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Wo immer was geht

Von Helmut Atteneder, 06. Oktober 2018, 00:04 Uhr
Bild 1 von 11
Bildergalerie Zu Besuch bei Alois Mühlbacher im Stodertal
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Als Loisi bezauberte Alois Mühlbacher einst bei den St. Florianer Sängerknaben mit seiner Wunderstimme. Später, als Alois, war nichts mehr selbstverständlich. Nur sein Dahoam. Hinterstoder.

Es war schon ein wenig bizarr. Also: Da war ein toter Vogel. Da war eine Abordnung der Hinderstoderer Blasmusik. Da waren der Alois, der damals noch Loisi oder Ali hieß, und ein lieblich singender Pfarrer vor dem aufgebauten Altar. Man begrub den toten Vogel hinter der Pizzeria von Alois’ Eltern, und zur Zehrung gab es Traditionelles. Rindfleisch mit Semmelkren.

"Heute ist mir das schon ein bisschen peinlich", gibt Alois Mühlbacher freimütig zu. Doch Szenen wie diese haben seine ersten Lebensjahre bestimmt und sein jetziges Leben vorgezeichnet. Schon als junger Bub hat er mit Genuss und Akribie Menschen beobachtet. Am liebsten in der Kirche, weil da schon dem Dreijährigen die Frauenstimmen des Chors so besonders gut im Ohr getan haben. Daheim hat er das Erlebte nachzelebriert. Und dazu gar so schön gesungen.

Große Freiheit unterm Großen Priel

Seine Eltern Annemarie und Alois haben ihn gelassen, belächelt vielleicht, aber sicher nicht ausgelacht. Sie haben ihn liebevoll eingebettet im täglichen Leben, weil in einem Café samt Pizzeria auch beim Bettgehen für den kleinen Loisi später als anderswo Sperrstund’ war. "Meine Eltern haben mir viel Freiheit gelassen. Trotzdem habe ich mich daheim immer beschützt gefühlt. Hier war für mich alles möglich", sagt der heute 23-Jährige Countertenor.

Wo immer was geht
Auf einen schnellen Kaffee in der elterlichen Pizzeria samt Café in Hinterstoder Bild: Volker Weihbold

Gesungen hat er schon als Schulbub. Aber eben nur für sich und seine Familie. Als er sich mit zehn Jahren zum Vorsingen bei den St. Florianer Sängerknaben meldet, weil er spürt, dass es so sein muss, lachen die Klassenkameraden. Was, der Loisi will singen? Der Loisi, der im Musikunterricht immer nur so leise vor sich hin brummt?

Oh, du Fröhliche(r)

Das Vorsingen bei Franz Farnberger, der mehr als drei Jahrzehnte den Chor der weltberühmten Sängerknaben geleitet hat, wird zur schicksalhaften Begegnung.

Loisi singt mangels Alternativen "Oh, du Fröhliche". Farnberger, der schon so vieles gehört hat, horcht auf. Dieser Loisi aus Hinterstoder ist anders. Es ist ein Anfang für eines der größten Talente, das die Sängerknaben je hervorgebracht haben.

Loisi mutiert zum Vorzeigesubjekt bei den großen Tourneen in riesigen Konzertsälen in China und Südamerika, er wird als Solist an die Wiener Staatsoper geholt, und als er am 19. Dezember 2012 im Musikantenstadl die "Königin der Nacht" aus Mozarts Zauberflöte singt, bleiben die Münder vor Staunen offen. Andy Borgs Mund inklusive.

Danach ist er ein Star. Einmal wird er während einer Zugfahrt nach Zürich aufgeweckt und muss Autogramme schreiben.

Zwischen all den Auftritten muss er immer wieder nach Hause, weil Heimweh so stark aufs Gemüt drückt. "Eine Nacht in Hinterstoder war für mich unbeschreiblich heilsam", sagt Mühlbacher. Die Mama peppelt ihn auch kulinarisch auf: "Iss brav, Bua." Und der Bua isst, ist rund und g’sund. Auch beim Hackl-Toni vulgo Gausrab-Bauer kann er sich erden, geht in den Stall, melkt Kühe und fährt Traktor.

In dieser Zeit, zwischen zehn und 15 Jahren, ist Singen für den Loisi alles. Das Augustiner Chorherrenstift St. Florian, das Basislager der Sängerknaben, wird seine zweite Heimat.

Alles geht so leicht: "Ich hatte das Gefühl, dass ich alles singen kann. Es war selbstverständlich."

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Zweite Heimat: Das Stift St. Florian, Herberge der Florianer Sängerknaben Bild: Volker Weihbold

Ein Lob als Bürde

Mit 15 debütiert er als "Junger Hirte" in Wagners Tannhäuser unter Franz Welser-Möst in der Wiener Staatsoper. Der Maestro adelt ihn danach: "Ich habe so eine Knabenstimme noch nie gehört in meinem Leben." Es vergeht kein Konzert, bei dem er nicht mit einem Hinweis auf diesen Sager des Maestros begrüßt wird. Mühlbacher: "Dann muss man das natürlich auch immer wieder erfüllen."

Ein Lob als Bürde.

Denn Mühlbachers innere Uhr tickt. Er ist 15 und der Stimmbruch und damit das natürliche Ablaufdatum eines Sängerknaben überfällig.

"Ich dachte zu der Zeit immer, dass ich dann sterben muss, dass ich nicht mehr existieren kann", erinnert sich Mühlbacher.

Tatsächlich ist aus dem Loisi längst ein Alois geworden. Doch er weiß es zu verbergen. Er nimmt CDs auf, singt Konzerte. Alles hört sich an wie immer. Wunderschön.

