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Bittschön, acht Deka Steak, gut durch

Von Von Klaus Buttinger, 04. September 2010, 00:04 Uhr
Bittschön, acht Deka Steak, gut durch
Iss nur, was du auch töten kannst, wäre ein modernes Tabu zur schnellen Reduktion des Fleischkonsums. Bild: OÖN

Wir essen uns und andere langfristig um Kopf und Kragen mit unseren Ernährungsgewohnheiten. Dabei reicht ein klein wenig Verzicht, die Ernährungsbilanz gerade zu rücken, meint der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung, Ibrahim Elmadfa,

OÖN: Sind Sie Fleischesser?

Elmadfa: Ich bin kein Vegetarier, ich esse Fleisch, aber nicht jeden Tag und nur kleine Portionen.

OÖN: Ist Fleisch für die Ernährung von Menschen zwingend notwendig?

Elmadfa: Für Erwachsene im Grunde genommen nicht. Aber ein gewisser Anteil an Fleisch in unserer Ernährung ermöglicht die Bedarfsdeckung mit bestimmten essenziellen Nährstoffen, wie Eisen, Zink oder Vitamin B 12. Deshalb ist Fleisch als Teil der gemischten Kost eine empfehlenswerte Sache.

OÖN: Wie viel Fleisch isst der Österreicher?

Elmadfa: Wir liegen beim Fleischkonsum in der oberen Hälfte der EU-Länder. Im Durchschnitt essen die Österreicher fast doppelt so viel Fleisch wie empfohlen. Das wären 65 bis 70 Gramm pro Tag, maximal 450 Gramm pro Woche. Der durchschnittliche, erwachsene Österreicher isst pro Tag 127 Gramm.

OÖN: Warum wird so viel Fleisch gegessen? Ist das evolutionär bedingt oder Prägung?

Elmadfa: Ernährungsgewohnheiten sind anerzogen. Das sieht man, wenn man Portionsgrößen geschichtlich betrachtet. Während des letzten Krieges war Fleisch auf dem Teller vieler Europäer eine Seltenheit. Nach dem Krieg, mit dem Einsetzen des Wohlstandes, hat man im Fleisch ein Prestige-Lebensmittel gesehen. Es galt: Je häufiger, je größer die Fleischportionen, desto besser. Man hat für eine Portion Steak mit 250 Gramm kalkuliert. Viel Fleisch zu essen ist also anerzogen und eine Frage der Einstellung und der Ernährungsinformation.

OÖN: Wie hoch würden Sie die Fleischmenge in einem zeitgemäßen Steakrezept ansetzen?

Elmadfa: Zwischen 100 und 150 Gramm. Empfohlen wird eine Portion zwischen 60 und 80 Gramm. Aber da muss man genügsam sein, um das zu akzeptieren.

OÖN: Man müsste sich mehr an die Beilagen halten …

Elmadfa: Auch heute noch überwiegt in vielen Haushalten die Fleischmenge auf dem Teller die Beilagenmenge. Das sollte umgekehrt sein: mehr Gemüse, Kartoffeln oder Getreideprodukte und weniger Fleisch. Das Österreichische Gesundheitsministerium hat eben eine neue Ernährungspyramide veröffentlicht, darin werden zwei bis drei Portionen fettarmes Fleisch pro Woche empfohlen, in Gramm: 300 bis 450. Und dazu eine bis zwei Portionen Fisch, in Summe 150 bis 300 Gramm pro Woche …

OÖN: Hinsichtlich Umwelt ist auch Fisch keine Alternative, Stichwort Überfischung.

Elmadfa: Die Überfischung vieler Meeresregionen ist ein Problem. Die Menge an Fisch, die wir empfehlen, kann nicht nur vom Meereswildfang erwartet werden. Es gibt eine Alternative – so genanntes Fisch Farming – auch im Binnenland in Fischteichen. Über die Fütterung der Fische kann man zwar die Nährwertqualität – etwa den Gehalt an Omega-3-Fettsäuren – nicht so weit bringen wie bei den Meeresfischen, aber verbessern. Das wäre ein Ansatz, worüber die Nahrungsmittelproduktion und die Politik nachdenken müssen.

OÖN: Vegetarismus wäre eine weitere Alternative, um umweltfreundlicher zu essen, oder?

Elmadfa: Beim Vegetarismus muss man zwischen verschiedenen Formen unterscheiden. Meint man damit Ovo-Lacto-Vegetarier, oder Vegetarier, die sich rein pflanzlich – also vegan – ernähren. Vegetarische Kost mit Eiern, Milchprodukten und Honig kann empfohlen werden. Diese durchaus bedarfsdeckende Ernährung kann Fleisch ersetzen und ein Leben lang praktiziert werden. Nach einer Untersuchung unseres Instituts über den Ernährungsstatus von Veganern, Vegetariern und Gemischkostlern fanden wir nur bei Veganern einen kritischen Status bei Vitamin B 12.

OÖN: Wie können Veganer solche Defizite ausgleichen?

