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Domian: „Sterbehilfe muss legalisiert werden“

10. April 2012, 00:04 Uhr
Domian: „Sterbehilfe muss legalisiert werden“
Jürgen Domian empfing rund 20.000 Anrufer in 20 Jahren. Bild: Jürgen Domian

Jürgen Domian, Telefon-Talk-Moderator, unterhält sich in seinem neuen Buch mit dem Tod.

OÖN: Warum wollten Sie ein Interview mit dem Tod führen, warum nicht mit Gott?

Jürgen Domian: Der Tod ist mein Lebensthema schlechthin, er hat mich schon als kleiner Junge beschäftigt. Er ist das größte Mysterium unserer Existenz. Die Frage nach Tod und Endlichkeit ist immer mit der Frage nach dem Sinn des Lebens verbunden. Für die Dialogform habe ich mich entschieden, weil ich glaube, dass der Dialog direkter und sinnlicher als ein Text beschreibt. In meiner Sendung bin ich so oft mit dem Thema Sterben und Tod konfrontiert. Und ich möchte in meinem kleinen Wirkungsrahmen dazu beitragen, dass der Tod wieder mehr zu unserem Leben als Einheit gedacht wird – und das ist in unserer westlichen Welt nicht der Fall.

OÖN: Der Tod klingt in dem Buch, als würden Sie sich mit Ihrem Alter Ego unterhalten.

Jürgen Domian: Es war in der Tat ein tiefer, innerer Dialog. Bei der Konzeption war es für mich das Schwierigste, dem Tod eine Haltung zu geben. Ich habe lange mit mir gerungen und mit meinem Lektor darüber gesprochen, wie ich das machen sollte. Ich habe mich viele Jahre mit interreligiöser Mystik beschäftigt, unter anderem mit Zen-Buddhismus. Und in diesem Buch musste ich den Tod mit allen existenziellen Fragen konfrontieren, die uns Menschen betreffen. Ich habe mir den Tod aber nicht vorgestellt, ich habe ihn bloß mit meinem inneren Ohr gehört.

OÖN: In einer Antwort auf Ihre Fragen rät der Tod, wie man mit dem Abschied von Menschen im Todesfall umgehen soll – es soll die Freude überwiegen, dass es den Menschen einmal gegeben hat. Bringen Sie diese Freude beim Verlust eines Menschen selbst zustande?

Jürgen Domian: Das ist eines der schwierigsten Themen des Buches. Es ist ein Versuch des Trostes. Ich glaube, dass man dazu nur imstande ist, wenn man schon einen langen Lebensweg gegangen ist, einen Weg der Kontemplation, eine tiefe Sinnsuche. Wenn ich in meiner Sendung mit der Mutter eines ermordeten oder vor kurzem verstorbenen Kindes spreche, dann gibt es keinen Trost. Ich kann das nicht. Der Tod ist so gegenwärtig, meine Funktion ist das Dasein und das Zuhören.

OÖN: Gab es zu Beginn Ihrer Sendung Anrufe, vor denen Sie sich gefürchtet haben?

Jürgen Domian: Ja – und neben aller Routine, die diese Sendung im Laufe der Jahre auch mitbringt, fällt es mir immer noch schwer, mit Sterbenden zu sprechen. Am Anfang war das noch viel schwieriger, weil ich in diesen Dingen auch noch keine Erfahrung hatte. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, mich auf eine Intuition zu verlassen – das war dann auch richtig so. Heute gibt es keinen Anruf mehr, den ich nicht mehr bekommen möchte. Man muss sich wahrscheinlich selbst mit den grundlegenden Dingen des Lebens bereits auseinandergesetzt haben, um auch die Angst zu verlieren, in heiklen Fällen falsch zu reagieren. So eine Art Sendung kann wahrscheinlich kein junger Mensch machen.

OÖN: Sie schreiben unter anderem über eine Frau, die ankündigt, sie werde in der Schweiz Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Wäre Sterbehilfe ein Weg für Sie, den Zeitpunkt Ihres Todes selbst zu bestimmen?