Dann ringt er sich durch, geht zum Chorleiter und sagt: "Hör dir das an." Vier Wörter, aber plötzlich ganz anders. In der Basslage nämlich. "Er war sehr überrascht. Ich habe ungefähr ein Jahr den Stimmbruch innerlich versteckt, konnte immer noch ganz hoch singen, obwohl ich in mir schon die fertige Bassstimme hatte."

Wo immer was geht
»Ich dachte, wenn der Stimmbruch kommt, dann muss ich sterben. Dann kann ich nicht mehr existieren.« Bild: Volker Weihbold

Jeder Ton ist Arbeit

Von da an ist nichts mehr selbstverständlich. Alois weiß, dass er weiter singen muss und versucht sich im Fach Countertenor. Es geht! Aber jetzt muss der Naturbursch für jeden Ton arbeiten. Eine schwere Zeit, in der ihm besonders seine beiden Schwestern Annemarie und Lisa zur Seite stehen. Er, mittlerweile längst erschlankt, fährt wieder viel nach Hause. Daheim, im Stodertal, geht es nicht darum, ob jeder Ton genau sitzt, weil hier der Umgangston passt.

Alois Mühlbacher lernt seine Basis neu kennen. Stimmlich wie räumlich. Er beginnt zu wandern. Beim Ursprungsquell der Steyr, ganz hinten im Talschluss in der Baumschlagerreith findet er Ruhe. Vom Großen Priel und der Spitzmauer fühlt er sich beschützt und vom Poppenberg aus überblickt er seinen Heimatort. "Für mich ist das Stodertal zugleich Ursprung und Ende."

Die Karriere ist anders geworden, aber sie hat keinen Knick erfahren. Er singt bei der Eröffnungsgala des neuen Opernhauses in Wladiwostok, ist Dauergast bei Christmas in Vienna, nimmt zahlreiche CDs auf und ist das Aushängeschild der 1071 gegründeten St. Florianer Sängerknaben bei großen Tourneen in Mexiko und China. Mühlbacher lebt mittlerweile in einer WG in der Wiener Alserstraße. Er studiert an der Privatuniversität für Musik und Kunst in Wien Gesang bei Uta Schwabe. Seine Familie räumt ihm nach wie vor alle Steine aus dem Weg, und sein Mentor Franz Farnberger ist ihm musikalisch immer noch die größte Stütze.

Balsam für jemanden, der sich selbst immer den meisten Druck gemacht hat, der akribisch selbstkritisch ist. Und der lange über einen einzigen Ton nachdenken kann, wenn dieser nicht so geglückt ist, wie er ihn eigentlich kann, können muss.

Priel-Festspiele

Alois Mühlbacher ist immer auf der Suche nach neuen Zielen. Im nächsten Jahr will er den Großen Priel machen. Und er kann auch so schön träumen. Denn irgendwann sollen in Hinterstoder Sommerfestspiele stattfinden, weil: "Dieser Ort ist wie gemacht für Bruckner, Mahler, Wagner oder den Freischütz …"

Wieder so ein weiter Weg mit vielen großen Steinen. Alois Mühlbacher wird ihn gehen. Und dabei immer wieder in Hinterstoder ankommen.«

 

Konzert: "Alois & Friends" mit Alois Mühlbacher sowie aktuellen und ehemaligen Sängerknaben am 7. Oktober, 18 Uhr, in der Pfarrkirche Hinterstoder.

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4  Kommentare
4  Kommentare
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alleswisser (18.463 Kommentare)
am 06.10.2018 19:23

Ein ausgezeichneter Artikel von Helmut Atteneder.

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( Kommentare)
am 06.10.2018 18:13

Woher kommen die Sängerknaben in den Gesängen?
Es ist noch nicht lange her, da hatte eine Frau in der Kirche keine Stimme. Die Komponisten der Kirchenwerke brauchten aber in ihren, dem lieben Gott gewidmeten Oratorien, Messen und Gesängen die hohen Stimmen, wie Sopran. Auch in den Choraelen hatte dieser Stimmumfang der hohe Stimmen ein Repertoire.

Woher aber nehmen. In den Klöstern wurden Knaben in der Knabenstimme ausgebildet und durften so bei der Messgestaltung die hohen Stimmen singen. Am schönsten brillantesten klinkt jedoch die ausgebildete Knabenstimme kurz vor dem Stimmbruch.

Ein schöner, edler Sopran, wie beim Alois kann auch weiter an sich arbeiten und Countertenor singen. Nur ist damit viel Arbeit, viel Schonung der Stimmbänder und ein sich selber beherrschen erforderlich.

Alles Gute, Alois Mühlbacher für deine Zukunft.

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Gugelbua (31.935 Kommentare)
am 06.10.2018 18:10

Er hat Glück, die Zeit der Kastraten ist vorbei grinsen

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( Kommentare)
am 06.10.2018 18:27

Gugelbua,
der Klang eines Countertenors ist mit dem eines Kastraten nicht vergleichbar. Die Stimmbänder müssen so trainiert werden, das sie alleine mit den Stimmbändern in einem Konzerthaus wirken. Der Körper, wie bei einem Kastraten wird hier nicht zum Schwingen gebracht.

Hör dir die Stimme eines zwitschernden Vogels an, wie weit, im Verhältnis zu seiner Größe die Stimme sich ausbreitet. Hier hilft sicher kein Vogelkörper mit. Jetzt kannst du dir vorstellen, welch harte Arbeit im Stimmtraining von einem Countertenor steckt.

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