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Fünf Burgen, ein Land

Von Roswitha Fitzinger, 14. August 2021, 00:04 Uhr
Fünf Burgen, ein Land
Burg Güssing im Südburgenland thront auf einem erloschenen Vulkankegel. Bild: rofi

Das Burgenland feiert 100 Jahre. Anlass genug für einen Besuch in Österreichs östlichstem und jüngstem Bundesland, wo nicht nur der Wein und der See das Leben prägen, sondern seit jeher auch Burgen und Grenzen eine wichtige Rolle spielen.

Die Reise beginnt unter einem Mandelbaum. Nicht irgendeiner, nicht irgendwo. Auf der kleinen Anhöhe in der Nähe von Rust blickte vor gut zehn Jahren Schauspieler Harald Krassnitzer als "Winzerkönig" in der gleichnamigen Fernsehserie auf die Weinberge und die sanften Hügel des Leithagebirges. Der Winzer Hans Feiler brachte den Stein ins Rollen und das Burgenland und insbesondere Rust ins Hauptabendprogramm. Heute füllt sein Sohn Kurt die Gläser mit Rosé-Sekt vom Blaufränkischen – unter besagtem Baum am Original-Winzertisch, der gedeckt ist mit burgenländischen Köstlichkeiten, von denen allen voran die noch ofenwarmen Grammelpogatscherl von Katrin Feiler den Gaumen erfreuen. Und dann der Wein natürlich, der im Burgenland auf 13.000 Hektar wächst.

Fünf Burgen, ein Land
Der original Winzertisch aus der Serie „Der Winzerkönig“ lässt sich auch für Picknicks mieten (feiler-artinger.at). Bild: rofi

Fast die Hälfte sind Weißweinreben. Aushängeschild sei der Chardonnay, erklärt Feiler. Besonders ins Herz geschlossen hat er jedoch den Neuburger. Eine Wiederentdeckung, nicht zuletzt dank des Klimawandels. Bekannt ist das Burgenland und insbesondere Rust jedoch für seine Süßweine. "Flüssiges Gold" nennen sie ihren "Ruster Ausbruch", weil die Bürgerschaft sich mit der Süßweinsorte 1649 das Stadtrecht erkaufte – um 60.000 Goldgulden und 500 Eimer, immerhin fast 30.000 Liter.

Heute beherbergt die 2000-Einwohner-Stadt mit der Weinakademie das größte Weinschulungszentrum auf dem Kontinent. Hier kann man sich zum Weinakademiker ausbilden lassen. Nicht nur etwas für Weinbauern, Weinhändler und Gastronomen, für Urlauber werden Schnupperkurse angeboten (weinakademie.at). Es gibt viele weitere Gründe, in Rust zu verweilen: die zur Gänze denkmalgeschützte Altstadt etwa mit ihren zahlreichen Bürgerhäusern mit Barock- oder Renaissancefassaden und schönen Fenster- und Portalrahmungen, Erkern, Wappen- und Stuckdekorationen. Nicht nur schönste Stadt des Burgenlandes, auch Stadt der Störche wird Rust genannt. Man trägt das Tier im Wappen, betreibt eine eigene Storchenpflegestation. Es gibt Storchenkameras und einen Storchenverein. Und dann ist man in Rust natürlich nur einen Storchenflügelschlag vom Neusiedler See entfernt.

320 Quadratkilometer gefüllt mit Wasser

Jemanden, der sich an klaren, kalten und tiefen Binnengewässern erfreut, können jedoch selbst 33 Grad trockene Hitze nicht in das trübe und seichte Wasser des Steppensees locken. Das Boot bietet eine annehmbare Alternative. "Der See ist immer trüb", sagt Alois Lang. Er kennt sich mit dem Neusiedler See und dem gleichnamigen Nationalpark aus wie andere hier mit dem Wein. Wir bewegen uns auf 320 Quadratkilometern gefüllt mit Wasser, die Hälfte liegt im Schilfgürtel. "Dort gibt es Klarwasser und völlig andere Lebensräume", erklärt Lang. Acht bis zehn Millimeter sinke der Wasserspiegel an Tagen wie diesen, bis zu 40 Zentimeter in heißen Sommern. Aber auch was Segler und Surfer erfreut, lässt das Wasser im größten abflusslosen See Mitteleuropas schwinden. Gibt es viele Tage mit Wind, sind die Verluste ähnlich stark wie im Hochsommer, so Lang: "Vielleicht erleb ich noch, wie er austrocknet." Alles schon passiert, vor 150 Jahren.

