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Wie man das Fürchten verlernt

Von Christian Schacherreiter, 15. Juli 2017, 00:04 Uhr

Der neue Roman der Oberösterreicherin Eva Schörkhuber ist eine politische Dystopie, aber keine hoffnungslose. Eine Rezension von Christian Schacherreiter.

"Du wirst dich jetzt auf meine Stimme konzentrieren. Meine Stimme wird dir dabei helfen, weiterzukommen." So beginnt Eva Schörkhubers neuer Roman "Nachricht an den Großen Bären". Eine suggestive Erzählerin redet auf die Protagonistin namens Su ein und schickt sie mit dem Auftrag einer Widerstandsgruppe auf eine gefährliche Reise.

Die Geschichte spielt in einer befremdlichen, nicht näher bestimmten Zukunft, in der die europäische Ordnung aus der Verankerung geflogen ist. Wohlstand und soziale Sicherheit sind erodiert. Zwölfstundentage sind das Übliche. Mehr als einen Arztbesuch pro Monat gibt es nicht mehr – außer man bezahlt dafür. Die Reichen werden nicht mehr besteuert, der Mittelstand verliert den Boden unter den Füßen. Die Deklassierten treten aber nicht zum Klassenkampf an, sondern suchen die Schuld bei anderen deklassierten Gruppen, vor allem bei Migranten, die aber ohnedies ausgesperrt werden, so gut es geht.

Die "Festung Europa", die den alten Traum vom einigen Europa abgelöst hat, ist in Nationalstaaten zerfallen, die sich nach Möglichkeit einigeln. Nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gibt es A-, B-, C- und D-Zonen. Zonenüberschreitungen sind verboten. Die "Meute", eine Gruppe selbsternannter Ordnungshüter, sorgt für bürgerkriegsähnliche Zustände. Der Staat kann Sicherheit nicht mehr gewährleisten, und die Regierung – sofern man noch von einer solchen sprechen kann – ist in der Hand der extremen Rechten.

Liest man diese elementaren Hinweise zum Inhalt, erwartet man wahrscheinlich eine jener politischen Dystopien, die seit einigen Jahren den Buchmarkt bereichern. Wie in ihren Romanen "Die Blickfängerin" (2013) und "Quecksilbertage" (2014) erweist sich aber Eva Schörkhuber auch diesmal wieder als Erzählerin mit eigenwilliger Ästhetik. Die Intention der Autorin ist zweifellos politisch, die Bausteine zu ihren düsteren Szenarien hat sie der politischen Gegenwart entnommen, aber Erzählverfahren und Sprache erinnern an surrealistische Traditionen. Irgendwo zwischen Franz Kafka und einem expressionistischen Gruselmärchen. Die Reise des Helden (oder der Heldin) als Lebensprüfung, ist ein alter literarischer Topos, den Schörkhuber für ihre Zwecke adaptiert.

In "Nachricht an den Großen Bären" muss die Widerstandskämpferin Su gefährliche, möglicherweise lebensgefährliche Stationen bewältigen. Die größte Herausforderung besteht für Su darin, die eigene Furcht zu überwinden, und das – so viel darf man verraten – gelingt ihr.

Literarische Qualität hat diese "Nachricht an den Großen Bären" allemal. Ob das politische Szenario tragfähig ist, darüber mögen die Meinungen auseinandergehen. Sollte sich aber herausstellen, dass alles halb so schlimm ist und Europa doch noch einmal davonkommt, wäre Eva Schörkhuber wahrscheinlich die Erste, die sich über das Ausbleiben ihrer düsteren Befürchtungen freuen würde.

 

Eva Schörkhuber, "Nachricht an den Großen Bären", Edition Atelier, 198 Seiten, 20 Euro

Wie man das Fürchten verlernt
Bild: Verlag
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