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"Fusionen sind politisches Tabuthema"

07. Februar 2014, 00:04 Uhr
"Fusionen sind politisches Tabuthema"
Angesichts sinkender Einnahmen und schwindender Einwohnerzahlen können sich kleine Gemeinden Kirchturm-Denken eigentlich nicht leisten. Bild: (Weihbold)

WOLFERN. Bei den Nachbarn in Niederösterreich und Bayern sind tausende Gemeinden verschmolzen.

Erwin Eigner ist Amtsleiter in Wolfern (Bezirk Steyr-Land) und studiert seit 2006 gemeinsam mit seiner Frau Janette Soziologie. In seiner Diplomarbeit beschäftigt sich Eigner intensiv mit dem Thema Gemeindefusionen. In der gemeinsamen Arbeit blicken Janette und Erwin Eigner zurück in die Vergangenheit, flechten Zukunftsprognosen ein, sehen sich die Situation in Deutschland und der Schweiz an. Aufgehängt wird das Thema Gemeindefusionen in der zu zwei Drittel fertig gestellten Arbeit am Beispiel der Fusion von Weyer-Markt und Weyer-Land.

Wie im historischen Teil der Diplomarbeit herauszulesen ist, gab es in Oberösterreich zu Beginn der 1970er Jahre fertige Konzepte für groß angelegte Gemeindefusionen in den Schubladen der Landespolitiker. Demnach hätte zum Beispiel Eigners eigene Gemeinde Wolfern mit Dietach und Kronstorf verschmelzen sollen. "Im Wahlkampf 1973 gereichte das Thema Fusion vor allem den Sozialdemokraten zum Nachteil. Erwin Wenzl (VP) eroberte damals Platz 1 zurück. "Seither sind Zusammenlegungen ein politisches Tabuthema", sagt Eigner und begründet damit, warum in Oberösterreich nur vorsichtig über Gemeindefusionen gesprochen wird, die Landespolitiker bemüht um die Feststellung sind: "Zusammenlegung ja, aber ohne Zwang."

Keine ganz Kleinen in Kärnten

"Das Thema Gemeinde ist emotionsgeladen, geht bei den Menschen tief hinein", analysiert der Amtsleiter. Da gehe es um intuitive Bindungen, Gefühle wie Verlust oder Verunsicherung. "Daher ist es wichtig, dass geplante Fusionen professionell begleitet werden, die Bevölkerung von Anfang an aufrichtig und umfassend informiert wird." Weyer gelte diesbezüglich als gelungenes Beispiel.

Eigner kommt aber auch zu dem Schluss, "dass eine Fusion erst greifen muss, die ersten zwei, drei Jahre mehr kostet als einspart." Der Vergleich mit anderen Bundesländern zeigt: Oberösterreich hätte dringenden Aufholbedarf in Sachen Gemeindefusionen. In Niederösterreich sind nach Zusammenlegungen in den vergangenen knapp 70 Jahren mehr als tausend Gemeinden von der Landkarte verschwunden. In Kärnten gibt es keine Kleinstgemeinde unter 500 Einwohnern. Die Gesamtzahl der Kommunen schrumpfte von 1946 bis 2011 von 244 auf 132. Ähnliche Zahlen liegen für das Burgenland und für die Steiermark vor. Wie berichtet, zieht letztgenanntes Bundesland eine nicht unumstrittene Raumordnungsreform durch. Von aktuell 542 Gemeinden bleiben bis 2015 nur noch 288 übrig.

Kirchturmdenken und "Mia-san mia-Mentalität" wird oft den traditionellen Bayern nachgesagt. Was die Raumordnung betrifft, scheint das ein Vorurteil zu sein. Wie Eigner aufzeigt, bestand das deutsche Nachbarbundesland 1969 noch aus 7073 Gemeinden. Im Jahr 2000 waren es nur noch 2057. "In der Schweiz vergeht kaum eine Woche, in der nicht eine Gemeindefusion über die Bühne geht."

