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Das Brot der Stunde

Von Philipp Braun, 25. Juli 2020, 00:04 Uhr
Das Brot der Stunde
Thomas Hofer vor seinem neuen Herzstück: ein Holzofen, der seinen Broten und seinem Gebäck das verführerische Aroma und die perfekte Konsistenz verleiht. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Backen, Sauerteig ansetzen, Flesserl formen. In der Krise entdeckten Menschen alte Tugenden. Die OÖN haben mit Haubenkoch Thomas Hofer über das Bäcker-Handwerk gesprochen und sich Tipps und Rezepte geholt.

Leider aus. Schauen Sie nächste Woche vorbei. Vielleicht haben Sie Glück und es ist noch etwas Hefe da." Germwürfel zu Corona-Zeiten zu ergattern, glich einem Glücksspiel. Neben Klopapier und Teigwaren waren diese meist 42 Gramm schweren Quader begehrt wie kleine Golddukaten.

In der Krise entdeckten Menschen Dinge, die sonst im Nebel der Bequemlichkeiten verschwanden. Brotbacken zum Beispiel. Man hatte ja auf einmal Zeit. Zeit, um die Geschmeidigkeit der Finger zu testen. Zeit, einen Sauerteig anzusetzen, diesen über Wochen liebevoll zu füttern – und nicht auf Germ angewiesen zu sein.

Der langzeitführende Bäcker

Thomas Hofer, Haubenkoch vom Culinariat im Bergergut, backt seit Jahren Brot für die Gäste. "In unserem Betrieb ist das ein Muss. Wir fertigen ja auch Blunzn oder Speck selbst."

Da die herkömmlichen Öfen zum professionellen Brotbacken nur suboptimal geeignet sind, leistete sich Hofer einen Holzbackofen der Firma Häussler. Ein wuchtiges, schwarzes Ding mit einer Tonne Gewicht, ausgekleidet mit drei verschiedenen Schamottsteinen und ein Hingucker im neuen Brotbackhaus des Romantikhotels. Das "Knusperhaus" schließt an den Rosengarten mit Fischteich an, wo verliebte Pärchen Händchen haltend spazieren und turteln.

Amor dürfte gleich mehrere Pfeile verschossen haben. Denn auch Hofers Liebe zum Brot und Gebäck ist spürbar. Bis zu 14 Sorten backt er an unterschiedlichen Tagen: von Mohnflesserl über Baguettes bis zu rustikalen Bauernlaiben. Zirka 100 Kilo Mehl knetet der Koch pro Woche. Vorzugsweise von der Perger Mühle Dirneder. "Eine ausgezeichnete Mühle, die zu unserem regionalen Konzept passt", sagt Hofer. Auch wenn sich für Baguettes ein französisches Mehl besser eignen würde, verzichtet Hofer darauf. "Wir sind im Mühlviertel und das Brot ist ein erdiges Produkt und soll unsere Landschaft wiedergeben. Ich kann nicht für eine regionale Küche werben und das Mehl im Ausland kaufen." Passend zur Philosophie wird auch der Ofen mit Fichtenholz aus den eigenen Wäldern beheizt.

Das Brot der Stunde
Fingerspitzengefühl und handwerkliches Geschick … Bild: VOLKER WEIHBOLD

Die Regionalität ist für den Koch unverhandelbar – wie das Handwerk. Prinzipiell verzichtet er auf industriell hergestelltes Gebäck, das sich zwar wie ein Bodybuilder aufbläst, aber vieles auf der Strecke lässt: Geschmack, Lagerfähigkeit und vor allem Verträglichkeit. Hofer nimmt sich lieber Zeit und gibt diese auch seinen Teigen – von einer langen Teigführung profitieren der Magen und die Sinne. Germ fügt er nur in kleinen Mengen bei. Zuviel ist weder notwendig noch gesund. 90 Prozent seines Sortiments sind Sauerteigbrote, seinen Grundsauerteig frischt er jeden zweiten Tag auf.

Erfrischend sind auch die Kochkurse, die Hofer anbietet. Seit Mitte Juli unterstützt er Wissbegierige bei den ersten Backschritten. Am ersten Tag fertigt man gemeinsam die Vorteige. Im Handumdrehen entstehen geschmeidige, glänzende Teige. Nach zwei Stunden sind sie für fünf Sorten fertig und man wundert sich, wieso man nicht eher mit dem Brotbacken begonnen hat.

Ein Hoch auf das Handwerk

Am nächsten Tag kommt die Erkenntnis, wieso es Meisterbäcker gibt: Mohnflesserl, Baguettes und Brote stehen auf dem Programm. Auch wenn Flesserl als einfach zu formen gelten, gleichen die "Striezel" zu Beginn einem Batzen Teig mit ein paar Windungen. Aber bereits nach wenigen Versuchen gelingen hübsche, ansehnliche Flesserl, die noch in ein Kleid aus Mohn und Salz gesteckt werden, ehe sie für 15 Minuten im Ofen verschwinden.

