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Deutsche Präsidentenwahl: Schwere Demütigung für die Kanzlerin

01. Juli 2010, 00:04 Uhr
Schwere Demütigung für die Kanzlerin
Lange Gesichter: Kanzlerin Angela Merkel und „ihr“ Kandidat Christian Wulff. Bild: Wolfgang Kumm

Gegenstimmen aus dem eigenen Lager haben den Bundespräsidenten-Kandidaten der Koalition, Christian Wulff, in einen dritten Wahlgang gezwungen und Kanzlerin Angela Merkel schwer gedemütigt. Schwarz-Gelb wurde wieder einmal geschwächt.

Nein, nein, an den Liberalen lag es nicht. An der Union aber freilich auch nicht. Dass es Wulff nicht geschafft hat, in den ersten zwei ersten Wahlgang zum Bundespräsidenten gewählt zu werden, ist eine ordentliche Ohrfeige für Merkel -- an der niemand Schuld haben wollte.

„Die Freidemokraten werden Christian Wulff im zweiten Wahlgang erneut unterstützen, so wie wir das auch im ersten Wahlgang getan hatten“, hatte FDP-Chef Guido Westerwelle nach dem ersten, völlig überraschenden Ergebnis verkündigt. Denn rechnerisch hätte der Kandidat von Union und FDP gewinnen müssen. Doch Wulff bekam nur 600 Stimmen -- obwohl es 644 Wahlleute im bürgerlichen Lager gab. Drei Stunden später trat Westerwelle erneut vor die Presse, und erneut sagte er: „Mit derselben großen Entschlossenheit wird die FDP-Fraktion Christian Wulff auch im dritten Wahlgang unterstützen.“

Zu Mittag hatte die Welt noch ganz anders ausgesehen. Gut gelaunt zeigten sich die Wahlleute von Konservativen und Liberalen, die Kanzlerin nahm neben ihrem Kandidaten Platz. Gelöst und locker wirkte Angela Merkel. Es schien, als hätte sie es geschafft gehabt: Außer einer Handvoll Liberaler, die sich offen dazu bekannt hatte, gestern den Kandidaten der Sozialdemokraten und der Grünen, Joachim Gauck, wählen zu wollen, würde es kaum Abweichler geben.

Am Tag zuvor hatten die Parteispitzen von CDU, CSU und FDP ihre Leute noch einmal darauf eingeschworen, all das Hickhack über Steuersenkung und Gesundheitsreform der letzen Monate in der Koalition und in den Parteien einmal zu vergessen und dem Wahlvolk zu zeigen: Wir halten zusammen, wir regieren -- und zwar ordentlich. Schließlich sehen die Umfragen von Mal zu Mal düsterer aus.

Der FDP-Klubchef im sächsischen Landtag war gestern zu Mittag in den Berliner Reichstag gekommen, um als einer von 1244 Wahlleuten in der Bundesversammlung seine Stimme abzugeben. „Sachsen ist das Land der friedlichen Revolution 1989, da fing alles an“, erklärte Holger Zastrow. Gauck verkörpere diese Revolution. „Joachim Gauck ist faszinierend, er ist eine große Chance für Deutschland.“

Kurze Zeit später wies Bundestagspräsident Norbert Lammert in seiner Eröffnungsrede darauf hin, dass die Wahl geheim sei und die Wahlleute an keinerlei Weisungen aus den Parteien gebunden seien. Neben den 622 Parlamentsabgeordneten gaben 622 Nominierte der Parteien in den Bundesländern ihre Stimme ab, darunter Prominente wie der Liedermacher Konstantin Wecker oder die Schauspielerin Nina Hoss.

Umso verblüffter waren dann alle nach dem ersten Wahlgang: Jubel bei den einen, blasse Gesichter bei den anderen. Und manche liebäugelten sogleich mit einem dritten Wahlgang. Sozialdemokraten und Grüne suchten das Gespräch mit der Linken. Diese hatte zwar mit Luc Jochimsen eine eigene Kandidatin nominiert. SPD und Grüne hofften aber darauf, dass diese in einem eventuellen dritten Wahlgang nicht mehr antreten würde und, dass dann möglichst viele der Wahlleute der Linken für Gauck stimmten. Die Parteispitze winkte ab. Gesine Lötzsch etwa wiederholte laufend, dass es zwischen Linkspartei und Joachim Gauck keinerlei Übereinstimmung gebe: Schließlich würde er den Krieg in Afghanistan befürworten, und eine sozial-gerechte Einstellung sehe auch anders aus.

„Die Linke verpasst eine Riesenchance“, kommentierte das SPD-Chef Sigmar Gabriel. „Sie hätte ein für allemal mit ihrer Stasi-Vergangenheit Schluss machen können.“ Denn Gauck ist auch als einstiger Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagenbehörde Teile der Linken ein Dorn im Auge.

