwendig, über Gefühle zu reden, statt sie in einer Geisteslandschaft aus Macho- und Patriarchentum zu unterdrücken?

Schon, aber dort muss man erst einmal hinkommen und erleben, dass es eine Erleichterung ist. Macho-sozialisierten Männern geht es erst einmal darum, sich zu schützen und zu verteidigen, sodass niemand erkennt, dass sie verwundbar oder verletzlich sind.

Folglich müsste eine Gesellschaft, die Aufklärung und Gewaltfreiheit will, solche toxischen männlichen Strukturen schon sehr früh korrigieren, schon im Kindergarten, oder?

Prävention setzt schon im Kindergarten und der Volksschule an, indem sie Männlichkeitsbilder erweitert. Wobei wir ein gewisses Dilemma im primärpädagogischen Bereich haben, nämlich relativ wenige männliche Bezugspersonen. Wenn Kinder sehr rollenstatisch aufwachsen, heißt das nicht, dass das ein Leben lang einzementiert ist. Wenn Jugendliche erste Beziehungen haben, ergibt sich oft eine große Chance zur Weitereinwicklung.

Das heißt, es müssen wieder die Frauen tun?

So kann man es auch sehen. Aber formulieren wir es doch so, dass wir gerade im Zusammensein und in der Auseinandersetzung mit dem anderen Geschlecht lernen und uns weiterentwickeln.

Gesetzt den Fall, jemand gerät in die Situation, im Streit den Kopf zu verlieren und gewalttätig zu werden. Was raten Sie?

Die eine Sofortmaßnahme ist, auf Zeitgewinn zu arbeiten. Wenn ein Konflikt entsteht, muss er nicht sofort gelöst werden. Durchatmen, sich ablenken, eine rauchen gehen. Das Zweite wäre, die Situation zu verlassen, auch wenn die Partnerin sauer ist, dass er aus dem Konflikt geht. Aber das ist gescheiter, als es passiert etwas Schlimmeres.

Es heißt, jede Frau kenne eine Frau, der Gewalt angetan wurde, aber kein Mann kenne einen Mann, der zugeschlagen hat. Warum sprechen Männer nicht über solche zentralen Dinge?

Darüber spricht man nach wie vor nicht – aus Scham. Was wiederum darauf hinweist, dass man sich der Schuld bewusst ist. Eine Rauferei unter Männern wie im Stadion hat einen ganz anderen Wert in Sachen Männlichkeit.

Männergruppen, Seminare, Workshops, in denen man sich mit der Männerrolle auseinandersetzt, scheinen nicht gerade zu boomen …

In jüngster Zeit ist davon wenig zu hören. Boom ist das keiner.

Warum herrscht diese Sprachlosigkeit unter Männern?

Vielleicht liegt es am Rollenverständnis. Der Indianer, der keinen Scherz kennt, der starke Mann – das ist noch immer da. Noch ein Beispiel mit meinem Sohn: Er sagte, den Lehrer zu fragen, wenn man etwas nicht kann, das sei peinlich. Das illustriert die Sache ganz gut.

Die Lockdowns haben auch nichts besser gemacht, oder?

Damit kommen wir zu einem der Motive, wie Gewalt in einer Beziehung entstehen kann: durch Enge und Überforderung. Der Mann möchte partnerschaftlich sein, hält das aber nicht aus, kann sich auch nicht artikulieren. So kann es passieren, dass die Enge durch eine Gewalthandlung aufgelöst wird.

Was wären noch andere Motive?

Der Klassiker: Ein richtiger Kerl hat vermeintlich alles im Griff. Tatsächlich erlebt er einen Kontrollverlust, Frau und Kinder – meint er – tun nicht, was er will. Er fühlt sich ohnmächtig. Die Angst, alles zu verlieren, wird dem Opfer übertragen, sinnbildlich durch den Schlag. Weiters gibt es die Vorstellung, dass Gewalt dazu dienen kann, scheinbar verlorene Macht wiederherzustellen. Ein viertes Motiv zeigt sich, wenn ein Mann mit aufgestautem Kränkungsschmerz nicht umgehen kann, und ein besonders grausames Motiv für Gewalt ist dann: Wenn ich dich nicht haben kann, soll dich auch kein anderer haben.

Worauf fußen solche Defizite?

Vielleicht neigen wir in der Erziehung dazu, Kindern emotional zu viel abzunehmen, statt ihnen zu helfen, unangenehme Gefühle auszuhalten wie Trauer, Verlust, Ängste, Zurückweisung – sprich: Frustrationstoleranz. Wenn die nicht da ist, sind Gewalt, Süchte, bis hin zu psychischen Erkrankungen leichter möglich.

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