Das Brot der Stunde
… machen aus jedem Stück Teig ein Unikat – fernab von industrieller Ware. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Baguettes zu formen ist keineswegs leichter; doch mit Gespür bringt man die nötige Spannung in das Gebäck. Kurz im Leinen rasten lassen, mit einer Rasierklinge die Oberfläche ritzen und der 20 Minuten lange Weg im Backrohr beginnt. Der Duft verführt, die Baguettes zeichnen sich durch resche Kruste und schöne Farbe aus. Perfekt. Hofer erklärt Qualitätsmerkmale: "Je grober die Porung, je wilder, desto besser. Das zeugt von hoher Qualität. Je gleichmäßiger, desto schneller ist der Teig gegangen. Und wahrscheinlich wurde in die chemische Trickkiste gegriffen."

Hofer hält nichts von solchen Spompanadeln. Wenn es für ihn eine Kiste gibt, dann nur die Schatzkiste. Die kommt beim Schwarzbrot nach dem Backen ins Gespräch. "Wenn du das Brot umdrehst und klopfst, und es hört sich wie eine alte Schatzkiste an, dann bist du dabei und hast das perfekte Brot." Dieses würde auch besonders lange halten. Einzig – es schmeckt zu gut und ein Kilo-Laib ist schneller verdrückt, als man glaubt. Wer brodelt, muss sich wohl damit abfinden. "Leider aus", heißt es dann.

Fünf Tipps fürs Brotbacken

Zeit: Vergessen sie Hudriwudri-Aktionen. Gutes Brot gelingt nicht im Handumdrehen, sondern benötigt eine lange Teigführung (bis zu 60 Stunden), damit sich Struktur, Volumen und Geschmack bilden können.

Getreide: Egal ob Weizen, Dinkel, oder Roggen – beziehen Sie es von den Bio-Bauern aus der Umgebung. Sie können selbst mahlen oder greifen auf einen Handwerksbetrieb zurück. Frisch vermahlen oder lagerfähig ist Geschmacksache.

Gewürze: Wasser, Mehl, Salz und sonst nichts. Sicher schmeckt puristisches Brot, es gewinnt aber durch Gewürze wie Koriander, Kümmel oder Schabzigerklee.

Kneten: Langsam mischen und schnelles Kneten. Aber nie zu lange. Die Struktur darf nicht leiden.

Temperatur: Jeder Ofen ist anders, ein Backstein optimal, eine Temperatur von 250 °C empfehlenswert. Bei einer Kerntemperatur von 96 Grad ist das Brot durchgebacken.

Zu den Rezepten: 

Mohnflesserl
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Mohnflesserl

Vorteig: 440 g Weizenmehl Type 700, 440 g Wasser kalt, 4 g Hefe

Hauptteig: Reifer Vorteig, 1070 g Weizenmehl Type 700, 440 g Wasser kalt, 33 g Salz, 30 g Butter, 24 g Honig, 15 g Kristallzucker, 15 g Hefe

Zubereitung: Vorteig mischen, 2 Std. bei Zimmertemperatur, 10-16 Std. in den Kühlschrank geben. Für den Hauptteig alle Zutaten zu einem glatten Teig kneten. 6 min langsam und 6 min schnell kneten. Den Teig 20 min zugedeckt rasten lassen. Dann in 70 g schwere Stücke teilen und locker zu runden Kugeln schleifen (müssen nicht formschön sein). Weitere 15-25 min rasten lassen. Danach die Teigkugeln zu Flesserl formen, mit Wasser bestreichen und in Mohn oder Mohn-Salz tauchen.

Mit Abstand auf ein Blech absetzen und aufgehen lassen. Nach 20 Minuten in das vorgeheizte Backrohr bei 250°C in den Ofen schieben und mit Wasser besprühen. Ofen auf 235°C zurückschalten und goldbraun backen. Die Backzeit beträgt 15-16 Minuten.

Baguette
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Baguette

Zutaten: 2100 g Mehl, 1500 g Wasser (10°C), 51 g Meersalz, 15 g Hefe

Zubereitung: Mehl und Wasser klumpenfrei vermischen, 30 min zugedeckt stehen lassen (Autolyse). Danach Salz und Hefe für 7 Minuten langsam in den Teig mischen (bis sich der Teig von der Schale löst), evtl. eine halbe Min. schnell kneten. Teig 60 min in einer mit Öl ausgestrichenen Wanne lagern. Um den Kleber zu stabilisieren, Teig alle 20 min falten. Danach ist eine lange Teigruhe bei kühler Temperatur notwendig. Optimal über Nacht, abgedeckt im Kühlschrank bei 5°C.

Am nächsten Tag den Teig in 4 Stücke à 300 Gramm teilen. Teigstücke vorformen, entspannen lassen und zu Baguettes formen. Mit der Naht nach unten im Bäckerleinen gehen lassen. Nach kurzer Gehzeit mit der Naht nach nach oben bei 250°C einschießen und ca. 20 Minuten ausbacken.