Die Zukunftsprognosen der Statistik Austria geben diesen Bestrebungen recht, unterstreichen den Handlungsbedarf im Land ob der Enns. In einer Bevölkerungsprognose aus dem Jahr 2010 sagen die Statistiker ländlichen Gemeinden einen massiven Einwohner-Schwund bis zum Jahr 2050 voraus. Städte und deren Umland werden dagegen wachsen. Das gilt insbesondere für den Großraum Wien. (dunst)

 

Rund um die Gemeinden

 

2035 Gemeindefusionen: gab es in Österreich zwischen 1.1. 1946 und 1.1. 2011. Bestand Österreich (ohne Wien) 1946 aus insgesamt noch 4064 Gemeinden, waren es 2011 nur noch 2356 Kommunen. Den 2035 Fusionen stehen 327 Gemeindetrennungen gegenüber.

444 Gemeinden: Während andere Bundesländer wie Niederösterreich, Steiermark oder Kärnten bereits tiefgreifende Struktur- und Raumordnungsreformen hinter sich haben, ist auf Gemeindeebene in Oberösterreich seit Beginn der Zweiten Republik wenig passiert. Aus 439 Gemeinden 1946 wurden bis heute 444. Zum Vergleich: Im Nachbarbundesland Niederösterreich kam es in diesem Zeitraum zu insgesamt 1079 Gemeindefusionen.

Vor- und Nachteile: Das Land Steiermark, das aktuell eine stringente Gemeindefusions-Politik praktiziert, hat 2004 als Ergebnis einer großen Studie Vor- und Nachteile von Zusammenlegungen gelistet. Zu den Vorteilen zählen unter anderem: mehr politisches Gewicht, mehr Professionalität in der Verwaltung, Synergien und Kosteneinsparung, größere Entwicklungschancen;

Folgende Nachteile wurden angeführt: zu hohes Erwartungspotenzial, Widerstand seitens der Bevölkerung, geringe politische Partizipation, geringere Identifikation mit der Heimat.

25 % aller Gemeinden in Österreich weisen eine Bevölkerungszahl unter 1000 Einwohnern auf. Knapp die Hälfte aller Gemeinden kommt nicht einmal auf 1500 Einwohner. 40 Prozent aller oberösterreichischen Gemeinden verzeichnen 1500 Einwohner oder weniger. Fachleute sagen, dass bei Einwohnerzahlen um 2500 der öffentliche Bereich besonders effektiv gestaltet werden kann.

 

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2  Kommentare
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ingenuous (237 Kommentare)
am 07.02.2014 20:23

Die Welt ist offener geworden, Horizonte öffnen sich, nur die Zwerggemeinden sind geblieben, Relikte aus der Postkutschenzeit! Der Fehler liegt an der Finanzierung der Gemeinden. Gemeinden sollten von ihren Einnahmen leben können. Alles andere ist Lug und Betrug!
Wie kommt der Steuerzahler dazu, für diesen Unfug zahlen zu müssen. Dänemark zeigt uns, wie es geht. Es hat die Anzahl der Gemeinden massiv reduziert; keine Gemeinde darf dort weniger als 20.000 EW haben. Wir in OÖ werden weiter zahlen, bis selbst der Dümmste begreift, dass es so nicht weiter gehen kann!

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Freidenker2012 (1.519 Kommentare)
am 07.02.2014 08:41

Oberösterreich braucht maximal 300 Gemeinden! Würde man nur zusammengewachsene Gemeinden und Vorstadt-Gemeinden fusionieren/eingemeinden, dann würde niemand seine Identität verlieren und man käme locker unter die genannte Zahl von 300 Gemeinden!

Die OÖN möchte ich bitten, die genannte Liste aus den 70er Jahren nach Möglichkeit zu veröffentlichen! Sie würde vermutlich eine gute Diskussionsgrundlage darstellen!

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