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"Menschen sind wie Bäume"

Von Karin Schütze, 17. Juli 2020, 00:04 Uhr
Bild: (APA/GEORG HOCHMUTH)

Seit 29 Jahren singt sie an der Staatsoper. 2011 lieh sie ihre Stimme den "Töchtern" des Landes in der Bundeshymne. Am 2. und 9. August ist Sopranistin Ildikó Raimondi (57) beim Musikfestival Steyr mit einem multimedialen Operettenkonzert zu erleben. Warum Frauen stolz auf sich sein sollten, erzählt sie im Gespräch.

Danke, dass Sie im März 2019 spontan in der "Elektra" am Musiktheater eingesprungen sind.

Ildikó Raimondi: Das war für mich ein sehr schönes Erlebnis, Linz war einer der wichtigsten Verträge für mich, damals, als ich frisch in Österreich war. Wiederzukommen war schön.

Wie ist es Ihnen in den vergangenen Wochen ergangen?

Es war am Anfang ein ganz seltsames Gefühl. Dass von heute auf morgen plötzlich der Kulturbetrieb stillsteht, war noch nie da. Wir Sänger kennen es, alles abzusagen, wenn wir krank sind. Aber das betrifft immer nur einen. Es war eine einmalige, besondere Situation, die ich erst jetzt richtig zu begreifen beginne. Es hat sich sehr vieles verändert, auch in unserem Verhalten. Das Publikum muss wieder Vertrauen finden und das Bedürfnis empfinden, zusammenzukommen. Das wird seine Zeit brauchen. Privat habe ich es eigentlich als ein Geschenk der Zeit empfunden, am Anfang. Beruflich ist es schwer, in Form zu bleiben. Wobei wir Sänger am privilegiertesten sind. Wir müssen relativ wenig üben, sonst wird die Stimme müde. Ein Klavierspieler, ein Violinist muss sieben, acht, zehn Stunden am Tag spielen. Da sind wir Sänger besser dran. Aber ich habe auch gemerkt, dass bei meinem ersten Auftritt an der Staatsoper das Lampenfieber ganz groß war. Das muss man auch üben, dass man immer wieder raufgeht und sich vor das Publikum stellt.

Auch nach 29 Jahren an der Staatsoper?

Lampenfieber vergeht nicht, weil es eine Mischung ist aus freudiger Erwartung und Ängsten, dass etwas misslingen kann, dem Wunsch, alles so zu bringen, wie man es vorbereitet hat. Wir sind immer live, es kann immer etwas passieren. Lampenfieber ist immer da, aber wenn die Freude die Angst überwiegt, ist das ein guter Motor.

Wie empfinden Sie die Live-Übertragung im Kino, steigt damit der Druck zusätzlich?

Wir leben in einer neuen Zeit. Einerseits brauchen wir diese Medienpräsenz, natürlich möchte die klassische Musik auch präsent sein. Wir freuen uns über eine große Live-Übertragung. Aber der Druck steigt natürlich, man muss wirklich gut sein. Ich tu mir ein bisschen schwer mit Übertragungen, weil sie nicht wirklich den Zauber bringen. Bei Unterhaltungsmusik spielt das keine so große Rolle, da sind die Mikrophone, Stereoanlagen, alles wird verstärkt und gemischt. Aber im klassischen Bereich ist der große Zauber, die menschliche Stimme, die Instrumente pur und live, natürlich zu erfahren. Das kann keine Aufnahme ersetzen.

Sie haben die Bundeshymne mit den neuen "Töchtern und Söhnen" eingesungen. Haben Sie sich selbst als Frau je benachteiligt gefühlt?

Ich habe mich bis dahin mit keinem Text einer Bundeshymne der Länder, in denen ich gelebt habe, beschäftigt. Als ich mich mit dem österreichischen Text und dem Grund, warum das passiert, beschäftigt habe, wurde mir klar, dass man weltweit erstmals eine Textänderung wünscht, damit Frauen gleichberechtigt werden. Ich finde es sehr schön, dass Österreich diesen Schritt macht. Ich bin in Rumänien im Kommunismus aufgewachsen. Was alle kommunistischen Länder haben: Es gibt keinen großen Unterschied zwischen Frauen und Männern. Beide müssen gleich hart arbeiten, das wird nicht thematisiert. Als ich in den Westen kam – zunächst nach Italien, dann nach Österreich – habe ich gesehen, dass Männer mehr verdienen. Ich habe das zunächst als selbstverständlich hingenommen. Das ist es nicht. Ich sehe aber auch, wie viel in westlichen Ländern für diese Gleichberechtigung geschehen ist. Es spielt keine Rolle mehr beim Studium, der Berufswahl. Das ist schon sehr viel. Ich persönlich fühlte mich nicht benachteiligt als Frau. Ich habe mein Berufsleben in Österreich verbracht und habe Unterstützer gefunden. Aber was mir auffällt, ist, dass Männer viel entschiedener vorgehen, viel mutiger sind, um ihre Gehälter zu kämpfen. Sie schätzen ihren Wert höher, als Frauen das tun.

