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An der schönen grünen Steyr: Ein Fluss erzählt

Von Martin Dunst, 03. August 2013, 00:04 Uhr
An der schönen grünen Steyr Ein Fluss erzählt
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Von quicklebendigen Stromschnellen bis zum ruhenden See. Von Fletzern, Schmugglern und Sonnenanbetern. Ein Fluss-Porträt in acht Kapiteln.

Wie eine smaragdgrüne Lebensader windet sich die Steyr von ihrem Ursprung bis zur Mündung. Einmal tosend und reißend, wenige Minuten später sanft und ruhig. Das Fluss-Leben offenbart sich in einem ständigen Auf und Ab. In Kurven, Haken und Umwegen statt in schnurgerader Linie. Menschen nutzen diese Lebensader seit Jahrtausenden. Ob als Transportweg für Holz, als Antriebskraft für Schmiedehämmer, zum Gewinnen von Energie oder als Kraftort. Die Charakterzüge der Steyr – von cholerisch bis melancholisch – lassen sich zu Fuß oder auf einem Traktorreifen, entlang Österreichs ältester Schmalspureisenbahn oder auf dem Fahrrad entdecken. Gäste, die das erste Mal Steyr und das gleichnamige Tal kennenlernen, sind entzückt vom Liebreiz und der Urgewalt entlang dieser Wasserader. Franz Schubert schilderte sein erstes Treffen mit der Flusslandschaft einem Freund in einem Brief mit begeisterten Worten. Der Komponist soll sich an den Ufern des Flusses die Inspiration für sein „Forellenquintett“ geholt haben. Von Inspirationsquellen und beschaulichen Flecken zum Abschalten handelt dieses Fluss-Porträt.

Steyr-Ursprung

Dort, wo der Fluss an die Oberfläche tritt, hat er sich tief ins Tote Gebirge eingegraben. Im Talschluss der Baumschlagerreith türmen sich bedrohlich schroffe Felswände bis zum Himmel. Priel, Spitzmauer, Tauplitz scheinen missbilligend auf die quicklebendige Quelle herabzuschauen. Die zeigt sich davon gänzlich unbeeindruckt, fräst sich unaufhaltsam ihren Weg durch das Gestein. Gluckst, sprudelt, murmelt und entwickelt sich bereits auf den ersten Metern vom Rinnsal zu einem beachtlichen Bach. Die Steyr gewinnt mit jedem Meter an Zugkraft. Sie ist kristallklar und eisig kalt. Nach wenigen Augenblicken brennen die Füße, verfärben sich krebsrot. Eine Kneippkur für Hartgesottene. Die Sonnenstrahlen lassen moosbewachsene Steine aufleuchten. Die Farbe Grün dominiert den Schauplatz Die Menschen früherer Generationen hatten an diesem Platz meist keinen Blick für diese Lichtspiel-Vorführung. Die Schwärzer, die auf versteckten und gefährlichen Gebirgspfaden Salz, das weiße Gold, vom Ausseerland bis ins Stodertal schmuggelten standen im wahrsten Sinn des Wortes immer mit einem Bein am Abgrund. Sie mussten trittsicher und immer auf der Hut sein. Wären die wagemutigen und wegkundigen Gesellen von Zöllnern erwischt worden, hätte ihnen im schlimmsten Fall der Tod gedroht. Salz war in jenen Tagen so wertvoll wie Gold, der Schmuggel daher ein gefährliches, aber einträgliches Geschäft. Beim Steyr-Ursprung beginnt der Aufstieg auf das Salzsteigjoch und der Übergang ins Tauplitz-Gebiet. So lässt sich für Wanderer die Schmugglerroute von einst nachvollziehen. Die junge Steyr lässt ihre Jugend wie im Zeitraffer hinter sich, ist bald ein ausgewachsener Fluss. In nördliche Richtung bahnt sich dieser seinen Weg durch das Stodertal. Die Steyr fließt nicht lange alleine. Der Ostrawitzbach ist der erste Zufluss. Es folgen Weißenbach und Krumme Steyr.

Strumboding

Nach Polsterlucke und Schiederweiher mit Blick auf Großen Priel und Brotfall lässt die Steyr ihre Muskeln spielen, strahlt das Wasser Urkraft aus. Die Gischt spritzt, das Wasser tost und schäumt bei dem mehrstufigen Wasserfall namens Strumboding, auch Stromboding genannt.Kaum ist das eigene Wort zu verstehen. Der Fluss brüllt, wirft sich wütend gegen Stein und Fels. Nicht zu glauben, dass unentwegte Kanuten diese Stelle mit ihren Plastikbooten meistern. Bedrohlich ragen Felsbrocken aus der brodelnden Wassersuppe. Die meisten Wassersportler bevorzugen es daher, erst nach dem Wasserfall ins Wildwasser-Abenteuer „Obere Steyr“ einzusteigen. Wer leicht seekrank wird und nicht so abenteuerlustig ist, dem sei der Flötzersteig empfohlen. Dieser Weg folgt der Holztrift, die an der Steyr bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs eine Rolle gespielt hat. Der Weg ist heute gut ausgebaut, familientauglich und führt zwanzig Kilometer entlang der Steyr. Überreste von Trittleitern nahe dem Wasserfall beweisen, dass das in der Vergangenheit nicht der Fall war. Das „Fletzen“ der Bloche war an dieser Stelle besonders gefährlich. Das Holz musste aus dem Stodertal auf dem Wasserweg bis zu den eisenverarbeitenden Betrieben im Alpenvorland transportiert werden.

