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"Jetzt hast du, österreichischer Judas, 30 Silberlinge von Europa bekommen"

Von Peter Grubmüller, 11. November 2017, 00:04 Uhr
"Jetzt hast du, österreichischer Judas, 30 Silberlinge von Europa bekommen"
Robert Menasse lüftet die Europäische Kommission, damit Europa nicht verblasen wird. Bild: APA/AFP

Buchpreis-Träger Robert Menasse kämpft bei allen Fehlern der EU für die europäische Idee

Wo er zu Lesungen und Vorträgen auch hinkommt, Robert Menasse fotografiert mit seinem Handy zunächst einmal das Publikum. So hat er es auch im Oktober beim Gewinn des Deutschen Buchpreises für seinen Roman "Die Hauptstadt" in Frankfurt getan. "Ich hab’ einen Facebook-Account und ich weiß nie, was ich da draufstellen soll. Weil ich Privates auf keinen Fall veröffentlichen will, hab’ ich mir gedacht, Fotos von einer qualifizierten Öffentlichkeit zu posten", sagt Menasse. Wie es sich anfühle, den Buchpreis gewonnen zu haben und die Ochsentour an Lesungen zu bewältigen? Menasse: "Missachtet zu werden, ist viel anstrengender."

Diese Sätze sind sichere Lacher – und die jeweilige Öffentlichkeit fühlt sich als qualifiziert, danach wird es ernster: Mit "Die Hauptstadt" hat Menasse eine Mission im Gepäck. Er will den Kontinent für die europäische Idee entfachen. Er, der ehemalige Europa-Kritiker, der nach einem längeren Aufenthalt, vielen Gesprächen und tiefgreifenden Recherchen in Brüssel ein vereintes Europa so engagiert wie plausibel als unsere einzige Chance argumentiert.

Europa bedeute allerdings auch, sagt der 63-Jährige, "dass, während ich im Europaparlament bei der Feier ,60 Jahre Römische Verträge’ zum Pult gehe, um die Festrede zu halten, die ungarischen EU-Parlamentarier aufstehen und den Saal verlassen." Was davon sei Europa? "Dieser ewige Widerspruch zwischen dem Gemeinsamen und der Renationalisierung. Und ich fürchte, dass in Zukunft noch mehr Dominosteine fallen werden." Auch in Österreich, wo nationalistische Anzeichen unübersehbar sind.

Dieses "Gequatsche"

Verblüffend höhnisch sei ihm zum Beispiel auf seiner Facebook-Seite zum Buchpreis gratuliert worden: "Jetzt hast du, österreichischer Judas, 30 Silberlinge von Europa bekommen" – oder: "Das war das letzte Mal, du Schwein, dass du am Futtertrog warst." Dieses "Gequatsche", man müsse die Ängste der Menschen ernst nehmen; sie dort abholen, wo sie sind; ihnen auf Augenhöhe begegnen – all das geht ihm reichlich auf die Nerven: "Ich kann mich nicht flach auf den Boden legen, um diesen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen."

Menasse ist kein blinder Europa-Verfechter, Fehler der EU-Kommission zählt er mit gebotener Klarheit auf: "Ein gravierender Fehler ist 2014 beim Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands passiert: Damals hat Kommissionspräsident Barroso den Schotten gedroht – was ich grundsätzlich falsch finde, wenn Europäer anderen Europäern drohen: Wenn ihr euch abspaltet, fliegt ihr aus der EU. Barroso hat damals nicht begriffen, dass die Schotten die Europäer sind und die Nationalisten in London sitzen. Es ist nachgewiesen, dass 15 Prozent der wahlberechtigten Schotten für den Verbleib bei Großbritannien gestimmt haben, weil sie Angst hatten, nicht mehr Teil der EU zu sein. Und dann sind die Schotten mit dem leichtfertigen Brexit betrogen worden."

Der Fehler wiederhole sich jetzt: Europa müsse den Katalanen ein Angebot machen, als Region in Europa mitzuwirken. Stattdessen werde wieder gedroht. Menasse: "Im Lissabon-Vertrag steht: Wir bauen ein Europa der Regionen. Und die Katalanen wollten ursprünglich nichts anderes, als eine europäische Region wie Südtirol zu werden – die Nationalisten sitzen in Madrid."

Robert Menasse: "Die Hauptstadt", Roman, Suhrkamp, 459 Seiten 24,70 Euro.

 

„Die Hauptstadt“

Menasses Roman ist ein Spiegelkabinett aus europäischer Geschichte und Gegenwart, aus Tragik und Komik, aus Banalem und Bedeutendem: Ein „Jubilee Project“ soll das 50-jährige Bestehen der EU-Kommission feiern. Rund um die Vorbereitungen entwickelt Menasse seine Figuren mit einnehmenden Lebensläufen und baut eine raffinierte Geschichte: von grotesken Kräften, die auf dem EU-Fleischmarkt wirken, bis zum verborgenen Bösen im Harmlosen. Der mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnete Roman sei jedem Europäer aufs Nachtkastl gelegt.

 

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1  Kommentar
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jago (57.723 Kommentare)
am 12.11.2017 19:35

Dieser Titel passt grinsen

So viel herzhafte Ironie in einem Satz gibts selten.

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