Jürgen Domian: Sterbehilfe muss legalisiert werden. Es wäre schon ein großer Fortschritt, sofern der assistierte Suizid erlaubt werden würde – wie in der Schweiz. Nicht in Form einer Sterbehilfe-Gruppe, sondern im Rahmen einer Klinik oder im hausärztlichen Bereich. Ich weiß nicht, ob ich jemals Sterbehilfe in Anspruch nehmen würde, aber es wäre für mich so beruhigend, wenn es zu einer extremen Situation kommt, diese Möglichkeit zu haben. Der Tod soll die letzte Freiheit des Menschen sein, man soll sagen können: „Erlöst mich, bitte schenkt mir den Tod.“ Natürlich auf der Basis strengster Regelungen, nur im finalen Krankheitsfall und ausschließlich klaren Geistes. Ich empfinde es als einen Skandal, dass wir alle möglichen Freiheiten haben, aber wir können nicht verbindlich das Ende unseres Lebens festlegen.

OÖN: Wie hat sich Ihr eigenes Leben aufgrund Ihrer Sendung verändert, werden Sie von Leuten auf der Straße angesprochen, um Rat gebeten, werden Ihnen im Café haarsträubende Lebensgeschichten erzählt?

Jürgen Domian: Sonderbarerweise nicht, auf der Straße werde ich mit einem konkreten Problem sehr selten angesprochen. Die Leute können sehr fein unterscheiden, was privat und was medial ist. Die Veränderung, die in mir vor sich gegangen ist, war, dass sich im Laufe der Jahre mein Menschenbild verändert hat – zum Schlechten. Ich habe in so viele Abgründe hineingeschaut, die ich mir vorher nie vorstellen hätte können. Ich habe mich mit Opfern von Gewalttaten unterhalten – und mit Tätern, Vergewaltigungsopfern, Opfern von sexuellem Missbrauch, eine Unzahl von schrecklichen Dingen. Andererseits wurde ich mit Menschen konfrontiert, die unglaubliche Schicksale und Verletzungen erlitten haben und trotzdem tapfer durchs Leben gehen und nicht zu Zynikern geworden sind. Das ist meine Motivation, weiterzumachen.

OÖN: Hat sich Ihr Verhältnis zum Tod durch die intensive Auseinandersetzung verändert?

Jürgen Domian: Ja, eindeutig, auch durch das Schreiben dieses Buches. Ich habe meine Angst vor dem Tod weitgehend verloren, nicht die Angst vor dem Sterben, aber jene vor dem Tod. Ich wünsche mir, dorthin zu kommen, dass, wenn es eines Tages so weit sein wird, ich die Abgeklärtheit habe, dass es in diesem Moment auch gut ist. Große, weise Menschen können das. Alle spirituellen Weltanschauungen sagen, dass man Tod und Leben als Einheit sehen muss. Im Psalm 90 finden wir den Satz: „Herr, lehre uns zu erkennen, dass wir sterblich sind, auf dass wir klug werden.“ Und Buddha sagt: „Die höchste Meditation aller Meditationen ist die vor dem Tod.“ Und wenn man schon vor Jahrtausenden diese Erkenntnisse gehabt hat, dann muss ja auch was dran sein.

 

 

Jürgen Domian wurde 1957 in Gummersbach geboren, während seines Studiums der Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft an der Uni Köln jobbte er als Kabelträger beim Fernsehen. Von Chris Howland übernahm er die beliebte Radiosendung „Blue Monday“. Ab 1993 moderierte er die Sendung „Die heiße Nummer“ auf WDR-1, eine Telefon-Talk-Sendung, in der damals noch nach jedem Anrufer ein Musiktitel gespielt wurde. Am 1. April 1995 startete der WDR-1-Nachfolgesender Eins Live, am 3. April 1995 wurde die erste Ausgabe von „Domian“ im Fernsehen ausgestrahlt. In knapp 20 Jahren unterhielt sich Jürgen Domian mit mehr als 20.000 Anrufern.
 
Zum Buch:
Jürgen Domian: „Interview mit dem Tod“, Gütersloher Verlagshaus, 176 Seiten, 17,50 Euro.
 
