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Wildwest auf Ochsenstraßen

Von Von Roman Sandgruber, 06. November 2010, 00:04 Uhr
Wildwest auf Ochsenstraßen
Bild: /www.oxenweg.net

Ochsenherden mit bis zu 400 Tieren ziehen auf der fast 70 Meter breiten „Ochsenstraße“ westwärts. Mehrere Hayduken hoch zu Ross treiben sie an. Eine Szenerie aus Wildwest im Oberösterreich des 16. Jahrhunderts.

Heute ist es nur noch schwer vorstellbar, dass zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert mehr als 100.000 Grauochsen jährlich aus der ungarischen Tiefebene und aus Transsylvanien nach Oberitalien und durch Oberösterreich und Südböhmen nach Süddeutschland getrieben wurden, um den Fleischbedarf der Städte und Verbraucherzentren zu decken. Die Ernährungswirtschaft war also auch schon früher auf überregionale Zufuhren angewiesen. Diese bis zu 1000 km quer durch Mitteleuropa führenden Ochsenstraßen und die damit verbundenen logistischen Probleme sind fast vergessen.

Der Fleischverbrauch spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Städte lag pro Kopf zum Teil beträchtlich über den heutigen Mengen. Das hat seine Gründe: Erstens waren die Bürger der aufstrebenden Handelsorte des 15./16. Jahrhunderts (Venedig, Nürnberg, Augsburg, Frankfurt oder Straßburg) im Frühkapitalismus sehr reich geworden und konnten sich viel leisten. Fleisch, im Prestige recht hoch, war stark gefragt.

Zweitens hatte es im Verhältnis zu Getreide und Brot damals den entscheidenden Vorteil der deutlich niedrigeren Transportkosten. Konnte der Landtransport von Getreide den Preis schon auf recht kurzen Strecken ins Unerschwingliche treiben, konnten Rinder gehen, sich also selbst transportieren.

Im Modell der sogenannten Thünenschen Ringe findet sich daher in unmittelbarer Nähe vorindustrieller Verbraucherzentren die Produktion leicht verderblicher Güter, vor allem von Frischgemüse, im nächsten Ring die Holzproduktion (in Österreich beispielsweise der Wiener Wald), dann der Getreidebau und ganz außen die Viehzucht.

Überall in Europa gab es einen weiträumigen Ochsenhandel. Hollands Städte importierten die Ochsen in großer Zahl aus Friesland und Dänemark, die mittel- und ostdeutschen Städte aus Polen, Venedig und andere oberitalienische Städte bezogen sie aus Kroatien und dem Balkan. Doch der weitaus größte Ochsenfleisch-Lieferant im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit war Ungarn. Die großen Herden fand man auf den riesigen Weiden der ungarischen Tiefebene im Überfluss. Das dortige Vieh stand im 15. und 16. Jahrhundert wegen seiner Qualität und Preiswertigkeit ganz hoch im Kurs.

Das im 16. Jahrhundert so berühmt gewordene, an Risthöhe und Körpergewicht alle zeitgenössischen Rassen überragende ungarische Grauvieh mit großen Gabelhörnern war schon in der Frühneuzeit Produkt einer systematischen Züchtung. Diese verdoppelte von der zweiten Hälfte des 14. bis ins 17. Jahrhundert die Schlachtgewichte der ungarischen Ochsen und begründete ihren internationalen Ruhm.

Schöne Ochsen aus der Theißgegend waren im Vergleich zu mitteleuropäischen Rindern, die damals selten mehr als 200 kg wogen, mit 350 bis 500 Kilo wahrhaft eine Sensation. Deren Fleisch war von hervorragender Qualität und zudem preisgünstig. Kein Wunder, dass darum ein richtiges Gerangel entstand und man die Strapazen und Risken der langen Triebwege auf sich nahm.

In der ungarischen Tiefebene dürften im 16. Jahrhundert jährlich mindestens 200.000 Ochsen produziert worden sein, bei einem Rinderbestand von zwei Millionen. Für den Export nach Mitteleuropa standen, nach Abzug des italienischen Bedarfs, mindestens 100.000 Stück zur Verfügung. Die Hauptabnehmer waren neben Wien die oberdeutschen Städte wie Nürnberg, Augsburg, Frankfurt oder Straßburg. Nachfragespitzen gab es, wenn sich dort ein Großereignis einstellte: Reichstag, Fürstenhochzeit oder Kaiserbesuch.