Fünf Burgen, ein Land
Der Naturpark Raab-Örség-Goricko zwischen Österreich, Ungarn und Slowenien ist der einzige trilaterale Naturpark in Europa. Bild: rofi

Das Boot nähert sich einer Betoninsel. Sie markiert die österreichisch-ungarische Staatsgrenze, die von Mörbisch ostwärts in den See läuft. An dem Punkt, wo sie um etwa 100 Grad nach Süden knickt, haben die Ungarn 1973 die Betoninsel mit etwa 13 Meter Außendurchmesser errichtet. In ihrer Mitte trägt sie ein Vermessungszeichen. Der Vermessungspunkt "B 0" durfte bis zum Fall des Eisernen Vorhangs weder betreten noch umfahren werden und gilt heute als Symbol des Kalten Krieges.

Wir verlassen das Boot östlich des Sees in Illmitz, um den Abend im Nationalpark zu verbringen. Auch der Seewinkel ist Grenzgebiet – geologisch und klimatisch endet hier Europa und beginnt Asien, die Eurasische Steppe. "Der Vorteil von Hitzewellen bei sinkendem Wasserstand: Es konzentriert sich alles auf wenige Wasserstellen", so Lang, der durch sein Spektiv auf Anhieb Kiebitze, Uferschnepfen und Bekassinen ausmacht. 340 Vogelarten kann man am Neusiedler See während eines Jahres beobachten. Verhältnisse wie an ornithologisch spannenden Meeresküsten, versichert Lang. Eine Tatsache, die jährlich Tausende Vogelbeobachter anlockt. Aber nicht nur die Fauna, auch die Flora bietet Spannendes. "Die Landschaft verändert sich ständig. Die hellgrauen Flächen werden demnächst weiß und im August bekommt die Landschaft einen Lilaton."

Abends in der Steppe

Die untergehende Sonne fabriziert derweil in der flachen Steppenlandschaft ihre eigenen Farbenspiele. Die Umrisse vorbeiziehender grauer Steppenrinder sind verschwommen, der Verstand scheint vernebelt, weil unsicher: Befindet man sich wirklich im Burgenland und nicht etwa irgendwo jenseits von Afrika?

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Die 300 grauen Steppenrinder im Nationalpark helfen bei der Beweidung. Bild: rofi

Afrika ist weit weg, Ungarn ist es nicht. Mit wehrhaften deutschen Bauern besiedelten die Magyaren einst ihr Reich im äußersten Westen, zu dem auch das heutige Burgenland gehörte. "Deutsch-Westungarn" hieß der Landstrich bis 1921. Es war das Land der vier Komitate Pressburg (Bratislava), Wieselburg (Moson), Ödenburg (Sopron) und Eisenburg (Vas), die nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Zusammenbruch der Donaumonarchie von Österreich beansprucht wurden. Vom "Vierburgenland" war in diesem Zusammenhang die Rede. Doch im Zuge der Friedensverhandlungen von St. Germain und Trianon kam keine dieser Städte zu Österreich. Was blieb, war das Burgenland als Name.

Burgen gibt es im Burgenland jedoch einige. Als mächtige Festungen thronen noch immer Forchtenstein, Lockenhaus, Bernstein, Schlaining, Landsee und Güssing auf den Felsen. Letztere sogar auf einem erloschenen Vulkankegel. Hier, an der Thermenbruchlinie, enden die Ostalpen und es beginnt die ungarische Tiefebene. Unsichtbare Grenzen. Von der Burg für das menschliche Auge zu sehen hingegen Kukmirn, "das brennende Dorf", in dem 50 verschiedene Sorten von Bränden und Likören hergestellt werden, daneben Heiligenbrunn oder "die heilige Stadt des Uhudlers", wie Gilbert Lang sagt. Er ist der Burgadministrator in Güssing. Als "Chief of the Burg", wie er sich salopp auch nennt, ist er stolz auf das Sommertheater ("die Burg lebt") und das Burgmuseum mit Ahnengalerie der Magnatenfamilie Batthyany, den früheren Burgbesitzern. "In der Familiengruft liegen mehr Tote als in der Kapuzinergruft", weiß Lang und erzählt von 130 Särgen und 50 Skeletten. Derzeit ist auf der Burg Güssing auch ein Teil der Sonderausstellung "100 Jahre Burgenland" (bis Ende Oktober) zu sehen. Sie widmet sich unter anderem dem Alltagsleben der Menschen in der Zeit zwischen 1848 und 1921.

Auswanderer und Prominente

Es war ein entbehrungsreiches Leben, vielfach geprägt von Kinderreichtum und wirtschaftlicher Not. Ein Umstand, der vor, zwischen und nach den beiden Weltkriegen viele Burgenländer ihr Glück in Amerika suchen ließ. Der Bezirk Güssing war das Zentrum der Auswanderungswelle, die 1923 ihren Höhepunkt erreichte, als ein Fünftel der Bevölkerung Dampfschiffe bestieg – meist ohne ein Wort Englisch zu können und manchmal mit einer Zündholzschachtel voll Heimaterde im Gepäck. Ein kleines, bescheidenes Museum erzählt von den drei großen Auswanderungswellen, den geschätzt 70.000 Menschen, von denen viele zurückkamen, weil sich ihr Traum von einem besseren Leben nicht erfüllt hatte. Die, die geblieben sind, haben mit der alten Heimat Kontakt gehalten – bis heute. Das "Picnic" der Auslandsburgenländer in Moschendorf hat ebenso Tradition wie die Wahl der "Miss Burgenland" in Amerika, wo gegenwärtig nach wie vor etwa 80.000 Burgenländer und ihre Nachkommen leben.

