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"Wir Farbigen waren ja immer die Hässlichen"

Von Ludwig Heinrich und Nora Bruckmüller, 23. August 2018, 00:04 Uhr
"Wir Farbigen waren ja immer die Hässlichen"
Hauptdarsteller John David Washington (34) wandelt auf den Spuren seines Vaters, Doppel-Oscargewinner Denzel. Bild: (UPI, Jason)

Spike Lee über seinen Kinofilm BLACKkKLANSMAN, Wahnsinn in den USA und Drehen mit Harry Belafonte (91)

Die Geschichte von Spike Lees Film, der ab heute im Kino läuft, klingt nach einer überzeichneten Lüge. Doch sie hat sich tatsächlich in den 70er-Jahren im US-Bundesstaat Colorado zugetragen (Kritik unten).

Der junge Polizist Ron Stallworth, im Film von Denzel Washingtons Sohn John David gespielt, wurde als erster Afroamerikaner Beamter bei der Polizei von Colorado Springs. Als Neuling schaffte er es, eine heikle Undercover-Mission zu leiten – den Ku-Klux-Klan zu infiltrieren. Unmöglich für einen Schwarzen. Doch mit einer List täuschte er die faschistischen "Brüder". Er kontaktierte den Klan stets telefonisch, ein weißer Kollege trat dann offiziell als Ron auf. Die Mission gelang.

 

OÖNachrichten: Sie haben die Geschichte nicht als bitterernstes Drama inszeniert, sondern als überzeichnete, groteske Satire. Das gehört ja irgendwie zu Ihnen?

Spike Lee: Ja, und da habe ich ein großes Vorbild: "Dr. Strangelove oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben" (Kultfilm über einen ‚nuklearen Holocaust’ aus 1964 von Stanley Kubrick, Anm.). Was gibt es Schrecklicheres als die Vorstellung vom Ende durch einen Atomkrieg? Dennoch hat Hauptdarsteller Peter Sellers umwerfend komische Momente geschaffen.

Sie bauen mehrmals aktuelle Anspielungen ein. Zum Beispiel die Worte "America first", ein PR-Credo von Donald Trump?

Sie werden es nicht glauben, aber das sind keine aktuellen Anspielungen. Diese Worte hat der Ku-Klux-Klan bereits in den zwanziger Jahren gegen die Emigranten verwendet.

Wie würden Sie diese Worte heute am liebsten verwenden?

Nicht im Sinne von Hass, sondern von Liebe. Aber leider leben wir in einer Zeit, die eher von Hass geprägt ist. Und von Geldgier.

In einer Schlüsselszene spielt Harry Belafonte, inzwischen 91 Jahre alt, einen Aktivisten, der eine Rede hält. Wie schwierig war es, ihn zu bekommen?

Überhaupt nicht. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits 90 war, tat er alles, damit ich ihn engagierte. Ich war mir dieser Ehre bewusst. Und ebenso bewusst legte ich diese Szenen auf den allerletzten Drehtag. Am Tag zuvor versammelte ich das gesamte Team um mich und ordnete an, alle mögen ihre schönsten Kleider anziehen. Die Herren dunklen Anzug und Krawatte. Als Harry im Studio erschien, standen alle auf und applaudierten ihm. Über diesem Drehtag lag unglaubliche Magie. Und als wir fertig waren, ahnte ich zum ersten Mal, dass das ein guter Film werden würde.

Sie haben sich immer für Bürgerrechte engagiert. Ist die Situation in den USA heute besser?

Ich glaube schon, ich bin optimistisch. Wir Farbigen waren ja auch immer die "Hässlichen". Bis mir eines Tages jemand ein unglaubliches Kompliment machte und sagte: "Du hast kaum noch Haare. Du hast eine dicke Nase und wulstige Lippen. Von der Hautfarbe ganz abgesehen. Aber für mich bist du schön!" Ab diesem Moment dachte ich: Ja, wirklich, die Zeiten sind besser geworden. Natürlich engagiere ich mich weiter, ich kämpfe mit meinen Freunden dafür, dass die Demokraten die Vorwahlen im Herbst und damit eine Mehrheit im Kongress gewinnen. Damit der Wahnsinn bald ein Ende hat.

Früher wirkten Sie oft wie ein "Wilder", heute sind Sie locker und witzig. Der Grundton von "BLACKkKLANSMAN" ist schon "wütend", aber auch nüchtern, fast "normal". Sind Sie am Ende gar "normal" geworden?

Waaaas sagen Sie da? Normal? Nein, den normalen Spike Lee, nein, den wird es nie geben!

Haben Sie schon früh geahnt, dass Sie einmal Filmemacher sein würden?

Nein. Ich wollte vor allem Geschichtenerzähler werden. Das hat sich ja gut getroffen.

 

Ein Film, der Coolness und Chuzpe hat
Ku-Klux-Klan-Chef David Duke soll gestürzt werden. Bild: David Lee

Ein Film, der Coolness und Chuzpe hat

Menschen mit guten Absichten wollen Menschen mit bösen auffliegen lassen. So einfach lässt sich Spike Lees Film auf den Punkt bringen. Das Virtuose kommt mit meisterhaft gewählten Mitteln. Lee kann das. Indem er laufend eine Frage stellt: Wer ist hier nun „gut“ oder nicht?

Sein Werk spielt in den USA der 70er. Der erste schwarze Polizist in Colorado Springs, Ron Stallworth, hatte damals die Chuzpe, eine Mission anzuführen: jene, den Ku-Klux-Klan zu infiltrieren. Idealer Hintergrund für Lee, um zu zeigen, dass die Definition von „gut“ immer auch von zwei Faktoren abhängt: Von der Ausprägung des sich scheinbar nie abnutzenden Reflexes, in unsicheren Zeiten – damals wütete der Vietnamkrieg – in Nationalismus zu verfallen. Und vom Grad, mit dem dunkle Kapitel, hier die Sklaverei, aufgearbeitet wurden. So viel sei dazu gesagt: Stallworth wird in seinem Revier von Kollegen ungestraft „Bimbo“ genannt.

Lee spielt mit diesen Gegensätzen und Grautönen. Und erzeugt eine herrliche Ironie. Als der schwarze Stallworth etwa erstmals beim „Klan“ anruft, schreit er: „Ich hasse Nigger und Juden. Gott segne das weiße Amerika!“ Er will ja glaubwürdig sein. Sein jüdischer Kollege Flip Zimmerman, der sich als „weißer Ron“ im Klan einschleicht, schaut ihn an, wie bestimmt jeder im Kino dreinblickt: entgeistert. Doch Lee versteht es auch, ausgewählte, verquere Situationen in Ernst kippen zu lassen. Um sich anzubiedern, sagt etwa Flip: „So etwas Schönes wie den Holocaust habe ich noch nie gesehen.“ Das trifft.

Dass solche Sätze so stark wirken, liegt am exzellenten Spiel von John David Washington als Stallworth und Adam Driver als Zimmerman: lässig, aber nie dumm-dreist. Wie der Film selbst. Er ist reich an hässlicher Historie, Aktivismus aller Ideologien, 70er-Glamour, bleibt aber ruhig. Als Krimi, der cool ist, aber nie verantwortungslos. Vor allem nie gegenüber der Gegenwart.

„BLACKkKLANSMAN“: USA 2018, 128 Min., fünf von sechs Sterne

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