Stausee Klaus

Die sich wild gebärdende Steyr hat das Stodertal verlassen. Nach der Steyrbrücke und dem Elisabethsee geht es hinein in eine tiefe Schlucht. Am Fuß von Schloss Klaus zeigt der Fluss ein ganz anderes Gesicht. Keine Spur mehr von Walzen, Stromschnellen und lebhaftem Plätschern. Die Wasseroberfläche präsentiert sich spiegelglatt und handzahm. Die Steyr liegt an der Kette, angebunden von Menschenhand. Das Kraftwerk Klaus bändigt den Fluss. Kinder plantschen im erfrischenden Stausee, zwei Burschen stellen Fischen nach. Die Idylle trügt. Rund um die mächtige Kraftwerksmauer hat sich Ende der 1960er Jahre ein erbitterter Kampf entsponnen. Die Ennskraftwerke hatten ein gigantisches Staustufen-Projekt geplant und wohl nicht mit den widerspenstigen Steyrtalern gerechnet. Nach einem Gerichtsurteil ist von dem Vorhaben das Laufkraftwerk Klaus übrig geblieben. Ein Irrsinn, sagen die einen, saubere Energie und Alternative zu Atomstrom, die anderen. Jedenfalls ein nicht rückgängig zu machender Eingriff der Menschen in den jahrtausendealten Lauf des Flusses.

Steyrdurchbruch

Klaus ist nicht der einzige menschliche Eingriff in die fragile Flusslandschaft der Steyr. Klaus ist zudem nur eines von insgesamt sechs Kraftwerken an der Steyr. Ungefähr zwei Kilometer nördlich von Frauenstein liegt das Kraftwerk Steyrdurchbruch. Aus Frauenstein stammt übrigens die Literatin Marlen Haushofer („Die Wand“), die sich immer wieder Anreize zum Schreiben vor der Haustüre mit Blick auf Steyr und Sengsengebirge geholt hat. In dem kleinen Wallfahrtsort liegt zudem der deutsche Showmaster Hans-Joachim Kulenkampff begraben. Der Entertainer liebte seinen Rückzugsort im Steyrtal. Zurück zum Durchbruch: Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wollte man die Kraft des Wassers für das Gewinnen von Energie nutzen. Das Jugendstil-Kraftwerk, ein Industriedenkmal, wurde 1908 auf Betreiben des Kirchdorfer Unternehmens Hofmann Zementwerke errichtet. 1922 lieferte das Kraftwerk nicht nur Strom für das Zementwerk, sondern auch für die Linzer Straßenbahn. Die grüne Farbe der Steyr ist an dieser Stelle besonders intensiv, etwas zäh, wie smaragdfarbene Lava, fließt die Steyr in die nächste Schlucht.

Rinnende Mauer

Dort, wo Krumme Steyrling und Steyr aufeinander treffen, bleibt Besuchern der Mund offen stehen. Das birgt wiederum die Gefahr in sich, dass man sich verschluckt. Die Rinnende Mauer ist ein seltenes Phänomen. Bei herrlichem Wetter steht man dort buchstäblich im Regen. Aus bis zu sieben Metern Höhe tritt aus porösem Konglomeratgestein gestautes Hang- und Grundwasser aus. Die Rinnende Mauer steht unter Naturschutz. Die Steyr hat sich eingependelt, ihre Mitte gefunden. Keine Spur mehr von jugendlichem Übermut, sie schützt aber auch keine Müdigkeit vor. Nicht zu schnell und nicht zu langsam rinnt das Wasser mit Güteklasse I Richtung Leonstein und Obergrünburg. Das Alpenvorland ist erreicht.

Die Haunoldmühle ist zwar seit den 1990er Jahren nicht mehr in Betrieb, aber heute beliebter Ausgangspunkt für Radtouren entlang der Steyr. Noch beschaulicher und vor allem ohne körperliche Mühen reist man in der Steyrtalbahn – Österreichs ältester Schmalspurbahn, die im Museumsbetrieb fortgeführt wird.