 

Roggenvollkornbrot
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Roggenvollkornbrot

Sauerteig: 500 g Roggenvollkornmehl, 550 g Wasser (50°C), 100 g Anstellgut, 10 g Salz

Brühstück: 100 g Altbrot (getrocknet, gemahlen), 300 g Wasser (100°C), 10 g Salz

Hauptteig: Sauerteig, Brühstück, 450 g Roggenvollkornmehl, 300 g Wasser (100°C)

Zubereitung: Für das Anstellgut 50 g Roggenmehl mit 50 g lauwarmem Wasser vermischen. Einen Tag bei Raumtemperatur leicht geöffnet rasten lassen. Am 2. Tag gleiche Menge untermischen, am 3. Tag je 100 g, am 4. Tag je 200 g. 50 Prozent wegnehmen. Am 5. Tag je 150 g dazugeben. Verschlossen in die Kühlung stellen. Hält 7 Tage.

Die Sauerteigzutaten mischen und 12-16 Stunden bei Raumtemperatur reifen lassen.

Das Altbrot und das Salz mit kochendem Wasser mischen, direkt auf der Oberfläche mit Klarsichtfolie abdecken und auf Raumtemperatur auskühlen lassen (bis zu 24 Stunden bei Raumtemperatur lagerfähig, ansonsten im Kühlschrank bis zu einer Woche.)

Das kochende Wasser mit dem Brühstück mischen. Anschließend alle übrigen Teigzutaten zugeben und zu einem homogenen Teig mischen (Teigtemperatur ca. 30°C.) Danach 10-15 min ruhen lassen. Anschließend zu einem Brotlaib formen und mit der Naht (Schluss) nach unten eine Stunde bei Raumtemperatur im Gärkorb reifen lassen. Bei 250°C fallend auf 200°C

60 min ohne Dampf backen.

Quelle: Lutz Geißler, www.brotbacken.de

Das Brot der Stunde
Buchtipp

50 Rezepte für warmes, knuspriges Brot

Der betörende Duft von frisch gebackenem Brot lässt uns in eine Welt eintauchen, umhüllt von Aromen, krachenden Krusten und mehlbestaubten Handwerksbäckern.

Elisabeth Ruckser, Buchautorin, Genussethik-Expertin und Backschulleiterin, kommen zudem Erzählungen ihrer Mutter in den Sinn: Eine Zeit, in der die 11-köpfige Familie riesige Teigmengen mit der Hand mischte und Brotlaibe im Schubkarren zu Bäckern brachte, die danach zu "Störbrot" gebacken wurden.

Das Thema Brot und Backen zog sich seitdem durch das Leben von Ruckser wie der Brotduft durch die Backstuben. Für ihr neues Brotbackbuch besuchte die Autorin neun landwirtschaftliche Betriebe in ganz Österreich und porträtierte die Familien und ihre Lieblingsrezepte. Alles fernab von einer industriell gestalteten Backlandschaft mit uniformen Geschmacksmustern. Leidenschaftliche Bäcker erzählen ihre Geschichten – vom Getreide bis zum Brot, garniert mit hilfreichen Tipps und Rezepten. Damit uns der Brotduft ewig erhalten bleibe.

Tipp: Elisabeth Ruckser: "Bäuerinnen, Brot und Sehnsucht", Löwenzahnverlag, 216 Seiten, 26,90 Euro

Das Romantikhotel und Hofers Liebe zum Brot

Thomas Hofer ist niemand, der sich mit Durchschnitt zufrieden gibt. Deswegen gab es für ihn auch immer nur einen Weg. Und der führte stets nach oben – zu den besten Köchen Österreichs. Die ersten kulinarischen Gehversuche unternahm Hofer in der Verdi Diele – und galoppierte weiter in die besten Häuser. Unter anderem in den Taubenkobel in Schützen am Gebirge und ins Steirereck in Wien.

Mit handwerklicher Expertise beschlagen und Weitblick für regionale Aromen führte er zunächst mit Lebensgefährtin Eva-Maria Pürmayer das Culinariat in Hellmonsödt. Vor drei Jahren übernahm das Duo den elterlichen Betrieb von Pürmayer, das Romantikhotel Bergergut in Afiesl.

Nach der Auszeichnung mit zwei Hauben folgte vergangenes Jahr ein weiterer Ritterschlag und die Aufnahme in den exklusiven Club "Jeunes Restaurateurs d’Europe (JRE)" – eine Vereinigung aus europäischen Spitzenbetrieben (350 Restaurants und 160 Hotels verteilt auf 15 Länder), die sich dem Hochhalten der Kochkunst und dem Austausch untereinander verpflichtet haben.

Während Corona wurde Hofers Gedanke eines eigenen Brotbackhauses fertig gebacken. "Das passt gut. Jetzt setzen wir das um", sagt der Haubenkoch. Für Gäste besteht die Möglichkeit, neben einem 6-Gang-Menü und Übernachtung einen Brotbackkurs oder Kochkurs zu belegen.

Praxisbeispiel: 1 Nächtigung im DZ, 6-Gang-Abendmenü, Brotbackkurs inklusive Rezepten ab 219 Euro/Person. www.romantik.at

 

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Autor
Philipp Braun
Kulinarik-Redakteur
Philipp Braun
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