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Eine besondere Misswahl in Amerika Bild: rofi

Auch die Tante von Gerlinde Gibiser war eine Amerika-Rückkehrerin. Mit dem Geld hat sie sich einen Gasthof samt Zimmer und Kellerstöckl in Heiligenkreuz gekauft, den heute die 68-Jährige betreibt. Die heimische Polit- und Kulturprominenz kehrt bei der umtriebigen Wirtin ebenso ein wie der Adel. So stieg der ehemalige spanische König Juan Carlos nach erfolgreicher Jagd im benachbarten Ungarn bei Gibiser ab, die selbst begeisterte Jägerin ist. Das Wild wird zu Spezialitäten des Burgenlandes wie "Zigeunerfleisch" verkocht, das so gut wie in Ungarn schmeckt. Aber auch ihre Strudel sind eine Wucht. Sie kommen süß als Marillenstrudel oder sauer als Kartoffelstrudel aus der Küche (g-gibiser.at). Dazu ein Wein von herüben oder drüber der Grenze.

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Marillenstrudel, nur eine kulinarische Köstlichkeit aus dem Burgenland Bild: rofi

Hier, tief unten im Burgenland, am einstigen Ende der westlichen Welt, ist auch heute noch alles etwas anders, einfacher und unaufgeregter. Die Abgeschiedenheit hat die Gegend zu einem Refugium für Künstler werden lassen. In Neumarkt an der Raab hat sich das Künstlerdorf einen Namen gemacht. Ein Dorf eingebettet in ein Dorf. Künstler wie Peter Handke, Gerhard Roth, Christian Ludwig Attersee, Elfie Semotan oder Friederike Mayröcker haben sich hierher zurückgezogen, bedeutende Werke geschaffen oder sind hergezogen. "Artist in Residence" wird im Künstlerdorf seit den 60er-Jahren praktiziert, ausgehend von dem Gedanken, alte Bausubstanz zu erhalten. Es begann mit einem Atelierhaus, heute sind es neun denkmalgeschützte Häuser – von der Ölmühle bis zum alten Bauernhaus – in die sich jeder einmieten kann. Zusätzlich werden im Sommer Workshops angeboten (kuenstlerdorf.net).

Die Stille im Dreiländereck Österreich-Ungarn-Slowenien hat ihren Reiz. Auch wir lassen uns treiben, mit dem Kanu auf der Raab, der Grenze entgegen – wieder einmal.

Was man sich nicht entgehen lassen sollte

  • Schloss Esterhazy in Eisenstadt: Jeweils um 11 Uhr starten Spezialführungen, die etwa die Glanzlichter des Schlosses beleuchten oder Einblicke in das Schaffen und Leben des Komponisten und Esterhazy-Hofkapellmeisters Joseph Haydn geben. Tipp: In die „Selektion“, die Vinothek mit der österreichweit größten Auswahl an burgenländischen Weinen, einkehren. >> www.selektion-burgenland.at; esterhazy.at
  • Das Dorfmuseum in Mönchhof: Zu zeigen, wie die Menschen im Seewinkel früher lebten, hat Josef Haubenwallner zu seiner Lebensaufgabe gemacht. Was man abreißen wollte, hat er abgetragen und wieder aufgebaut, 18.000 Einzelstücke vor dem Verschwinden gerettet – von Zollhaus, Pfarrhaus, Weinkeller über eine Tischlerei bis hin zum gedeckten Hochzeitstisch, einer Maschine für Kaisersemmeln, hunderten Tapetenrollen und Mauerziegeln mit Monogrammen, wie sie damals jedes Haus hatte. Man spaziert durch die Vergangenheit und kann sich nicht sattsehen. >> dorfmuseum.at
  • Kammermusikfestival in Lockenhaus: Seit 40 Jahren verwandelt sich die Marktgemeinde im Sommer in ein Zentrum der Kammermusik. Das Besondere: Es musizieren junge, internationale Künstler und das Programm entsteht kurzfristig, häufig auch erst vor Ort. >> kammermusikfest.at
  • Tipp: Bei Anni Glatz im Gasthaus „Zur Traube“ in Neckenmarkt eines ihrer pannonischen Schmankerl (Rahmsuppe mit Bohnensterz) probieren. >> zurtraube.at
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Autorin
Roswitha Fitzinger
Roswita Fitzinger
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