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15  Kommentare
15  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
GunterKoeberl-Marthyn (17.958 Kommentare)
am 11.04.2012 12:27

umsehen müssen, in Österreich gibt es den Tod nur im "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen!

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GunterKoeberl-Marthyn (17.958 Kommentare)
am 11.04.2012 15:36

TOD:

Herr, ich will die ganze Welt abrennen

Und sie heimsuchen Groß und Klein,

Die Gotts Gesetze nit erkennen

Und unter das Vieh gefallen sein.

Der sein Herz hat auf irdisch Gut geworfen,

Den will ich mit einem Streich treffen,

Daß seine Augen brechen

Und er nit findet die Himmelspforten,

Es sei denn, daß Almosen und Mildtätigkeit

Befreundt ihm wären und hilfsbereit.

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GunterKoeberl-Marthyn (17.958 Kommentare)
am 10.04.2012 19:36

würden noch leben, hätten wir ein Gesetz für eine Sterbehilfe! Dieses Gefühl in dieser schweren Lebenssituation hilfslos und abhängig zu werden verschlimmert die Situation des Patienten! Eine Sterbehilfe gibt Sicherheit und verlängert das von den Ärzten bereits aufgegebene Leben bis zum selbst gewünschten Zeitpunkt! So aber muss der Patient noch über ein enormes "Bündel von Kraft" verfügen um sich für so einen Weg zu entscheiden und daher wäre noch viel Zeit für Ludwig Hisch gewesen, wären wir mit der Schweiz in dieser Frage auf Augenhöhe!
Für einen "Fenstersturz" braucht man noch viel an Beweglichkeit und diese Kraft musste er noch einkalkulieren und mit dieser Kraft hätte er noch sicher noch länger gelebt! Dieses Gesetz zur Zeit fördet den "Selbstmord" und gibt den "Betroffenen" keine Sicherheit! Was verantwortet die Schweiz mehr und wo liegen wir zurück? Auch Schauspieler Fux benötigte noch die enorme Kraft nach Zürich und musste daher auch früher gehen! Wir liegen falsch!

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GunterKoeberl-Marthyn (17.958 Kommentare)
am 10.04.2012 19:17

niemanden, fällt unter die "Verschwiegenheit" und solche "Kleindenker" sind im Forum, obwohl es JEDEN mit Sicherheit einmal betrifft! 7 Kommentare für ein Problem was nach einer Lösung schreit, aber die "20 Sekunden Gedenkzeit im ORF" füllte Seiten!

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GunterKoeberl-Marthyn (17.958 Kommentare)
am 10.04.2012 19:22

warum wird uns das Geheimnis zur gegebenen Zeit verschwiegen?Versetze mich in die Lage von Ludwig Hirsch und fordere erneut die Überlegung,für eine gesetzliche Regelung der"Sterbehilfe"!Warum müssen wir den Todestourismus in die Schweiz förderen,wenn wir auch in unserem Land gleiche Gefühle haben?Es muss mir doch möglich sein so eine Entscheidung bei einer"Aussichtslosigkeit",die sehr wohl die Ärzteschaft bestätigen können, dass mein Wunsch für einen würdevollen Abschied,die wir jedem geliebten "Haustier" gönnen und finanzieren,auch für mich selber gelten kann!Wie verzweifelt muss Ludwig Hirsch gewesen sein,sich vom Fenster zu stürzen,denn man kann den Ausgang über die Verletzung nicht genau vorhersehen und noch schwersten Schmerzen ausgesetzt sein!Dann die Einleitung von den kriminalistischen Behördenakten bis hin zur unwürdigen Entstellung des Körpers!Zu Ehren dieses tapferen Helden Ludwig Hirsch(Vorbild)werde ich mich,auch in meinem Interesse,für eine würdige"Sterbehilfe" einsetzen!