Was würden Sie den Frauen wünschen?

Dass sie an sich glauben. Frau zu sein ist etwas Besonderes. Wir sind sehr starke, organisierte, kluge Geschöpfe. Wenn wir auf unsere Freiheit und Selbstbestimmung achten, ist alles möglich. Ich würde Frauen raten, dass sie sich zutrauen, das Leben zu leben, das sie als lebenswert empfinden.

Warum liegt Ihnen die Operette besonders am Herzen?

Die Operette ist ein wichtiger Teil der österreichischen Identität. Sie gehört zu diesem Land. In der schwersten Zeit, in den größten Krisen war sie da, während der zwei Weltkriege, während die Monarchie gestürzt wurde, hat sie Trost gespendet. Sie liegt mir am Herzen, weil ich merke, dass die Operette in den vergangenen Jahren bagatellisiert wurde. Ich habe so vieles von Österreich bekommen, dass ich mich verpflichtet fühle, auch dieses Kind der Kunst zu pflegen und zu lieben.

Tut man der Operette Unrecht?

Operetten sind schwierig zu inszenieren und zu spielen, eine schöne Stimme allein reicht nicht. Die Operette ist der Spiegel einer gewissen Zeit. Sie frisch und neu zu inszenieren, ist wahrscheinlich schwerer als ein Mozart-Werk in die heutige Zeit zu holen. Die Operette ist sehr geschichtsgebunden.

Ist vielleicht genau das auch das Problem, dass die Operette die Brücke in unsere Zeit schwer schlagen kann?

Ich glaube, dass wir in unserer heutigen Zeit sehr schwer Brücken schlagen können und unsere Fühler zu wenig in die Vergangenheit, zu unseren Wurzeln ausstrecken können, weil wir vom heutigen Leben so eingenommen sind. Wir sind täglich damit konfrontiert, was überall auf der Welt los ist, wo was passiert. Wenn man sich allein die Nachrichten anhört, die Breite, auch die Flut an Informationen, die über einen kommt. Wir sind sehr jetzt-orientiert und ein bisschen zukunftsorientiert, wir haben kaum Zeit, uns mit unserer Basis zu beschäftigen. Beim Unterrichten an der Universität (Mozarteum Salzburg, Anm.) merke ich bei den 16-, 17-Jährigen im Vorbereitungskurs, dass sie kaum Zeit und Ruhe finden, um sich einmal zu erden und ihre Identität in der Tiefe zu suchen. Wir Menschen sind wie Bäume. Bei Bäumen ist das Obere fast das Kleinste, die Wurzeln halten das Ganze, die sind riesig. Sonst wird er Baum nicht groß, stark und gesund.

Wo finden Sie Ihre Ruhe?

In den Bergen, in der Natur. Und wenn ich mich für eine Stunde mit einem Buch in eine Ecke setzen kann. Um mich ist immer Musik. Wenn ich Ruhe brauche, meine Zellen und Gedanken ordnen möchte, dann am besten bei einer langen Wanderung irgendwo auf einem schönen Berg.

Leben

Ildikó Raimondi (57) wuchs als Ungarin in Rumänien auf. 1988 gewann die Sopranistin den Belvedere-Gesangswettbewerb, seit 1991 ist sie Mitglied der Wiener Staatsoper. Seit 2015 unterrichtet die Mutter zweier Söhne auch am Mozarteum Salzburg.

OMIA

„Operette Made in Austria“ nennen Ildikó Raimondi und der Linzer Tenor Herbert Lippert ihr gemeinsames multimediales historisch-dokumentarisches Operettenkonzert mit dem Ziel, dem Genre „in dieser modernen und zielorientierten Zeit eine neue musikalische Sichtweise“ zu geben.

Musikfestival Steyr (23.7.-9.8.)

Mit „Musical Fever“ bringt das erste Jukebox-Musical von Intendant Karl-Michael Ebner und Markus Richter die Hits von ABBA bis Webber in den Schlossgraben Lamberg.Termine: 23.-25.7.; 30.7.-1.8.; 6-8.8.

Beim „OMIA – Operette Open Air“ sind die Staatsopernstars Ildikó Raimondi und Herbert Lippert zu Gast (2., 9. 8., je 20.30 Uhr).

Poesie und Musik mit Cello und Klavier bringen Konstantin Wecker (li.), Fany Kammerlander und Jo Barnikel mit (28.7.).

Infos, Karten: 07252/53229-0 und tickets@
musikfestivalsteyr.at, www.musikfestivalsteyr.at

 


 



 

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Autorin
Karin Schütze
Redakteurin Kultur
Karin Schütze
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