Als das Unerwartete eintrat, und Christian Wulff auch im zweiten Wahlgang nicht die nötige Mehrheit erhielt, gab die Linkspartei die Abstimmung frei. Rechtlich ist sie das ja ohnehin. In den ersten zwei Wahlgängen aber hatten die Wahlleute der Linken geschlossen für Jochimsen gestimmt. Klubchef Gregor Gysi schickte den Delegierten noch ein „beides sind konservative Kandidaten“ mit auf den Weg. Ob das einigen reichte, um sich der Stimme zu enthalten? Damit nämlich hätten sie dem Kandidaten der ihr so verhassten Regierung geholfen.

Doch für diesen stand das Ergebnis längst fest. „Ich bin ganz, ganz zuversichtlich, dass ich gewählt werde. Aber am Ende gebietet es die Demut vor dem Amt, die Wahl abzuwarten“, hatte Wulff erklärt.

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7  Kommentare
7  Kommentare
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sirius (4.494 Kommentare)
am 01.07.2010 12:00

vorschlaghammer hat sie getroffen.

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derzweifler (979 Kommentare)
am 01.07.2010 10:54

Der deutsche Bundespräsident verdient lt. Focus 199.000 Euro plus 78.000 Euro Aufwandsentschädigung, also insgesamt 277.000 Euro. Unser geliebter Präsident erhält 319.000 Euro jährlich, also um 42.000 Euro mehr, da wird er wohl um einiges fleißiger sein.

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herbertw (14.515 Kommentare)
am 01.07.2010 09:51

Normalerweise sind ausschließlich österreichische Akteure verantwortlich, wenn ich mich vor lauter empfundener Peinlichkeit gerne verstecken würde (ORF-Reporter - immer, österr. Fußballer - im Interview und beim Spiel, FP-ler - bei Reden im Parlament, Faymann/Pröll – bei der „Ich mag dich“-Lüge, usw., und so fort).
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Aber den oberpeinlichen Oberpeinlich-Vogel hat gestern wohl die deutsche Bundesversammlung abgeschossen – die Genesis der Wulff-Wahl setze ich als bekannt voraus.
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• Wider besseren Wissens, und wider der gestrigen Erkenntnis wollen die deutschen Politiker (das Volk schon zwinkern ) den BP NICHT vom Volk wählen lassen. Die Macht-Gier-Gründe dafür sind sogar durchschaubarer und noch schlimmer als alle KHG-Sprüche rund um seinen „Meischi“
• Wider besseren Wissens und wider der Sichtweise ALLER Medien dieser Welt will BK Merkel den Deutschen dieses gestrige Desaster als „normales Wahl-Procedere“ verkaufen.
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Ich sehe die Agonie der BK Merkel am Horizont schon auftauchen.

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am 01.07.2010 09:46

Die Unmengen an Blödsinn die hier hineininterpretiert wurden...
Es war Demokratie, es wurde von allen taktiert, die Linken haben ihren Standpunkt nicht verlassen und waren daher nicht unberechenbar, dies wurde ihnen als nicht Konsens- und Koalitionsfähig angekreidet.
Alles was an diesem Tag klar, logisch, zu erwarten war,

war vorher schon ganz anders....

die Dummheit und Einfältigkeit von Frau Merkel wird hoffentlich mit einer Amtsführung eines allgemein akzeptierten Bundespräsidenten für alle Deutschen bestraft, egal wie er heißt!

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am 01.07.2010 09:38

...Sinne von der EUdssr Kommandatur ?
Ein paar Hundert gesteuerte Hansln entscheiden unter Ausschluß u. Wahlverweigerung der Bürger wer gut ist für das Deutsche Volk.
Oder wurde diese Vorgehweise von der ehemaligen DDR übernommen ?

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Marie-Luise (2.228 Kommentare)
am 01.07.2010 09:33

Beim Bundespräsidenten spielt die Persönlichkeit des Kandidaten eine große Rolle. Warum wird der Sieg ganz auf die Merkel projiziert und warum wird der Sieg wie eine Niederlage berichtet? Etwas mehr Objektivität und Neutralität würde das Lesen der Nachrichten weniger anstrengend machen. Wir wollen von den Zeitungen erfahren was geschehen ist. Wir wollen uns aber selbst ein Bild machen, ob das gut oder schlecht ist.

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am 01.07.2010 12:31

wulff gilt als einer der letzten innerparteilichen gegner von merkel. wenn der bundespräsident ist hat ihn merkel aus dem weg! das soviele aus dem regierungskreis beim ersten und zweiten wahlgang nicht für wulff stimmten ist sozusagen majestätsbeleidung für die kanzlerin! wäre er nicht bundespräsident geworden hätte es wahrscheinlich auch die frage der parteiführung (merkel) gegeben und wulff hätte vielleicht sogar merkel absägen können!

die spd/grünen geben jetzt den linken das bummerl das sie gauck nicht mitgetragen haben - die linken waren aber als einzige standhaft! die wollten gauck wegen seiner verheimlichten stasimitgliedschaft nicht! - und nicht weil gauck die stasi-aufräum-behörde führte und alle deswegen die linken als stasifreunde beschimpfen!

typische mauchelei überall!

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