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GunterKoeberl-Marthyn (17.958 Kommentare)
am 10.04.2012 10:34

unbedingt angesprochen und sie ist "Lebensverlängernd" wenn man diese "Sicherheit" hat nicht menschenenunwürdig künstlich am Leben gehalten zu werden! Denn für einen Selbstmord, wie Ludwig Hirsch hinter sich hat, braucht man Mut und eine enorme Kraft für diesen Schritt, den man sich doch sparen könnte, hätte man die "Sterbehilfe" als "Rückendeckung"! Die folgende Bürokratie, Prüfung des Vorfalles, Beteiligung der Kripo und Verdächtigungen usw. könnte man sich sparen! Der enorme Sterbetourismus der ÖsterreicherInnen in das Nachbarland Schweiz ist doch eine Tatsache und einer Prüfung wert? Oder?

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haspe1 (23.645 Kommentare)
am 10.04.2012 11:00

absolut recht, Gunter. Aber wie Du weisst, ist in Österreich alles, was die Gesetze betrifft, und ebenso, was die Methoden in den Spitälern betrifft, extrem von der katholischen Lehre bestimmt und geprägt. Deshalb wird es diese Art der Sterbehilfe noch lange nicht geben.

Es geht ja so weit, dass Österreich bis vor kurzem noch ein Entwicklungsland in Sachen Schmerztherapie war, weil "christlich" geprägte Ärzte glaubten, der Schmerz wäre ja von Gott gesandt und hätte gefälligst demütig und geduldig ertragen zu werden. Oder, dass es sehr schlimm sei, wenn ein ohnehin todgeweihter von Opiaten süchtig würde. Und bei der Opiats-Thematik hat auch der Gesetzgeber wieder sehr hohe Hürden eingezogen.

Dass diese unselige "Leid geduldig und demütig ertragen"-Tour bei uns noch sehr weit verbreitet ist und armen Patienten teils aufgenötigt wird, liest man auch an diversen Todesanzeigen ab ("nach lange, geduldig ertragener schwerer Krankheit/Leid ist unser lieber Verstorbener...").

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GunterKoeberl-Marthyn (17.958 Kommentare)
am 10.04.2012 14:03

der Mensch!

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GunterKoeberl-Marthyn (17.958 Kommentare)
am 10.04.2012 22:52

damit wir auch unsere Stärekn zeigen!
Es ist zulässig, Verstorbenen einzelne Organe oder Organteile zu entnehmen, um durch deren Transplantation das Leben eines anderen Menschen zu retten oder dessen Gesundheit wiederherzustellen. Die Entnahme ist unzulässig, wenn den Ärzten eine Erklärung vorliegt, mit der der Verstorbene oder, vor dessen Tod, sein gesetzlicher Vertreter eine Organspende ausdrücklich abgelehnt hat.

Wenn wir nun die "Sterbehilfe" angehen, zur Spitalsreform und Kostensenkung unbedingt notwendig, immer älter werden die Generationen, dann sind wir Weltmeister!

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Ameise (45.683 Kommentare)
am 10.04.2012 20:33

Tja-Gunter-was soll man da noch sagen ausser-sie haben Recht...

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GunterKoeberl-Marthyn (17.958 Kommentare)
am 11.04.2012 18:13

politische Lösung in Aussicht! Zum Glück gibt es in dieser Frage die Schweiz!

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phönix77 (4.968 Kommentare)
am 10.04.2012 08:27

zu sagen, in dem artikel wurde schon ziemlich alles gesagt, das buch ist sicher lesenswert, vorm tod hab ich auch keine angst mehr, aber vor einer sinnlosen lebenserhaltung an einer maschine.

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Brido (1.903 Kommentare)
am 10.04.2012 07:51

Es ist nicht einzusehen, warum nicht - Katholiken gezwungen werden, nach der katholischen Moral zu Leben. Es werden Menschen am Leben erhalten, die nicht die Spur eine Cahnce haben je wieder das Bewusstsein zu erlangen, die Kosten dafür werden wir uns bald nicht mehr leisten können.

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( Kommentare)
am 10.04.2012 01:42

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( Kommentare)
am 10.04.2012 01:36

"gegeben" ... es kaum einen anderen, der mehr menschlichkeit in sich trägt" ... (so schwul kann der gar nicht sein, dass er mir nicht imponieren würde!)

"Alle spirituellen Weltanschauungen sagen, dass man Tod und Leben als Einheit sehen muss."

OHNE weiteren kommentar!

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