Beim Exporthandel über Oberösterreich muss man von 20.000 bis 30.000 Ochsen im Jahr ausgehen, eine riesige Menge im Vergleich zum damaligen Rinderbestand im Land. Doch die Mengen schwankten von Jahr zu Jahr enorm: wegen der vielen Kriege, der Viehseuchen und sonstiger Katastrophen. Die Mautregister als wichtigste Quelle sind nur bruchstückhaft erhalten. Zudem muss man eine hohe Dunkelziffer und einen enormen Schmuggel annehmen. Und oft erhielten einzelne Händler Freipässe, zum Beispiel für die Versorgung der Reichstage oder als Ausdruck fürstlicher Gnade.

Logistische Probleme

Ein Trieb so großer Herden quer durch das dicht besiedelte Mitteleuropa warf erhebliche logistische und rechtliche Probleme auf: Wer durfte wo einkaufen? Auf welchen Routen durfte man die Rinder treiben? Wo gab es Rastplätze und Futter? Wie hoch waren die Mauten und Weggebühren?

Es gab viele Unfälle, die Gefahr eingeschleppter Viehseuchen, die Bedrohung durch Viehdiebe und Räuber, die Flurschäden etc. Verständlich, dass die Einheimischen nicht viel Freude damit hatten.

Handel betreiben durften nur die dazu berechtigten Händler. Auf dem Weg nach Westen musste das Vieh erst einmal auf den Märkten mit Vorkaufsrechten – in Österreich Wien, in Mähren Auspitz – zum Verkauf angeboten werden. An diesen Stapelorten übernahmen meist süddeutsche Händler den Weitertransport. Doch schickten die oberdeutschen Käufer häufig auch Agenten bis in die Tiefebene oder suchten auch auf den Viehmärkten an der ungarischen Grenze, in Bruck an der Leitha oder in Himberg, an die begehrte Ware heranzukommen.

Die Ochsenstraßen waren keine Wege, sondern Trampelpfade. Die durchschnittliche Breite mehrerer großer Pisten wurde 1563 in einem Kommissionsbericht mit rund 76 Metern (95 Schritt) angegeben.

Eine mährisch-böhmische Straße führte von Tyrnau (Slowakei) über Auspitz (Mähren) und Eger (Böhmen) nach Nürnberg, ein Weg nördlich der Donau, vom Waldviertel kommend, über Königswiesen zur Mautstelle Pregarten. Dort teilte sich der Weg, einerseits in Richtung Linz, andererseits weiter durch das nördliche Mühlviertel, wohl über Schenkenfelden, Leonfelden, Haslach, Rohrbach und Aigen bis zur nächsten Maut in Klaffer und weiter über Klafferstraß durchs Tal des Schwarzen Regen über Viechtach und Cham nach Nürnberg.

Südlich der Donau führte die Ochsenstraße von Wien über Amstetten bis zur Ebelsberger Maut, von dort über Pasching, Eferding, Peuerbach nach Raab und Schärding. Von Pregarten konnte man auch nach Linz abzweigen, dort die Donau überqueren und erreichte durch das Kapuzinertal und über den Gaumberg Leonding und die südliche Ochsenstraße, die von Enns kommend bei Ebelsberg die Traun querte und über Kleinmünchen, Hart, Jetzing, Hitzing und Straßham bis zur Einmündung auf die heutige Bundesstraße nach Schärding zwischen Schönering und Alkoven führte. Der Name „Ochsenstraße“ ist mit Flurnamen gut belegt.

Vier Monate unterwegs

Gemäß den Mautverzeichnissen umfassten die Herden meist zwischen 60 und 200 Tiere. Sie wurden von einem ‚Ochsenkapitän’ geleitet und von mehreren berittenen Treibern (Hayduken) begleitet, die meist schon in Ungarn angeheuert worden waren. Täglich legte man rund 15 bis 25 Kilometer zurück. In Frage kam für die bis zu vier Monate dauernde Wegstrecke nur die Sommerzeit.

Man brauchte Tränken, Futterstellen und sichere Plätze für die Nacht. Die Stadt Linz zum Beispiel kaufte dafür eine aufgelassene Schottergrube. Auch große Marktplätze wie jene von Schenkenfelden oder Rohrbach boten diesen Schutz. Allerdings musste man nach langen Triebstrecken die auf dem Weg abgemagerten Tiere in vorreservierten Weide- und Mastzonen wieder aufmästen.

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