Neuzeug

In Neuzeug ist der Bär los. Die großzügigen Uferbereiche sind ein Paradies für Sonnenanbeter. An heißen Sommertagen bringt der kalte Fluss mit Trinkwasserqualität willkommene Abkühlung. Drei Burschen springen von der Brücke in die Fluten, von einem Lagerfeuer zieht Grillwürstelduft vorbei, ein Hund jagt einem Stock nach – ein Badeplatz wie aus dem Bilderbuch. Auch Anhänger der Freikörperkultur werden auf den Schotterbänken nahtlos und streifenfrei braun. Die Nackedeis sind heutzutage gegenüber Textilträgern in der Minderheit. Das war an der Steyr nicht immer so. Bei so viel Vergnügen denkt niemand an harte Arbeit. Neuzeug war jedoch bereits in der Römerzeit ein Zentrum für Eisenverarbeitung. Im Mittelalter gehörte der ganze Ort dem Geschlecht der Losensteiner. Im Jahr 1491 finden sich laut alten Aufzeichnungen in der Herrschaft im „Neuen Zeug“ acht Schleif-, eine Säge- und eine Mahlmühle. Messerer und Waffenschmiede siedelten sich hier an. Heute ist davon nichts mehr übrig. Die Erzählung des Flusses geht ihrem Ende zu. Die Steyrer Au ist im Schlussteil der „Unteren Steyr“ ein weiterer Höhepunkt. Ein Central Park für die Stadtbewohner, allerdings natürlich gewachsen, nicht künstlich angelegt. Aber auch hier hat der Mensch den Fluss reguliert, um den Hochwasserkatastrophen vorzubeugen, die Steyr seit Jahrhunderten in regelmäßigen Abständen heimsuchen. Das Entlastungsgerinne Himmlitzer Au nimmt in Hochwasserzeiten Geschiebe auf, das flussabwärts einen Rückstau verursachen würde. Der Kanal hat sich bereits bewährt.

Wehrgraben

Künstliche Kanäle sind keine moderne Erfindung. Schon in der Vergangenheit, im 15. Jahrhundert, musste die Steyr einen Teil ihres Wassers für industrielle Zwecke abtreten. Hammerherren, Müller, Nägelerzeuger, Drahtzieher, Schleifer und Tuchfärber nutzten damals im Wehrgraben die Kraft des Wassers. Auch Josef Werndl, der große Industrielle der Stadt, legte im Wehrgraben den Grundstein für sein späteres Fabrik-Imperium. Gebäude aus jener Zeit sind heute noch zu sehen. Zum Glück. Denn es gab einst Pläne, den ganzen Bereich Wehrgraben zuzuschütten. Wehrhafte Bürger konnten das verhindern. Heute haben hier Arbeitswelt-Museum oder Fachhochschule ihre Heimat. Beim Spaziergang durch die geheimnisvollen Gassen, die nahe am Wasser gebaut sind, vorbei an ehemaligen Werndl-Produktionsstätten, meint man förmlich, das Pochen der Hämmer und das Klappern der Wasserräder noch zu hören.

Zusammenfluss

Nur wenig später mündet die Steyr, Namensgeber für die alte Eisenstadt, bei Zwischenbrücken in die Enns. Die Kulisse für diesen Zusammenfluss könnte schöner nicht sein, Schloss Lamberg und Michaelerkirche begleiten die Steyr auf ihren letzten Metern, bieten einen würdevollen baulichen Hintergrund für die Vereinigung der beiden Flüsse. Für einen kurzen Abschnitt fließen Enns und Steyr parallel, fast als würden sie um die Vorherrschaft rittern. Doch dann verblasst das smaragdgrüne Band der Steyr, und die grau-grüne Enns gewinnt die Oberhand.

Die Steyr auf einen Blick

Knapp 70 Kilometer legt die Steyr von ihrem Ursprung in Hinterstoder bis zur Mündung in Steyr zurück.

100 Millionen Jahre ist das Entwässerungsnetz der Donau alt, zu dem die Steyr samt ihren Nebenflüssen und Zubringern zählt. Ungefähr vor 500.000 Jahren war die Wasserscheide bei Steyrdruchbruch soweit nivelliert, dass der Steyrfluss durchbrechen konnte. Davor floss er durch das heutige Kremstal ab. Der Flusslauf wie wir ihn heute kennen, dürfte vor etwa 11.000 Jahren entstanden sein.

Wirtschaftliche Nutzung: Die Steyr ist lange Zeit als Energiequelle interessant. Früher zum direkten Antrieb von Mühlen oder Schmiedehämmern, später zur Stromerzeugung. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs spielte die Holztrift eine Rolle. Auf dem Fluss wurden jährlich von März bis Ende November ungefähr 30.000 Kubikmeter getriftet, aus diesem Grund sind ältere Wehren mit eigenen Triftgassen ausgestattet.

Zuflüsse: Ostrawitzbach, Weißenbach, Krumme Steyr, Stegerbach, Loigisbach, Eselsbach, Prielwasser, Weißenbach, Teichl, Vorderer Rettenbach, Steyrling, Tiefengraberbach, Paltenbach, Krumme Steyrling, Rutzelbach, Tiefenbach, Feuerbach, Harbach, Ahbach, Schreinerbach Teufelsbach.
 

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