Zweite Karriere – Vom Motorsport zum Denksport
ANDORF. Motorrad-Profi Karl Lindinger wechselte nach einem Unfall von den Rennstrecken in den Hörsaal der Uni Passau.
Einst war Karl Lindinger aus Andorf auf Europas Rennstrecken mit dem Motorrad erfolgreich, heute ist der Hörsaal der Universität Passau sein Metier. Auch im neuen Betätigungsfeld blieb ihm der Erfolg nicht verwehrt, denn Charly, wie er in seinem Heimatort Andorf genannt wird, schloss vor wenigen Wochen sein Studium der Kunstgeschichte mit den Nebenfächern Philosophie und Psychologie erfolgreich ab. Und der frischgebackene Herr Magister bekam wegen seines Notendurchschnitts gleich auch noch eine Anstellung als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Psychologie der Uni Passau. In seiner Doktorarbeit mit dem Thema „Die Psychologie der Spiritualität“ versucht er zu ergründen, warum der Mensch an übernatürlichen Kräften festhält, um dabei Sicherheit, Geborgenheit und Sinn fürs Leben zu finden.
Sturz veränderte sein Leben
„No risk, no fun“ war in der Jugend das Lebensmotto des mittlerweile 52-Jährigen, das er mit seinen „Schädln“ als Paradetruppe des Andorfer Turnvereines am besten umsetzen konnte. „Einmal kletterte ich mit einem Freund von außen sogar auf den Eiffelturm“, blickt „Kautsch“, wie ihn seine engsten Freunde nennen, auf seine Waghalsigkeiten zurück. Doch ein Trainingssturz mit der Motocross-Maschine bei 25 Stundenkilometern veränderte 1997 das Leben des damaligen Bankangestellten grundlegend. „Stürze auf Rennstrecken mit mehr als 200 Studenkilometern habe ich ohne Schramme überlebt, beim Langsamfahren brach ich mir aber zwei Halswirbel. Aufgrund meiner Querschnittlähmung wussten auch die Ärzte nicht, ob ich jemals wieder auf die Füße komme“, sagt Lindinger. Als Kämpfer gewann er damals die Wette gegen seine Ärzte. Der Andorfer schaffte es drei Monate später noch vor seinem Sohn, der zum Zeitpunkt des Sturzes neun Monate alt war, zu gehen.
2006 war mit der Scheidung, dem Hausverkauf, dem Tod des damaligen Chefs und mit einer Entzündung im Kreuz, die seine Mobilität wieder stark einschränkte, ein weiteres markantes Jahr. „Ohne Perspektive im Leben entschloss ich mich zu einem Studium. Da ich zum Betriebswirtschaftslehre-Studium nicht zugelassen wurde, begann ich als Hobbymaler mit dem Studium der Kunstgeschichte“, erzählt Karl Lindinger.
Nach deutscher Studienordnung musste Lindinger auch Nebenfächer belegen und entschied sich für Philosophie und Psychologie. Die Auswahl der Studienfächer bezeichnet der Andorfer als Glücksgriff. Denn erst im Verlauf des Studiums stieg die Motivation, dieses durchzuziehen und den Abschluss zu machen. Zwei Semester, in denen er zur Behebung von Stenosen fünfmal am Kreuz operiert werden musste, blieb er über der Mindeststudiendauer. „Die chirurgischen Eingriffe waren aber notwendig, da ich zunehmend nur noch schlechter gehen konnte“, begründet der frisch gebackene Akademiker seine längere Studiendauer. Das Studium vermittelte dem Andorfer nicht nur Fachwissen, sondern half ihm auch in Bezug auf seine Lebensplanung weiter. „Je genauer du planst, umso härter trifft dich der Zufall. Daher bleib flexibel“, philosophiert der angehende Herr Doktor.
Meine Glückwünsche
Dein ehemaliger Hauselektriker