Elmadfa: Vor allem muss der Vitamin-B12-Status ausreichend sein. Die meisten Veganer greifen deshalb zu entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln. Auch beim Eisen müssen Veganer aufpassen, weil Eisen aus pflanzlichen Quellen nicht so gut resorbiert wird. Auch den Status an Kalzium sollte ein Veganer einmal im Jahr untersuchen lassen. Er verzichtet ja auf Milch- und Milchprodukte und damit auf eine wesentliche Quelle von Kalzium. Drei Viertel unseres Kalziums kommen aus dieser Quelle.

OÖN: Wirkt sich ein geringer Fleisch-Konsum auf das Körpergewicht des Menschen aus?

Elmadfa: Breit angelegte Studien zeigen, dass Leute, die sich gewohnheitsmäßig überwiegend vegetarisch ernähren, ein geringeres Körpergewicht haben, so gut wie keine Adipositas und eine geringere Häufigkeit von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes II, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen oder Gicht.

OÖN: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Krebs?

Elmadfa: Der jüngste World Cancer Research Fund Report hat einen Zusammenhang herstellen können zwischen dem Auftreten von Herz- und Gefäßkrankheiten als auch Dickdarmkrebs und dem Konsum von rotem Fleisch. Ergänzt werden muss, dass damit nicht jede Form von rotem Fleisch gemeint ist. Gekochtes Fleisch ist anders zu beurteilen als gepökeltes, gebratenes oder gegrilltes. Die Österreicher verzehren übrigens zweieinhalb Mal soviel rotes Fleisch wie empfohlen, nämlich täglich maximal 43 Gramm.

OÖN: Eine Milliarde Menschen hungern. Gleichzeitig gehen Unmengen Mais und Soja aus der dritten Welt in die erste, wo sie ans Vieh verfüttert werden. Kann Fleischessen unter diesem Aspekt noch Privatsache bleiben?

Elmadfa: Fleischessen ist Privatsache – und eine Frage der Kultur, der Ernährungsgewohnheiten und -information. Wenn man die pflanzlichen Rohstoffe direkt verzehrt, anstatt sie an Tiere zu verfüttern, hat man mehr davon. Die Veredelungsverluste über das Tier – über Milch und Fleisch – sind verheerend. Sie weisen den Faktor fünf bis zwölf auf. Wenn es möglich ist, sollte man die Ernährungsweise stärker pflanzlich gestalten, mit Getreide, Gemüse und den eiweißreichen Leguminosen wie Soja, Bohnen, Fisolen, Erbsen oder Linsen.

OÖN: Es gibt Gesellschaften, die Ernährungstabus haben, etwa die Inder, die keine Kühe verzehren. Braucht es neue Tabus in Zeiten der Klimaproblematik durch Viehzucht?

Elmadfa: Tabus dieser Art braucht man nicht. Tabus sind immer eingebettet in die Kultur, in der sie vorkommen. Wir können sie hier nicht einfach übernehmen. Was wir brauchen, ist mehr Information über richtige Ernährung, Verwendung und Verwertung unserer Ressourcen.

OÖN: Ihre Empfehlung an die Politik?

Elmadfa: Sich mehr für die Prävention von chronischen, ernährungsabhängigen Krankheiten einsetzen und nicht darauf warten, dass die Leute krank werden und somit teuer therapiert werden müssen.

OÖN: Haben Sie selbst schon überlegt, Vegetarier zu werden?

Elmadfa: Eigentlich nicht. Denn es wäre allgemein nur eine kleine Umstellung der Ernährung mit ein wenig Fleischverzicht vonnöten und keine radikale Wendung. In Österreich werden derzeit 31 Prozent der gesamten Energie durch tierische Lebensmittel aufgenommen. Vor zehn Jahren waren es zwei Prozentpunkte weniger. Wir bewegen uns in die falsche Richtung und setzen immer noch auf das Prestige-Lebensmittel Fleisch.

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Ingonda (3 Kommentare)
am 04.09.2010 08:32

Ein Gedicht, das ich vor vielen Jahren geschrieben habe: "Tiere"
Ich bin Vegetarier...

Tiere

Ich liebe all die Tiere,
besonders wenn sie klein
und schiebe einen Braten
ganz schnell ins Backrohr rein.

Ich liebe viele Tiere,
verbrauche sie nach Lust,
verbanne sie in Ställe,
für sie doch sorgen muß!

Ich liebe manche Tiere,
die andern sind mir Last,
nur ich bestimm darüber,
was man noch leben läßt.

Ich liebe wenig Tiere,
der Mensch doch Krönung ist,
er geht doch nicht auf vieren
und er nicht ständig frißt.

Ich liebe keine Tiere,
sie sind nicht brüderlich,
versteh nicht ihre Sprache,
ich meß nur ihr Gewicht.

Das Fühlen längst verdorben
seit dem Paradies,
als der Mensch begonnen
und er den Bruder drischt....

Ingonda Lehner

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