"Die Vermehrung vom Schönen"
Die Weinhandwerkerei Seymann wurde von der Muse geküsst. Den Weinen tut das gut
Künstler und Quereinsteiger werden in der Weinbranche gerne mit einem süffisanten Lächeln betrachtet. Wenn die Kunstschaffenden dann noch verstärkt auf Rebsorten wie Blauen Portugieser setzen, hören sie zudem Kommentare von Winzern wie "Was macht ihr? Ihr seid ja Deppen, Träumer und Künstler."
Die Kartause Pulkautal
Nancy Lee Seymann lächelt selig darüber. Sie sitzt entspannt unter dem Nussbaum und philosophiert lieber über den Liebreiz des "aufblühenden Pulkautals und die Vermehrung vom Schönen". Die Kosmopolitin mit türkischen Wurzeln wurde in Japan geboren, ist in Kalifornien aufgewachsen und der Liebe wegen ins Pulkautal gekommen. Zu einer Zeit, als Österreich gerade im Glykolweinskandal gefangen war und am Tiefpunkt der Qualität grundelte. "Ich konnte damals die Sprache nicht, wusste aber, dass etwas Schreckliches passiert sein musste", sagt Frau Seymann. Ihrer Faszination für Wein tat das keinen Abbruch. Die Begeisterung blieb.
Die Kunst des Weinmachens
Freilich ist die Malerin nicht naiv ins Winzerleben eingetaucht und kennt, abseits des künstlerischen Alltags, auch das Leben in großen Wirtschaftsbetrieben. "Bis 2010 habe ich in einem Pharmaunternehmen als Kommunikationstrainerin gearbeitet." Dessen Zugang zur Gentechnik und die ganzheitliche Philosophie von Frau Seymann gingen allerdings diametral auseinander, weswegen der Ausstieg aus dem Unternehmen und der Einstieg ins Weingeschäft logisch erschienen.
Seit 2010 arbeiten sie, ihr Mann Harald (im Nebenberuf Kameramann und Fotograf), und Sohn Laurin (Absolvent Weinbauschule Krems) im Familienweingut. "Wir bewirtschaften drei Hektar bio-dynamisch und kennen jeden Rebstock persönlich", sagt die Winzerin, die den Betrieb nicht erweitern will. "Es passt so. Die Wurzeln müssen zuerst greifen. Zu schnelles Wachstum ist nicht förderlich. Es muss auch uns gut gehen." Von den "glücklichen Weingärten" werden exklusive Kleinserien "der flüssigen Landschaft" in die Flasche gebracht:
Der Blaue Portugieser, Rakatai – alte Reben, 2015 (12 Euro) entzückt durch eine feine Fruchtigkeit, erinnert an die ersten Kirschen im Jahr und wird auf dem Gaumen umrahmt von edler Würze und einem angenehmen Säurebogen. Ein willkommener Rotwein für die nahenden Sommermonate. Das Schöne ist zum Greifen nah. Schmeck das Glück, halt es fest. Lieber jetzt als morgen.